Nahverkehr:Mit der Kraft der zwei Herzen

Nahverkehr: Fachsimpeln am Landratsamt vor der gemeinsamen Testfahrt.

Fachsimpeln am Landratsamt vor der gemeinsamen Testfahrt.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Erstmals werden im Münchner Umland Hybridbusse im Alltagsbetrieb eingesetzt. Bruck stellt zum Fahrplanwechsel auf der Linie 840 drei Fahrzeuge mit kombiniertem Diesel- und Elektroantrieb in Dienst. Eine Probefahrt

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Man hört nichts, als der Bus am Dienstagvormittag bei seiner Probefahrt auf Höhe des Schulzentrums Tulpenfeld von der Oskar-von-Miller-Straße nach links auf die Münchner Straße einbiegt. Bei Ulrich Schmetz, der in Vertretung des Landrats mit an Bord ist, löst das Heiterkeit aus. Denn er hat einen älteren Mann mit einer Strickmütze beobachtet. Der steht am Straßenrand und blickt dem vorbeischwebenden Fahrzeug erstaunt nach. "Der schaut schon ein bisserl kariert", feixt der SPD-Politiker. Am 13. Dezember ist im Münchner Verkehrsverbund (MVV) Fahrplanwechsel. Und von diesem Tag an werden in der Kreisstadt sehr viele Leute etwas karierter dreinschauen. Dann nämlich werden drei Hybridbusse ganz regulär auf der Linie 840 eingesetzt.

Die drei Niederflurbusse der Marke Volvo verfügen über einen herkömmlichen 240-PS-Vierzylinder-Dieselmotor, der die strenge Euro-6-Norm erfüllt, und einen etwa 163 PS leistenden Elektromotor. Angefahren wird, auch weil dann ein sofort verfügbares hohes Drehmoment hilfreich ist, in der Regel mit Hilfe einer Eisensulfat-Batterie mit einer Kapazität von 4,8 Kilowatt - und damit emissions- und nahezu geräuschlos. Nach 800 bis 1200 Metern tritt der Dieselmotor an ihre Stelle, der wiederum die Batterie auflädt. Zudem gibt es Phasen, in denen beide Motoren gemeinsam arbeiten. Beim Bremsen wird die Batterie aufgeladen. Auch deshalb gilt die Brucker Linie 840, auf der täglich etwa 4000 Fahrgäste befördert werden, mit ihren vielen Haltestellen und Ampeln und damit dem hohen Stop-and-Go-Anteil als prädestiniert für ein solches System. Der schwedische Hersteller, der mit 2200 produzierten Hybridbussen die Weltmarktführerschaft für sich reklamiert, verspricht eine Treibstoffersparnis von bis zu knapp 40 Prozent. Die Steuerung der beiden Motoren erfolgt vollautomatisch, bei der Durchfahrt verkehrsberuhigter oder für Autos ganz gesperrter Bereiche wie dem Geschwister-Scholl-Platz kann per Knopfdruck ein rein elektrischer Betrieb sichergestellt werden. Um gerade dort die regelmäßig querenden Fußgänger vor den kaum hörbaren Bussen zu warnen, sollen diese noch mit akustischen Warnsystemen nachgerüstet werden. Man kann sich das etwa so vorstellen wie die aus München bekannten Straßenbahnklingeln, allerdings nicht so laut. An roten Ampeln oder Haltestellen wird der Dieselmotor ausgestellt, wie dies von Start-Stopp-Automatiken moderner Autos bekannt ist. Eingesetzt werden die Busse, die weiterhin über 36 Sitz- und 47 Stehplätze verfügen, vom Unternehmen Busverkehr Südbayern, das die öffentliche Ausschreibung bis zum Jahr 2023 für die Linie 840 gewonnen hat. Fürstenfeldbruck ist jenseits der Landeshauptstadt der erste Landkreis im MVV-Verbund, der Hybridbusse im Regelbetrieb einsetzt.

Nach Abzug öffentlicher Fördermittel lässt er sich das Modellprojekt jährlich etwa 250 000 Euro mehr kosten als einen Betrieb mit herkömmlichen Dieselbussen. Für das Geld bekommt er aber auch einen von 20 Minuten auf 15 Minuten (Montag bis Freitag) verkürzten Takt und damit ein unterm Strich um 20 Prozent erweitertes Fahrplanangebot. Am Sonntag fahren die Busse zudem morgens zwei Stunden früher und abends zwei Stunden länger und stellen damit eine stündliche Verbindung der S-Bahnstationen Buchenau und Fürstenfeldbruck sicher. Sollten sich die Hybridbusse bewähren, dann könnte sich Hermann Seifert, beim Landkreis für den Nahverkehr zuständig, vorstellen, dass diese vom nächsten Ausschreibungstermin 2022 an auch auf der ähnlich strukturierten Linie 851/857 in Germering eingesetzt werden könnten. Vielleicht haben bis dahin aber auch Busse mit reinem Elektroantrieb Marktreife erlangt, wie sie sich die Brucker Klimaschutzreferentin und Vorsitzende des Klimawendevereins Ziel 21 wünschen würde. Zierl zeigt sich bei der Probefahrt am Dienstag aber ebenso angetan wie Ulrich Schmetz, Markus Haller vom MVV, Busunternehmer Wolfgang Riedlinger, Carsten Gröblitz vom Hersteller sowie Kreistag-Umweltreferent Max Keil.

An der Bushaltestelle am S-Bahnhof ist von einer Vorreiterrolle sowie "von einem fast historischen Moment" die Rede. Und weil die Redner gegen die nagelnden Dieselmotoren der "normalen" Busse ankämpfen müssen, glaubt man ihnen das um so eher. Vor allem aber wird nach der teils surrenden Proberunde der Linie 840 durch die ganze Stadt und zurück bis vors Landratsamt klar, dass der an die Busflanke gepinselte Slogan gut gewählt ist: "Einfach entspannt ankommen". Außerdem leiser, mit weniger Abgasen und mit mehr kariert blickenden Passanten am Straßenrand, möchte man hinzufügen.

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