Vor der Mitgliederversammlung:Bayerns neue Nüchternheit

FC Bayern Munchen v Olympiacos FC - UEFA Champions League

Führt der Weg des FC Bayern ins Champions-League-Finale? Thomas Müller hat viel vor

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Von Sebastian Fischer

Jahreshauptversammlungen des FC Bayern München waren in der Vergangenheit oft ziemlich großer Zirkus. Gedichte, Gebrüll, Tränen, Ovationen, die Geschichten sind zahlreich und bekannt. Vor der nächsten Versammlung am Freitag hat Karl-Heinz Rummenigge nun, eher nüchtern, festgestellt: "Wir wollen da keine Show abziehen." Und: "Wir müssen da nicht irgendwelche Zuckerl verteilen."

Die neue Nüchternheit vor der sonst eher folkloristisch angehauchten Mitgliederversammlung kommt etwas überraschend. Wenn schon nicht, wie es eine Weile hieß, das süßeste aller Zuckerl zu verteilen sei - die Verlängerung des Vertrags mit Trainer Pep Guardiola -, dann doch wenigstens eine Art Betthupferl: etwa die Vertragsverlängerung von Verteidiger Jérôme Boateng.

Doch Rummenigge sagte, noch mal sehr nüchtern: "Wir werden nichts verkünden." Die Gespräche mit Guardiola sollen spät im Dezember stattfinden, die Gespräche mit Spielern sind im Gange. Rummenigge wollte eine einfachere Botschaft aussenden, als er am späten Dienstagabend nach dem 4:0 gegen Olympiakos Piräus vor einer bunten Sponsorenwand stand: Bei uns läuft's. Die Show ist auf dem Platz.

Es war die heile Fußballwelt in den Katakomben der Münchner Arena. Auf den Bildschirmen lief eine Talksendung, in der Klub-Ikone Franz Beckenbauer so beschwingt über die schönen Laufwege der Bayern plaudern durfte, als würde sich Deutschland nicht wünschen, er würde lieber mehr über die weniger schönen Geldflüsse vor der WM 2006 erzählen. Unter den Bildschirmen redeten derweil die Münchner Spieler glückselig über Platz eins in der Champions-League-Gruppe F und den vorzeitigen Einzug ins Achtelfinale. Und Sportchef Matthias Sammer erklärte nach dem 18. Sieg im 20. Spiel dieser Saison zum 20. Mal, die Champions League sei ein Zehntausendmeterlauf und die Bundesliga ein Marathon. Er zog dabei zum 20. Mal die Augenbrauen sehr hoch.

Was war nun also die Erkenntnis dieses Abends? Vielleicht jene, die Pajtim Kasami, Mittelfeldspieler der Gäste, mit hängenden Schultern vortrug: Die Bayern seien nun mal gerade die wohl beste Mannschaft der Welt. Das lindert wenigstens den eigenen Schmerz ein bisschen: Gegen die Weltbesten, was willste da machen? "Wir sind hier hergekommen, um unseren Stolz zu zeigen", sagte der Schweizer Nationalspieler. Doch die einzige Statistik, in der Olympiakos am Ende vorne lag, war die Summe der Rückennummern: Pardo, Cambiasso, Sebá und Brown liefen mit den Nummern 90, 91, 92 und 99 auf; hübsch auch die 77 des eingewechselten Hernâni.

Die Bayern hingegen spielten 399 Pässe mehr als Piräus, schossen mehr als doppelt so oft aufs Tor. Nach 20 Minuten hatte es durch Treffer von Douglas Costa, Robert Lewandowski und Thomas Müller schon 3:0 gestanden. Die Bayern griffen mit fünf Stürmern an, ließen den Gästen, immerhin bis dahin punktgleicher Gruppenzweiter, keinen Raum. Alle drei Treffer entstanden aus verunglückten Schussversuchen oder Abprallern, irgendwo stand immer ein Münchner, der den Ball ins Tor schoss. Eine Demonstration wie im Vorübergehen. "Es ist immer noch sehr tough", sagte Müller und blieb dabei sogar ernst. Philipp Lahm gab immerhin zu, dass "jetzt das nächste wichtige Spiel erst wieder im März stattfindet". Dann erst steht das erste K.-o.-Spiel an.

Die andere Erkenntnis lag eher im Detail, etwa in der Studie des Bewegungsablaufs von Holger Badstuber in Minute 53. Als der Ball in hohem Bogen über ihn hinwegsegelte, analysierte der Verteidiger zunächst die Flugbahn. Als er entschied, sich umzudrehen und hinterherzulaufen, war ihm Gegenspieler Ideye Brown bereits enteilt. Badstuber holte den Nigerianer zwar ein, Brown geriet jedoch ins Straucheln - Notbremse, rote Karte.

"So eine Aktion und du bist raus"

Sammer nahm Badstuber zwar massiv in Schutz ("Für mich war das kein Platzverweis"), doch er sagte auch, wieder mit hochgezogenen Augenbrauen: "Ich habe es mir ganz genau angeguckt. Da habe ich gesehen, dass es noch an der Praxis fehlt." Guardiola sprach von einer "großen Lektion" mit Blick aufs Achtelfinale: "Solche Aktionen machen den Unterschied. So eine Aktion - und du bist raus."

Badstuber selbst lächelte, als er aus der Arena schritt, "alles gut", mehr sagte er nicht. Er hatte erstmals seit 217 Tagen wieder in der Startelf gestanden, nachdem er auch seine jüngste Verletzung, einen Muskelsehnenriss im Oberschenkel, auskuriert hat. Badstuber, 26, spielte ein paar charakteristische Diagonalbälle, wirkte sicher und selbstbewusst. Andererseits verfolgt ihn seine beispiellose Krankenakte bei jeder Bewegung. Auch deshalb warten die Bayern damit, Badstubers bis 2017 gültigen Vertrag zu verlängern, ähnlich wie bei Javi Martínez, ebenfalls bis 2017 gebunden. Die Position neben Jérôme Boateng beim FC Bayern der Zukunft ist noch offen.

Mit wohl allen Spielern, die in München die Zukunft prägen sollen, wird derzeit verhandelt, mit Müller, Alaba, Neuer. Der Vertrag mit Boateng bis 2021 steht vor dem Abschluss, ähnlich wie die Verpflichtung des von Juventus Turin geliehenen Kingsley Coman, dem Schützen von Tor vier.

Die wichtigste Personalie bleibt das große Rätsel

Aber zu verkünden gibt es nichts am Freitag, der Erfolg ist die Botschaft, und die wichtigste Personalie bleibt das große Rätsel. Keiner kann die Gedanken des genialischen Guardiola lesen. Niemand scheint zu wissen, ob er bleiben oder gehen will. Sogar sein Biograf Martí Perarnau sagte der Neuen Zürcher Zeitung, er habe den Trainer darauf lieber nicht angesprochen: "Ich will ihn damit nicht auch noch belasten."

Die Gedanken, die Guardiola am Dienstag mit der Welt teilte, waren nurmehr Beleg seiner Akribie. Gruppenerster? 712 Pässe? "Mit dem Ball waren wir nicht perfekt."

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