Virtuelle Realität:Apple setzt auf Avatare

Virtuelle Realität: Motion-Capturing am eigenen Rechner: Was früher nur in wenigen Filmstudios möglich war, bringt die Schweizer Firma Faceshift auf jeden normalen PC.

Motion-Capturing am eigenen Rechner: Was früher nur in wenigen Filmstudios möglich war, bringt die Schweizer Firma Faceshift auf jeden normalen PC.

(Foto: Faceshift)
  • Der Computerkonzern Apple investiert in virtuelle Realität und sichert sich das Start-up Faceshift aus der Schweiz.
  • Mit dessen Technik lässt sich die eigene Mimik in Echtzeit auf digitale Kunstfiguren übertragen. So etwas war bisher extrem aufwendig und nur für Hollywood-Studios möglich.

Von Varinia Bernau

Es sieht so aus, als hätten die Tüftler von Faceshift Frankenstein mit ein paar modischen Accessoires ausgestattet: Das Monster trägt nicht nur grünes Make-up, sondern auch Pferdeschwanz und Nasenpiercing. Vor allem aber folgt es exakt den Befehlen derer, die es erschaffen haben: Grinst sein Schöpfer oder reißt er staunend Mund und Augen auf, dann grinst auch das grüne Monster - oder staunt. Jede Miene verzieht es ganz genauso, wie die Person neben ihm.

Technik aus dem neuen Star-Wars-Streifen

Die Technologie hinter den Avataren, die Gesichtsausdrücke in Echtzeit nachahmen, hat es sogar in den neuen Star-Wars-Streifen geschafft - und nun einen der mächtigsten Technologiekonzerne in den Bann gezogen: Apple hat das Schweizer Start-up gekauft.

Noch vor zehn Jahren mussten Filmstudios, wenn sie Science-Fiction-Figuren ein menschliches Antlitz geben wollten, Hunderte von Markern auf dem Gesicht von Schauspieler auftragen, um dessen Mimik zu erfassen. Mit den eingescannten Informationen wurde dann eine Filmfigur animiert. Das kostete viel Zeit, Nerven und Geld. Faceshift setzt auf eine 3-D-Kamera, die aufzeichnet, welche Grimassen man schneidet, und auf eine Software, die dies in Echtzeit auf ein Gittermodell überträgt. Daraus wird dann auf dem Bildschirm zum Beispiel das grüne Monster. Gegenüber dem, was einst nur wenigen Filmstudios vorbehalten war, ist die Technologie von Faceshift schneller, billiger - und somit mehr Menschen zugänglich.

Bei Apple gibt man sich wie üblich schmallippig, wenn es darum geht, was der Konzern mit dem eingekauften Know-how vorhat. Es gibt allerdings einige spannende Szenarien jenseits von Hollywood-Studios, in denen dieses Wissen sehr wertvoll wäre.

Video-Telefonie auch bei wackligem Netz - oder früh am Morgen

So hat das Start-up, 2011 als eine Ausgründung der Technischen Hochschulen in Lausanne und Zürich entstanden, zuletzt an einer App gearbeitet, die Chats mit Avataren ermöglicht. Im Vergleich zur herkömmlichen Videotelefonie benötigen die animierten Figuren weniger Daten und vermitteln auch bei wackliger Internetverbindung den Gesichtsausdruck des Gesprächspartners. Und wenn man noch zu müde fürs morgendliche Meeting ist, so scherzte einmal einer der Gründer, könne man dieses auch im Schlafanzug oder ungeschminkt abhalten, ohne dass dies am anderen Ende der Leitung auffalle.

Eines Tages könnte die Technologie womöglich auch erkennen, ob derjenige, der sich ein iPad oder ein iPhone greift, wirklich derjenige ist, dem das Gerät gehört. Sie könnte es möglich machen, dass man sich allein mit seinem Gesicht ausweist, um per Smartphone zu bezahlen. Und sie könnte Unternehmen den Umgang mit Kunden erleichtern - etwa indem das Firmenmaskottchen die Beratung im Chat übernimmt.

Es sind viele kleine Dinge, die letztlich einem großen Ziel dienen: dafür zu sorgen, dass Apples alltagstaugliche Geräte noch ein paar Zwecke mehr erfüllen. So könnte Apple nicht nur noch ein paar Kunden mehr für seine iPhones und iPads gewinnen, sondern auch ein paar mehr Entwickler, von denen der Konzern dann jeweils 30 Prozent dessen kassiert, was diese wiederum für ihre Apps verlangen.

Die Verbindung von realer und virtueller Welt

Auffällig ist, dass sich Apple zuletzt einiges an Wissen eingekauft hat, wenn es darum geht, die reale mit der virtuellen Welt geschickt zu verknüpfen. Und nicht selten führte diese Einkaufstour auch nach Europa: Bereits vor fünf Jahren schnappte sich der Konzern den schwedischen Softwarespezialisten Polar Rose, der sich vor allem damit auskannte, Gesichter nicht nur zu erkennen, sondern diese auch zu erfassen und später einmal zu identifizieren.

Vor zwei Jahren legte der Konzern dem Vernehmen nach 360 Millionen Dollar auf den Tisch, um sich die israelische Firma Primesense zu sichern. Die hatte einst die Technologie für Microsofts Spielekonsolen gebaut, bei der Kameras und Sensoren die Bewegungen und Positionen von Spielern erfassen - und diese stetig kompakter gemacht. Die neueren Sensoren passten dann auch in Smartphones und Tablets. Und sie konnten nicht mehr nur Bewegungen erkennen, sondern dienten auch als 3-D-Scanner - oder warnten die Leute, die im Gehen auf ihr Handy starren, vor möglichen Zusammenstößen. Auch die Technologie hinter Siri, der charmanten und inzwischen auch deutlich klügeren Assistentin auf dem iPhone, hatte sich Apple einst von außerhalb geholt.

Und im Mai dieses Jahres kaufte der Konzern mit dem Münchner Unternehmen Metaio einen Pionier in Sachen Augmented Reality. Diese Technologie ergänzt die Wirklichkeit mit computergestützten Informationen, also Texten, Grafiken oder Bildern: Die Münchner bauten für Ferrari einen dreidimensionalen Showroom für die schnellen Autos, sie animierten einen Katalog für Ikea. Und sie sorgen nun bei Apple für das nächste große Ding.

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