Puchheim:Landgericht verhandelt Raubüberfälle in Puchheim

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Drei junge Männer schlagen im September vergangenen Jahres am S-Bahnhof zwei Passanten nieder

Von Andreas Salch, Puchheim

Angeblich passierte alles "einfach so": Kurz nach Mitternacht, am Morgen des 14. September vorigen Jahres raubten zwei damals 17-Jährige und ihr 31 Jahre alter Bekannter kurz hintereinander zwei Männer am Bahnhof aus. Die Täter sprachen die beiden etwa gleich an: "Wo kommst Du her? Hast Du Geld? Warte mal kurz!", dann schlugen sie ohne Vorwarnung brutal auf sie ein. Die Taten geschahen innerhalb von nur knapp einer halben Stunde. Seit diesem Dienstag müssen sich Hakam J., Mohsin H. und Yusuf A. vor dem Landgericht München II verantworten.

Da Hakam J. und Mohsin H. zum Zeitpunkt der Taten erst 17 waren, findet der Prozess vor der 1. Jugendkammer statt. Die beiden wohnen noch bei ihren Eltern. Hakam J. geht noch zur Schule. Mohsin H. ist Auszubildender. Der 31-jährige Yusuf A., 31, befindet sich seit den Überfällen in Untersuchungshaft. Er hat keinen Beruf und hielt sich bis zu seiner Verhaftung die meiste Zeit mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Die Staatsanwaltschaft legt allen drei Angeklagten unter anderem gemeinschaftliche schwere räuberische Erpressung sowie gefährliche Körperverletzung zur Last.

Beim ersten der beiden Überfälle versetzte Mohsin H. einem jungen Mann am Bahnhofsvorplatz mit solcher Wucht einen Faustschlag ins Gesicht, dass dessen Lippe aufplatzte und er nach hinten umkippte. Das zweite Opfer, ein 30-jähriger Hotelfachmann, der mit der S 4 aus München kam, leidet bis zum heutigen Tag an den Folgen der brutalen Schläge von Mohsin H. und Yusuf A. Der Hotelfachmann bekam mehrere Fausthiebe ins Gesicht. Folge war ein Halswirbelschleudertrauma, eine Nasenbeinfraktur, Hämatome an beiden Augen, das Jochbein angebrochen. Außerdem verlor der Hotelfachmann vier Zähne im Oberkiefer. Der 30-Jährige war nach dem Überfall zwei Wochen krank geschrieben und konnte mehrere Monate nicht durch die Nase atmen. Wegen der vier ausgeschlagenen Zähne muss er für voraussichtlich ein Jahr in Behandlung. Am Jochbein hat der Hotelkaufmann seit der Tat eine Narbe. Narben hinterließ der Überfall aber auch auf der Seele des 30-Jährigen. Denn um das Geschehen verarbeiten zu können, brauchte er die Hilfe eines Psychologen.

Yusuf A. hat die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft bislang bestritten. Sein Verteidiger kündigte zum Prozessauftakt jedoch an, dass der 31-Jährige sich äußern werde. Yusuf A.s mutmaßliche Komplizen, Hakam J. und Moshin H. legten indes Geständnisse ab.

Von beiden Überfällen existieren Bilder einer Überwachungskamera. Glaubt man den Angeklagten, waren sie durch Alkohol völlig enthemmt. Doch daran hatte Richter Thomas Bott erhebliche Zweifel. Als Moshin H. bei seiner Aussage beteuerte, er habe keine Probleme mit Alkohol, nur zur Tatzeit habe er es damit "richtig übertrieben", wandte der Vorsitzende ein: "Auf den Bildern der Überwachungskamera sieht aber keiner von ihnen stockbesoffen aus." Moshin H. ging auf diesen Vorhalt nicht weiter ein.

Zweifel hatte Richter Bott aber auch an dem, was Hakam J. sagte. Seiner Darstellung nach sollen die Überfälle mehr oder weniger spontan geschehen sein. Es sei "einfach so passiert", sagte Hakam J. Einen Plan habe es nicht gegeben.

Den Taten soll eine stundenlange Alkoholorgie vorausgegangen sein. Gegen 20 Uhr habe er sich mit den beiden Mitangeklagten und einem anderen jungen Mann am Entenweiher getroffen, so J. Dann habe man zu viert zwei Flaschen Wodka mit Red Bull getrunken. Angeblich herrschte eine gedrückte Stimmung. Denn jeder der jungen Männer soll sich nach seiner Heimat gesehnt haben. Ihm tue die Tat leid, sagte Hakam J. Er würde dem Hotelkaufmann am liebsten vier Zähne von sich geben. Die Beute der Angeklagten waren fünf Euro, eine Fünf-Dollar-Note sowie ein Handy. Der Prozess dauert an.

© SZ vom 18.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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