Kampagnen gegen Flüchtlinge:"Wenn sie nicht freiwillig gehen, werden sie gezwungen"

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Flüchtlinge auf der Insel Lesbos. Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten starteten eine Abschreckungskampagne - auch hier. (Foto: action press)

Europas wohlhabende Staaten wollen Flüchtlinge mit Anzeigen und Flugblättern abschrecken. Auch Deutschland versucht, sich schlechtzureden.

Von Benedikt Peters

Früher einmal startete die Bundesregierung die Kampagne "Make It in Germany". Sie verbreitete Bilder einer rumänischen Altenpflegerin, die glückliche Senioren im Rollstuhl durch die Münchner Sonne schob. Oder von einem IT-Manager aus Indien, der zufrieden mit seinem Sohn auf einem deutschen Spielplatz spielt. Für die Maßnahme gegen den Fachkräftemangel, der sich in Zukunft laut Prognosen deutlich verschärfen wird, gab es positive Kritik.

In der Flüchtlingskrise aber kann die Bundesregierung anders - und mit ihr viele Regierungen in Nordwesteuropa. Angesichts der vielen Flüchtlinge, die derzeit nach Europa kommen, fahren sie in deren Heimatländern Kampagnen, bei denen auch schon mal darauf verzichtet wird, die ganze Wahrheit zu sagen.

Wer etwa am Montag die in Kabul erscheinende Afghanistan Times las, der fand gleich auf der ersten Seite eine ungewöhnlich große Anzeige der norwegischen Regierung. "Strengere Einwanderungsregelungen in Norwegen - wichtige Information!" steht da in riesigen Lettern, die Anzeige zieht sich etwa über die halbe Seite. Es folgen Bestimmungen zum Asyl: Wer in Norwegen ankomme, aber für eine Aufenthaltserlaubnis nicht "qualifiziert" sei, der müsse das Land wieder verlassen. "Wenn Sie nicht freiwillig gehen, werden Sie gezwungen." Menschen aus "sicheren Gebieten in Afghanistan" würden "abgelehnt und deportiert". Die gleiche Anzeige schaltete das norwegische Justizministerium in der afghanischen Zeitung Hasht-e-sub, die in der Amtssprache Dari erscheint.

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:Bleibt bloß weg!

Flüchtlinge sollen sich überall um Asyl bewerben, nur nicht in Dänemark. Damit Hilfesuchende das auch wissen, will die Regierung Anzeigen im Ausland schalten.

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Die Schwedendemokraten fuhren gleich in die Flüchtlingslager

Die Idee mit den Anzeigen könnte sich Norwegen direkt vom Nachbarland Dänemark abgeschaut haben. Im September verbreitete dessen rechtsliberale Regierung Botschaften in vier libanesischen Zeitungen. Sie richten sich vor allem an die Millionen syrischen Flüchtlinge, die in den Lagern im Libanon ausharren. Die Sozialleistungen werde man "deutlich" beschneiden, um bis zu 50 Prozent, heißt es darin. Menschen ohne Aufenthaltstitel müssten das Land "so schnell wie möglich" verlassen. Dazu gebe es ein "spezielles Rückkehrzentrum für abgelehnte Asylbewerber". Dem Leser muss sich der Eindruck aufdrängen: Nach Dänemark zu kommen, ist sinnlos.

Aus Schweden sind drastischere Maßnahmen bekannt, allerdings nicht von Regierungsseite. Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten sparten sich den Umweg über Tageszeitungen und fuhren gleich in die Flüchtlingslager. Auf der griechischen Insel Lesbos etwa, auf der viele Flüchtlinge nach einer gefährlichen Überfahrt in die Europäische Union einreisen, tauchten ihre Flugblätter auf - mit Lügen und Übertreibungen.

Es gebe in Schweden kein Geld, keine Jobs und keine Unterkunft, schreiben die Rechtspopulisten. Granatenangriffe auf öffentlichen Plätzen seien für "niemanden mehr eine Überraschung", die Vergewaltigungsrate sei die zweithöchste der Welt. Verboten werde außerdem das Schächten und das Tragen von Niqab oder Burka. Dass dies nicht den schwedischen Gesetzen entspricht, sondern nur einem aussichtslosen Plan der Schwedendemokraten, schrieben sie nicht.

Die österreichische Regierung schaltete ebenfalls Anzeigen, sie erschienen allerdings nur im Kosovo. An den Westbalkan wendet sich das Nachbarland Schweiz in einem Erklärvideo, in dem es die geringen Chancen für Flüchtlinge aus der Region hervorhebt.

Menschen laufen durch den Regen, zum Schluss hebt das Flugzeug ab

Und Deutschland? Auch hier ist der Westbalkan im Fokus. Im Juni warnte die deutsche Botschaft in Albanien in sechs dort erscheinenden Tageszeitungen: "Kein Wirtschaftsasyl in Deutschland."

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:So wollen Schwedens Rechtspopulisten Flüchtlinge abschrecken

Auf der griechischen Insel Lesbos tauchen Flugblätter auf. Darin zeichnen die rechtspopulistischen Schwedendemokraten ein Zerrbild ihres Landes.

Seit dem Sommer setzt die Bundesregierung zudem auf ein Video der Bundespolizei. Im Regen gehen darin Menschen zu einem Bus, darunter auffällig viele Frauen, Kinder und Senioren. Hintendrein, bekleidet mit Warnwesten, laufen zwei Polizisten. Dann fährt der Bus durch den Regen. "Nicht wenige haben den falschen Versprechungen von Betrügern geglaubt", sagt eine Männerstimme aus dem Off. Dann wird erklärt: Die Wahrscheinlichkeit, politisches Asyl zu erhalten, sei für Menschen vom Westbalkan äußerst gering - und die Abschiebung sehr teuer. "Ruinieren Sie nicht sich und Ihre Familie finanziell und wirtschaftlich für Ihre Schleusung nach Deutschland", rät der Mann im Off zum Schluss eindringlich. Dann hebt das Flugzeug ab.

Das Video, so hieß es im Sommer, solle in vielen Balkanstaaten gezeigt werden - in Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Serbien und Albanien. Auf die SZ-Anfrage, ob es tatsächlich ausgestrahlt wurde, hat sich das Bundesinnenministerium bisher nicht zurückgemeldet.

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