Grafing:Polizei hat keine Zeit, um Juwelier-Diebe zu verhaften

Grafing: Juwelier Michael Kiau alarmierte vergeblich die Polizei.

Juwelier Michael Kiau alarmierte vergeblich die Polizei.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Als die Mitarbeiter Trickdiebe im Laden bemerken, rufen sie die Polizei. Doch die kommt nicht.

Von Wieland Bögel, Grafing

Was passiert mit einem Ladendieb, der sich vom Personal erwischen lässt? Ganz klar, wird man jetzt denken, das ist ein Fall für die Polizei. Auch Michael Kiau hat so gedacht - bis vergangenen Freitagnachmittag. Da schlugen zwei Trickdiebe in seinem Grafinger Juweliergeschäft zu. Einer lenkte die Verkäuferin ab, der andere ließ teuren Goldschmuck unauffällig in der Tasche verschwinden. Wohl nicht unauffällig genug, die Verkäuferinnen kamen den kriminellen Kunden schnell auf die Schliche.

Keine Streife verfügbar

Sie riefen ihren Chef an, der an dem Tag krankheitsbedingt zu Hause geblieben war, und der empfahl, sofort professionelle Gesetzeshüter einzuschalten. Doch die hatten keine Zeit, schildert Kiau. Die zuständige Polizeiinspektion Ebersberg habe mitgeteilt, es sei leider keine Streife verfügbar, man solle die Diebe doch bitte selbst dingfest machen und festhalten, bis die Polizei kommt - irgendwann.

Daraufhin sei er selber zu seinem Laden gefahren, sagt Kiau, und habe gerade noch mitbekommen, wie die Trickdiebe das Geschäft verließen und wenig später in einem Auto mit britischem Nummernschild davon fuhren. Eine zufällig vorbeikommende Bekannte des Juweliers habe sich das Kennzeichen notiert, doch als Kiau dieses an die Polizei weitergeben will, kommt die nächste Überraschung. Mit ausländischen Autonummern könne man nichts anfangen, habe es bei der Polizei geheißen, "da bin ich richtig sauer geworden."

Wie das Polizeipräsidium den Vorfall erklärt

Bei der Ebersberger Polizei will man sich zu dem Vorfall gar nicht äußern und verweist auf das Präsidium in Ingolstadt. Pressesprecher Hans-Peter Kammerer bestätigt Kiaus Geschichte weitgehend und hat auch eine Erklärung: Die Kollegen hätten am Freitagnachmittag "tatsächlich keine Streife verfügbar" gehabt. Grund war der angedrohte Suizid einer Jugendlichen. Bis diese gefunden und dingfest gemacht werden konnte, habe es zwei Stunden gedauert, so Kammerer.

Dass ein einziger längerer Einsatz die Polizeikräfte des gesamten südlichen Landkreises in Anspruch nimmt, liege daran, "dass die Personalsituation insgesamt sehr angespannt ist", sagt der Polizeisprecher. So sollte das Präsidium in Ebersberg über etwa 50 Beamte verfügen, "doch Soll und Ist klaffen weit auseinander", derzeit seien es etwa ein Duzend Polizisten zu wenig.

Trotzdem: "Wenn die Polizei gerufen wird, sollte sie natürlich auch kommen." Kammerer erklärt, dass man noch prüfe, warum keine Streife aus einer anderen Inspektion eingesprungen sei. Vermutlich liege das daran, dass der Notruf nicht über die zentrale Nummer 110, sondern direkt bei der Ebersberger Inspektion eingegangen war. Dort habe man dann entschieden, dass keine Streife frei sei, aber wohl versäumt, den Notruf an die Einsatzzentrale weiterzuleiten. Vielleicht, so Kammerer weiter, weil die Beamten von einem einfachen Diebstahl ausgingen. Er ist sich sicher, "bei einem bewaffneten Überfall wären alle verfügbaren Streifen von München bis Rosenheim hingefahren."

Was die Diebe hinterlassen haben

Den angeblich nicht benötigten Hinweis auf das Autokennzeichen werde man sicher brauchen können, sagt Kammerer. Aber eben nicht sofort: "Natürlich kann man da nicht einfach eine Halterabfrage machen", wie bei einheimischen Nummernschildern, dies habe wohl der Ebersberger Kollege gemeint. Sobald klar sei, dass eine Straftat vorliege, werde regulär nach den Dieben gefahndet - auch mittels ihres Autokennzeichens.

Eine Straftat liegt laut Juwelier Kiau in der Tat vor, der Schaden dürfte einige tausend Euro betragen. Allerdings haben die Diebe auch etwas hinterlassen: ihre Gesichter auf Video. Denn die Verkäuferinnen sahen zwar sicherheitshalber von einer Festnahme der Gauner ab, schalteten aber die Überwachungskameras ein. Dieses Material, so Kiau, könne er der Polizei überlassen. Wenn diese es denn brauchen kann.

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