Das ist schön:Sicherheitsbanausen

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Popmusik braucht keinen geschützten Theaterraum - umgekehrt schon

Von Eva-Elisabeth Fischer

Die Lage ist ernst und nicht lustig. Der Mensch muss geschützt werden. Salman Rushdie im Cuvilliéstheater, die Fatwa im Erinnerungsgepäck und zwei als Sicherheitsleute abgestellte ungeschulte Angestellte vor der Tür. Keine Sicherheitsschleuse, nicht mal ein Tischchen. Der eine kauert am Boden und durchwühlt einen Rucksack, der andere fragt die Besucherin: "Was haben Sie in der Tüte?" Er hätte es riechen können - ein duftendes Stangenbrot. Man sieht dem Mann an, wie die Mühlen seiner Vorstellungskraft zu ächzen beginnen: Frau attackiert Schriftsteller mit Wurzelbrot. "Haben Sie ein Messer dabei?" fragt er weiter. Er phantasiert sich wohl gerade eine blutige Brotzeit herbei.

Nicht nur derlei Grotesken beschwichtigen die Angst vor dem Ungewissen durch Gelächter. Andere, trivialere würzen die Langeweile des Alltags. Christoph Gurk, seines Zeichens Pop-Beauftragter der Münchner Kammerspiele, der nicht so heißen mag, meint ernst, was doch eher belustigt. Er sehe es als seine Aufgabe an, "die Popkultur vor den Gesetzen des freien Marktes zu schützen", steht ausgerechnet am blutigen 13. November bei uns im Blatt. Die Musik, die einst gegen die Gängelung durch eine restriktive Moral und sämtliche Institutionen anklampfte und -stampfte als deren Vollstrecker, müsse, man höre und staune, geschützt werden. "Ich finde, dass es öffentliche Räume geben muss, in denen die Musik die Hauptrolle spielt und in einem Rahmen präsentiert wird, in dem eben keine Gläser klappern." Ja, wo samma denn? Was hat der Gurk gegen den Krone oder das Muffatwerk? Was gegen eine matschige Festivalwiese? Was macht man denn mit der freien Hand ohne Bierglas? Zweihändig Feuerzeuge schwenken?

Die Anarchie in den heiligen Guckkasten eines Musentempels sperren und die Fans auf den Sperrsitz? Christoph Gurk verwechselt da wohl was, nämlich die Sehnsucht der Theaterleitung, den Schutzraum Stadttheater aufzubrechen für die Freiheit, wie sie der freie Markt der Popkultur seit je gewährt. Die Geigerin Anne Sophie Mutter begibt sich ihrerseits in die Katakomben der Popkultur und fordert die Jungen auf, ruhig dazwischenzuklatschen, wenn ihnen ihr Spiel gefällt. Und das, wo doch im Konzertsaal schon der Applaus zwischen den Sätzen als Banausentum gilt. Geschützt werden also muss die uneingeschränkte Bewegungsfreiheit von allem und jedem. Soviel ist sicher: Das ist dann schön.

© SZ vom 21.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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