Einlagensicherung:Europa fehlt die Solidarität

Der Streit um die Einlagensicherung zeigt, wie wenig solidarisch die EU-Mitgliedsländer sind. Es darf keine Ausnahmen für deutsche Banken geben.

Kommentar von Cerstin Gammelin, Berlin

Jean-Claude Juncker hat jüngst mit einem simplen Bild die Streitereien in Europa beschrieben. "Ein Hühnerhaufen ist eine geschlossene Kampfformation" gegen die EU, monierte der Kommissionschef, aufgebracht über den Streit um eine EU-Armee. Inzwischen gackert der Hühnerhaufen in der Finanzpolitik, im Streit um die avisierte europäische Vollversicherung für Bankeinlagen, mit der die Bankenunion vollendet und Europas Bürger vor Finanzkrisen geschützt werden sollen.

Da grenzüberschreitendes Denken in Europa nicht ausgeprägt, die gemeinsame Einlagensicherung aber ein im wahrsten Wortsinne europäisches Vorhaben darstellt, ist es wenig verwunderlich, dass jetzt nationale wie europäische Hierarchen Krach machen. Besonders laut ist er zwischen Deutschland, dem wirtschaftlich stärksten Land Europas und der EU-Kommission zu hören, die per Amt zwischen allen 28 Staaten interessenausgleichend wirken muss. Noch bevor die Behörde ihren Gesetzesvorschlag, wie die nationalen Sicherungssystem für Bankeinlagen bis 100 000 Euro miteinander verschmolzen werden könnten, hatte vorstellen können, warnte Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon vor einem "Holzweg". Sparkassen und Volksbanken pochen darauf, über eigene Sicherungssysteme zu verfügen und nicht in den europäischen Topf einzahlen zu müssen. Sie fordern eine Ausnahme von der gemeinschaftlichen Garantie, verweigern Solidarität.

Harter Schlagabtausch mit der Kommission

Kommissionschef Juncker ließ sich zwar dazu hinreißen, der Branche Ausnahmen zu versprechen. EU-Finanzkommissar Jonathan Hill aber widersprach, es werde selbstverständlich keine Ausnahmen geben. Hill hat sich, zumindest was den Gesetzentwurf betrifft, durchgesetzt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble munitioniert sich bereits für den harten Schlagabtausch mit der Kommission und seinen europäischen Kollegen. Er zweifelt die gesetzliche Grundlage an - und den Inhalt sowieso.

Der Streit um die Einlagensicherung und insbesondere die Ausnahmen für Sparkassen und Volksbanken wirft ein schales Licht auf die noch lautstärker geführte Debatte um europäische Solidarität in der Flüchtlingskrise. Wenn es um europäische Solidarität mit Flüchtlingen in Deutschland geht, fordern die Bürgermeister, gleichzeitig Aufsichtsräte der Sparkassen, diese wie selbstverständlich ein. Wenn es aber darum geht, sich selbst solidarisch zu zeigen, unter strengen Regeln wohlgemerkt, ziehen sie sich zurück. Obendrein verschweigen sie, dass der angeblich schützende Sparkassenverbund in der Finanzkrise 2008 krass versagt hat. Die von der Zahlungsunfähigkeit bedrohten Landesbanken konnten nicht vom System der Institutssicherung gerettet werden, die Steuerzahler mussten aushelfen. Ein Grund mehr, keine Ausnahmen von der EU-Vollversicherung zuzulassen.

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