Deutscher Wald:Angriff auf einen Mythos

Wald in Hessen

Bäume können sich nur sehr langsam an den Klimawandel anpassen.

(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Der deutsche Wald ist längst nicht so robust, wie er oft wirkt. Schon jetzt setzt ihm der Klimawandel zu.

Von Tina Baier

Eigentlich geht es dem Wald in Deutschland gar nicht so schlecht. Auf jeden Fall besser als vor 30 Jahren, als das Waldsterben eines der zentralen Umweltthemen war. Auch besser als vor zweihundert Jahren. Damals waren vor allem Wälder in der Nähe von Siedlungen derart übernutzt, dass die Landschaft wie eine Art Savanne aussah. Jetzt, im 21. Jahrhundert, droht dem Wald eine neue Gefahr: der Klimawandel.

Nach einer Prognose des Weltklimarats muss sich Deutschland bis zum Ende dieses Jahrhunderts auf eine Erwärmung von 3,5 bis 4,5 Grad im Vergleich zu den Jahren 1971 und 2000 einstellen. Im Süden und Südwesten des Landes werden die Temperaturen wahrscheinlich schneller ansteigen als im Norden. In der Westhälfte dürften die Sommer trockener werden. Herbst, Winter und Frühling sollen den Klimamodellen zufolge dagegen deutschlandweit feuchter werden. Derartige Veränderungen werden für den Wald, der etwa ein Drittel Deutschlands bedeckt, nicht ohne Folgen bleiben. Bäume können sich an veränderte Umweltbedingungen nämlich nicht so schnell anpassen wie viele andere Lebewesen, weil sie langsam wachsen und sich deshalb auch nur langsam entwickeln. "Wie genau die Konsequenzen aussehen werden, ist regional sehr unterschiedlich", sagt Christopher Reyer, Forstökologe am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

Natürliche Wälder existieren in Deutschland kaum noch

Im norddeutschen Tiefland beispielsweise könnten Hitze und Dürrephasen dem Wald stark zusetzen. Vor allem die Buchen, die sich auf den sandigen Böden schon jetzt nicht besonders wohlfühlen, seien gefährdet, sagt Reyer. Im Gebirge könnten die ansteigenden Temperaturen dagegen sogar dazu führen, dass die Bäume in höheren Lagen, in denen es ihnen bislang zu kalt war, besser wachsen. "Die meisten Forstwissenschaftler gehen aber davon aus, dass der Klimawandel unterm Strich negative Auswirkungen auf den Wald haben wird", so Reyer.

Auf jeden Fall ist der Wald in Deutschland weit weniger robust, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Das hat vor allem damit zu tun, dass es fast keine natürlichen Wälder mehr gibt. Von Natur aus wäre der Großteil Deutschlands nämlich mit Laubbäumen bedeckt - Buchen und Eichen vor allem. Stattdessen wächst das, was im 19. und 20. Jahrhundert gepflanzt wurde, weil es den größten Nutzen versprach: im Norden hauptsächlich Kiefern, gemischt mit einigen Buchen und Eichen. Im Süden vor allem Fichten, die unter anderem wegen ihres schnellen Wachstums und wegen der guten Verwendbarkeit des Holzes als "Brotbäume" der Forstwirtschaft gelten.

Dass ein Großteil der Bäume an Orten steht, an denen die Bedingungen ohnehin schon nicht ideal für sie sind, macht sie anfälliger für zusätzliche Stressfaktoren durch den Klimawandel. Diese können sehr unterschiedlich sein. Neben Dürreperioden befürchten Experten eine Zunahme von Schädlingen wie dem Borkenkäfer oder der Nonne, einem Nachtfalter, dessen Raupen vor allem Nadelbäume regelrecht kahl fressen. Denn viele Insekten vermehren sich stärker, wenn die Temperaturen um ein paar Grad ansteigen. Der Borkenkäfer etwa könnte dann drei oder sogar vier Reproduktionszyklen pro Jahr schaffen. Derzeit sind es meist zwei.

Natürliche Mischwälder schaffen oder neue Bäume importieren?

Zudem könnten neue Schädlinge einwandern, denen es hier bislang zu kalt war. So wie der Eichen-Prozessionsspinner, der aus Südeuropa nach Deutschland gekommen ist und der jedes trocken-warme Jahr nutzt, um sich weiter auszubreiten. Die Raupen dieses Nachtfalters verschlingen die Blätter von Eichen fast komplett, lediglich die Mittelrippe lassen sie übrig. Ihre Fressgelage veranstalten sie in Gruppen, wobei jeweils zwanzig bis dreißig Raupen wie in einer Prozession hintereinanderherkrabbeln - daher auch der Name. Ältere Raupen können nicht nur Bäumen, sondern auch Menschen gefährlich werden, da sich ihre Haare in Haut und Schleimhäuten verhaken und Allergien, Bronchitis und Asthma auslösen.

Auch Waldbrände dürften als Folge des Klimawandels und der damit verbundenen Trockenheit zunehmen. Welche Schäden ein Feuer im Wald anrichten kann, ist aber auch stark von der Zusammensetzung und vom Alter der Bäume abhängig. Ein mittelalter Kiefernbestand beispielsweise, in dem nur wenig Brennbares auf dem Boden liegt, ist weniger anfällig, als ein Wald mit viel Unterholz. Umstritten ist, ob es als Folge des Klimawandels im Südwesten Deutschlands mehr und stärkere Stürme geben wird. Nadelbäume würden dann wohl häufiger entwurzelt werden als Laubbäume. Die meisten Stürme treten nämlich im Winter auf, wenn die Laubbäume keine Blätter haben und daher weniger Angriffsfläche für den Wind bieten als die immergrünen Nadelbäume.

"Wie bei einem Aktienportfolio"

Fast nie ist es ein einziger Faktor, der den Wald zermürbt. Für die Waldschäden in den vergangenen Jahrzehnten machen Wissenschaftler etwa jeweils zur Hälfte den Klimawandel und andere Faktoren wie ungünstige Bodenverhältnisse oder das Alter der Bäume verantwortlich. Doch je mehr negative Einflüsse an einem Baum nagen, umso gefährdeter ist er. Fakt ist, dass sowohl extreme Wetterereignisse, als auch Schäden durch den Befall mit Schädlingen bereits zugenommen haben. Der große Verlierer des Klimawandels könnte die Fichte sein. Sie kommt schlecht mit Trockenheit zurecht, hat gegen zahlreiche Schädlinge zu kämpfen und gehört zudem zu den Flachwurzlern, die anfällig für Sturmschäden sind. Bessere Chancen dürften Kiefern und Eichen haben, die wärmeliebend sind und mit weniger Niederschlägen ganz gut umgehen können.

Eine wirkungsvolle Strategie, den Wald widerstandsfähiger zu machen, ist nach Ansicht fast aller Experten, die Monokulturen durch Mischwälder zu ersetzen. "Das ist wie bei einem Aktienportfolio", sagt Reyer: "Durch die Mischung verringert sich das Risiko." Wie dieser Mischwald aussehen sollte, darüber gibt es allerdings unterschiedliche Meinungen. Manche Forstwissenschaftler wollen Baumarten wie die Douglasie oder die Roteiche pflanzen, die in Deutschland natürlicherweise nicht vorkommen, aber Trockenheit gut vertragen und kaum mit Schädlingen zu kämpfen haben. Andere schwören auf einen naturnahen Wald, in dem nur wächst, was ursprünglich in die Region gehört.

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