Polen:Historische Halde

In kaum einem europäischen Land war der Kohle-Bergbau so prägend für Wirtschaft und Gesellschaft wie in Polen. Nur langsam löst sich das Land aus der Abhängigkeit von dem schwarzen Gestein. Für die Bürger bringt das Nachteile - aber auch Gutes.

Von Tomasz Ulanowski (Gazeta Wyborcza)

Manchmal ist der beißende Kohlequalm mitten im Naturpark Hohe Tatra zu spüren. Sogar dort wird Kohle verfeuert. "Die Küche mit dem Kohleofen ist ein Erbe aus alten Zeiten", sagt Łukasz Kusion, der Leiter der Berghütte "Murowaniec". Er wohnt dort mit seiner Familie seit 1983. "Bis vor Kurzem hatten wir nicht einmal Strom."

In der Europäischen Union belustigt man sich darüber, dass die Polen sich auf Gedeih und Verderb in ihr "schwarzes Gold" verliebt hätten. Doch das ist eine ungerechte Vereinfachung. In den vergangenen 25 Jahren musste Polen den Zivilisationsrückschritt von einem halben Jahrhundert im Sowjetblock wettmachen. Während die westlichen Länder ihre Volkswirtschaften modernisierten und dabei auch eine ökologische Revolution vollzogen, nämlich den Verzicht auf Kohle, musste Warschau in die energiefressende Schwerindustrie investieren. Die Energieeffizienz war dabei nie wichtig - Kohle kam aus den staatlichen Bergwerken, Öl und Gas schickte die "brüderliche" Sowjetunion. Diese Welt zerbrach 1989/90.

Vor 20 Jahren waren etwa 350 000 Polen in der Förderung von Rohstoffen beschäftigt, vor allem im Kohlebergbau. Bis heute hat sich diese Zahl halbiert, während das Bruttoinlandsprodukt sich verdoppelte. Doch die Bergarbeiter sind weiterhin eine wichtige gesellschaftliche Gruppe, die Druck auf die Regierung ausüben kann. Kein Politiker kann sich erlauben, ihre Interessen nicht ernst zu nehmen. Man setzt auf das langsame Absterben ihres Industriezweiges, denn wegen der immer größeren Tiefen, aus denen die Kohle gefördert werden muss, werden die Bergwerke immer weniger rentabel.

So ist es nicht verwunderlich, dass die Umstellung auf andere Energieträger in Polen schleppend voran geht. Laut Eurostat stammten 2012 nur elf Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen. Und was alles noch schlimmer macht: Das Gros davon war Gas aus Biomasse, die zur Hälfte mit Kohle verbrannt wird. Diese deckt also nach wie vor rund 90 Prozent der polnischen Stromproduktion ab.

Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS, die das Umweltministerium in Auftrag gab, meinen 74 Prozent der Polen, das Land solle den Ausstoß an Treibhausgasen verringern (der CO₂-Ausstoß Polens liegt jährlich bei einem Prozent des globalen Volumens). Allerdings findet das Problem des Klimawandels kaum Interesse. Politiker aller Parteien schauen weg. Denn die Bergarbeiter verteidigen hartnäckig ihre Arbeitsplätze.

Doch seit einigen Jahren ist eine Veränderung in der öffentlichen Debatte spürbar. Nicht wegen der globalen Erderwärmung, dieses Problem ist für die meisten Polen sehr weit weg. Sondern wegen der Luftverschmutzung in den großen Städten. In Krakau, einer der schmutzigsten Städte in der EU, entstand die Bürgerinitiative "Krakauer Smogalarm". Sie zwang die Behörden, das Heizen mit Kohle im Stadtzentrum zu verbieten. Zum Kampf gegen den Smog wird Polen auch durch die EU-Kommission gezwungen, die Warschau mit hohen Strafen droht.

Ein Gesetzespaket soll die Bürger ermuntern, in grüne Energieträger zu investieren

In diesem Jahr hat das Parlament ein Gesetzespaket verabschiedet, das die Bürger animieren soll, in "grüne Energieträger" zu investieren. Auch ist die Hälfte der polnischen Kraftwerke älter als 30 Jahre alt, stammt also noch aus den Zeiten der Volksrepublik. Nach und nach müssen sie ersetzt werden. Der Trend ist klar: Als Polen 2004 der EU beitrat, stammten nur vier Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen, 2012 waren es elf.

Nein, die Polen lieben die Kohle nicht. Sie heizen mit ihr und erzeugen mit ihr Strom, weil sie bislang kaum eine Alternative hatten. Wenn ihnen andere billige Energieträger zur Verfügung stünden, würden sie gern ihre qualmenden Öfen entsorgen. Die Berghütte "Murowaniec" modernisiert sich schrittweise. "Wir haben schon eine biologische Kläranlage", sagt Łukasz Kusion. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir in der Küche die Kohleöfen durch Elektroplatten ersetzen."

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