Großbritannien:Es gibt nichts mehr

A miner at Longannet deep mine in Fife sits on a pile of coal after hearing that the mine has been p..

Traurige Nachrichten: Ein britischer Kohlekumpel, der gerade erfahren hat, dass seine Zeche geschlossen wird.

(Foto: Jeff J. Mitchell/Reuters)

Kohle regierte einst als Königin über die britische Industrie. Seit Jahrzehnten aber sterben die Zechen - und mit ihnen ganze Städte und Landstriche. Im nordenglischen Ashington kann man sehen, was das für die Menschen bedeutet.

Von Kate Lyons (The Guardian)

In England, Schottland und Wales war Kohle bis in die frühen Achtzigerjahre hinein die unbestrittene Königin. Zu Spitzenzeiten produzierten britische Bergwerke 228 Millionen Tonnen im Jahr. 1920 waren 1,24 Millionen Menschen in 3000 Zechen in Großbritannien beschäftigt. 1980, vor Margaret Thatchers Kampagne, die Minen zu schließen, und dem Streik 1984, war die Zahl der Bergleute auf 230 000 gesunken, 2014 arbeiteten noch 4000 Menschen in Bergwerken. In nur 35 Jahren verlor die Kohleindustrie mehr als 200 000 Jobs, und die Minengesellschaften sind tief greifendem Wandel ausgesetzt.

Ashington, eine Stadt mit 27 000 Einwohnern in Nordengland, ist eine der Gemeinden, die um Kohleminen gebaut wurden. Im späten 19. Jahrhundert hatte sich Ashington zu einem industriellen und kulturellen Zentrum der Region entwickelt, mit Clubs, Kinos, Bingo-Hallen und einer bedeutenden Künstlergemeinde, angeführt von den "Pitmen Painters".

1988 wurde die Zeche Ashington geschlossen, und eine große Zahl der männlichen Stadtbevölkerung war ohne Arbeit. Einige pendelten ins nahe Ellington, um dort in der Zeche zu arbeiten, die 1994 zumachte, einige Monate später wieder öffnete und 2005 ganz geschlossen wurde.

Richard Lonsdale, 50, ist in Ashington geboren. Wie sein Vater und sein Bruder arbeitete er als Bergmann in der Ellington-Grube. Mit 16 fing er an. Als die Zeche 1994 schloss, war er 28. Lonsdale, der "enttäuscht" war, als die Mine schloss, hatte Glück: Er war jung genug, um umzuschulen und ergatterte einen der wenigen Jobs, die es in der Region gab - in einer Chemiefabrik, wo er bis heute arbeitet. "Zu jener Zeit war es furchtbar, arbeitslos zu sein. Die Leute mussten wirklich kämpfen", sagt er. In den Achtzigern und frühen Neunzigern, als viele Minen zumachten, unterstützte man die Bergleute kaum beim Übergang in neue Beschäftigung. 1999 gründete die Labour-Regierung dann den Coalfields Regeneration Trust, um Bergarbeiter und Zechensiedlungen zu unterstützen, deren Existenz mit dem Verschwinden der Minen in Gefahr war.

Der Trust muss eine Mammutaufgabe bewältigen, besonders bei so geringen Mitteln. 5,5 Millionen Menschen leben in den Kohleregionen von England, Schottland und Wales - neun Prozent der britischen Bevölkerung. Die Gebiete haben deutlich mehr Armut und Arbeitslosigkeit als andere Landesteile. Die Beschäftigungsrate in den englischen und walisischen Kohlegebieten ist um zwei bis sieben Prozent niedriger als im britischen Durchschnitt, auch Lebenserwartung und Bildungsgrad sind niedriger. Es gibt mehr Empfänger von Sozialhilfe und Arbeitsunfähigkeitsrente, die Jugendarbeitslosigkeit ist höher.

Viele Kohlegebiete hatten es schon schwer, ehe die Gruben dichtmachten; danach sahen sich die Menschen mit noch größeren sozialen und wirtschaftlichen Problemen konfrontiert. Meist gibt es nicht genug Arbeit: In den Kohleregionen finden nur 50 von 100 Menschen im arbeitsfähigen Alter Jobs, verglichen mit 67 von 100 im britischen Durchschnitt.

In Ashington ist größter Arbeitgeber der nahe Asda-Supermarkt. Die Stadt kämpft um die Ansiedlung neuer Industrien, ein Freizeitzentrum soll bald eröffnen und eine Handvoll Arbeitsplätze schaffen. "Die Jobs hier in der Gegend lohnen sich wirklich nicht", sagt Lonsdale. "Sie sind furchtbar, ich kenne sie - die Aussichten gehen gegen null, vor allem, wenn man etwas Lukratives sucht. Die Geschäfte schließen, viele Leute ziehen weg, und die einzigen, die herkommen, haben sonst keinen Ort, wo sie hingehen können."

Der Mangel an qualifizierten Jobs, sagt Janet Cresswell, Managerin des Ashington Community Development Trust, schaffe eine Art Teufelskreis der Benachteiligung. "Weil es so wenige qualifizierte Jobs gibt, gibt es weniger Anreiz zu lernen, sich in der Schule anzustrengen. Die Leistungen hier sind nicht besonders. Wenn Firmen sich in Ashington umsehen, sagen sie, sie gehen lieber woanders hin, weil es hier keine qualifizierten Kräfte gibt."

Die Zechenschließungen haben bei den Menschen, die früher die Kohle verband, auch zu Identitätsverlust geführt. Lonsdale hat zwei Söhne, sie lebten "in einer komplett anderen Welt", sagt er. "Sie haben keine Ahnung vom Bergbau und von dem, was wir machten. Wäre die Mine noch offen und ich würde runterfahren, hätte ich sie nie abgehalten, hier zu arbeiten. Wir hatten eine Mine in Ashington und eine in Ellington, das war im Grunde die Arbeit, die man hier in der Region machte, wir förderten Kohle. Für sie gibt es hier nichts mehr."

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