Mich setzt Jan Böhmermanns Sendung regelmäßig unter Stress. Nicht etwa, weil ich den Druck verspüre, auch noch die kleinste Andeutung auf deutsche Hiphop-Historie zu erhaschen. Sondern wegen Sidekick William Cohn; beziehungsweise wegen seiner Pullover. Sie sind aus Baumwolle und bedruckt mit süßen Katzen, wilden Tieren oder exotischen Sonnenuntergängen, sie sind gestrickt, gehäkelt oder mit Dinosauriermotiven durchwirkt: William Cohn hat sie alle.
Während andere die Late-Night-Sendung damit verbringen, sich zu entspannen, rumzuwittern oder sich Notizen zu machen für das Kantinengespräch am nächsten Tag, klebt in meinem Kopf dick und wabbelig die Frage: Wo hat er den nun schon wieder her? William Cohns Pullover sind fantastisch. Die meisten kriegt der Mann mit der Helmut-Kohl-Brille wohl von seinen Anhängern geschickt; die müssen diese Teile allerdings ja auch irgendwo herbekommen.
Seit 1965 kürt das deutsche Krawatteninstitut in Krefeld den Krawattenmann des Jahres. William Cohn wäre Grund genug für die Gründung des Pulloverinstituts in Pullach. Das müsste sich neben der Huldigung Cohns der Aufklärung der Massen widmen, die beim Pullovertragen weniger stilsicher sind; Mesut Özil zum Beispiel, der vergangene Woche mit einem Arsenal-Schneemann-Modell schockierte. Bevor jemand auf den irrsinnigen Gedanken kommt, sich von dem Fußballer inspirieren zu lassen: höchste Zeit für eine kleine - sicherlich unvollständige - Typologie der winterlichen Herrenoberbekleidung.
1. Mesut Özil oder der Weihnachtsmotivpulliträger
Ja, es gibt Männer, die sich zu Weihnachten Rentiere, Schneemänner oder Nikoläuse überziehen. So wie es Männer gibt, die sich zum Grillen Schürzen mit nackten Frauenkörpern drauf umbinden. Und nein, das ist keine gute Idee, niemals. Was nicht einmal Colin Firth in Würde tragen kann, sollten die Mesut Özils dieser Welt besser gar nicht erst anprobieren.
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2. Hans-Dietrich Genscher oder der Bunte-V-Neck-Träger
Ähnlich wie die farbenfrohe Sommersocke sagt die farbenfrohe Strickware mit V-Ausschnitt: Ich trau mich was! (Bleib dabei aber bodenständig.) Diese Art Pullover ist domestizierte Exzentrik für den Bildungsbürger. Farbenmäßig wäre Genscher mit seinem gelben Pullunder in diesem Winter weit abgeschlagen, man trägt Rot in allen Facetten, von Rost bis Himbeere.
3. Kommissar Lund oder der Norwegerpulliträger
Es riecht nach Holzfeuer. Die Luft ist kalt und klar, der Reif hat die Holzveranda rutschig werden lassen. In der Tasse vom Töpfermarkt dampft der Biofrüchtetee. Der Blick wandert über den See. Der perfekte Ort für einen Norwegerpulli. Allzu viele Orte gibt es davon allerdings nicht. Wenn es nieselt oder schneit oder weht, was es im Winter manchmal tut, taugt er nicht als Mantelersatz. Und in geschlossenen Räumen kann nur Kommissarin Lund den Norwegerpulli tragen, ohne in Schweiß auszubrechen.
3. Huberbua oder der Funktionsjackenträger
Ultrapraktisch sind dagegen Jacken und Überzieher aus modernen Funktionsmaterialen wie Fleece oder Softshell. Sie sorgen in fast jeder Umgebung für das perfekte Körperklima und sind obendrein auch beim Arbeitsbekleidungsfachhändler Ihres Vertrauens erhältlich. Haben in der Mode allerdings genauso wenig verloren wie Schlittschuhe.
4. Steve Jobs und Marc Zuckerberg
Die Herrenmode ist weniger variantenreich als die Damenmode. Das ist für manche Anlass zur Klage (etwa, was Herrenstiefel angeht). Andere dagegen sind froh über die daraus folgende Verlässlichkeit. Heute mal ... das hellblaue Hemd! Pulliträger der Phänotypen Steve Jobs und Mark Zuckerberg greifen je nach Milieu und Branche bei kühlen Temperaturen Tag für Tag zu schwarzem Rollkragenpullover beziehungsweise Hoodie.
