Neue Studie:Warum so viele Fußgänger sterben

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Viele haben es eilig, viele passen nicht auf: Die Münchner Polizei hat jetzt die Gründe für tödliche Verkehrsunfälle mit Fußgängern analysiert. (Foto: Florian Peljak)
  • Im Straßenverkehr verhalten sich zu viele Fußgänger zu sorglos.
  • Die Münchner Polizei hat die tödlichen Unfälle im Stadtgebiet ausgewertet.
  • Zwei Drittel der Opfer könnten noch leben, hätten sie besser aufgepasst.

Von Susi Wimmer

Deutschland hat ein neues Jugendwort, und die Polizei eine neue Unfallursache: Smombies, sogenannte Smartphone-Zombies. Also Menschen, die das flache Ding in keiner Lebenssituation aus der Hand legen und telefonierend, wischend und auf den Bildschirm starrend durch die Welt laufen. Erst vergangenen Dienstag rannte eine 21-Jährige telefonierend bei Rot über die Ampel und gegen eine Straßenbahn. Sie erlitt unter anderem einen Leberriss. "Wir haben die tödlichen Unfälle im Stadtgebiet München ausgewertet", sagt Wolfram Hell, Unfallforscher am Institut für Rechtsmedizin. "Ablenkung ist die Unfallursache Nummer eins. Die Welt hat sich durch die Smartphones verändert."

Der kürzeste Weg ist oft der gefährlichste

Hell sitzt zusammen mit Polizeidirektor Dieter Bauer auf dem Podium im Präsidium, Pressekonferenz zum Thema "Unfälle mit Fußgängern". Neun tote Fußgänger zählte die Polizei bereits in diesem Jahr, "und zwei Drittel könnten noch leben, hätten sie besser aufgepasst", sagt der Leiter der Verkehrsabteilung. Die Fahrzeuge werden immer sicherer, aber Fußgänger hätten nun mal keine Knautschzone und keinen Airbag, "trotzdem bewegen sie sich teilweise völlig sorglos im Straßenverkehr", sagt Bauer.

Etwa der 81 Jahre alte Münchner, der vor gut einer Woche dunkel gekleidet im strömenden Regen über den Thomas-Wimmer-Ring lief, ohne auf den Verkehr zu achten. "An dieser Stelle befindet sich eine Fußgängerunterführung", sagt der Verkehrs-Chef. Der Schwerverletzte starb wenig später in einer Klinik. Fast die Hälfte der Getöteten sind Senioren, "sie hören und sehen meist nicht mehr so gut", sagt Hell. Und ihre Verletzlichkeit sei um ein Vierfaches höher als bei jüngeren Menschen.

Die Unfallursache, sich einfach den kürzesten Weg zum Ziel zu suchen, sei allerdings altersübergreifend: Schnell noch die Straßenbahn erreichen und bei Rot über die Ampel laufen - oder bei stockendem Verkehr sich auf einer mehrspurigen Straße durch die Autos schlängeln. "Ein, zwei Spuren schafft der Fußgänger meist unbeschadet. Aber bei der dritten tritt er hinter einem Auto hervor auf die Fahrbahn, und dann ist es schon passiert."

Wie ein Fall aus zehn Metern Höhe

Der Mensch, sagt Wolfram Hell, hat Angst vor der Fallhöhe, "aber nicht vor der Geschwindigkeit, erst recht nicht in einem Auto". Fährt ein Auto mit Tempo 30 einen Fußgänger an, entspricht das in etwa einer Fallhöhe von 3,5 Metern, weiß der Unfallforscher. "Das überleben die meisten." Ist das Auto hingegen mit 50 Stundenkilometer unterwegs, sei das mit einer Fallhöhe von zehn Meter zu vergleichen. "Das überlebt kaum einer."

In diesem Jahr starben bislang 20 Menschen auf den Straßen von München, neun von ihnen waren Fußgänger, fünf Radler, vier Motorradfahrer und zwei Autofahrer. Fußgänger wie auch Radfahrer unterschätzen laut Bauer oft den toten Winkel bei Lastwagen. "Vor allem die Tatsache, dass es auch im Frontbereich des Lkw diesen toten Winkel gibt", sagt Bauer. "Der sieht mich schon", würden viele Verkehrsteilnehmer sorglos denken. Leider. Außerdem hätten Radler wie auch Fußgänger oft Kopfhörer auf oder Stöpsel im Ohr. Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass sich dadurch zum Beispiel Hupen oder Klingeln schlechter wahrnehmen lassen und sich die Reaktionszeit verlängere.

Was die Polizei empfiehlt

Die Tipps, die die Polizei hat, sind simpel: Augen auf im Straßenverkehr, Kopfhörer ab, Handy aus der Hand. Gegenseitige Rücksichtnahme, angepasste Geschwindigkeit, der Schulterblick beim Abbiegen. Und in der dunklen Jahreszeit empfiehlt Bauer Reflektoren an der Kleidung, "in Finnland etwa sind Reflexarmbänder Pflicht". Und wer Lust hat, kann sich im Internet ( www.polizei-muenchen.de) den neuen Präventionsfilm der Polizei anschauen.

© SZ vom 28.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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