Hertha BSC:Alternativlose Verweigerung

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Vier Berliner gegen Javier Martinez: Hertha spielt in München mit neun Verteidigern. (Foto: AP)
  • Hertha BSC war als Vierter nach München gereist. Doch mutig spielte nur der FC Bayern.
  • Mit neun Mann verteidigten die Berliner am eigenen Strafraum - und Trainer Pal Dardai fand diese destruktive Haltung alternativlos.
  • Hier geht es zu den Ergenissen der Bundesliga.

Aus dem Stadion von Thomas Hummel, München

Während der zweiten Halbzeit war nicht mehr ganz klar: Konnte das Taktik sein? Oder war es Lähmung? Oder schlicht die Anerkennung des Unvermeidlichen? Nämlich, dass es eh keinen Sinn hat, gegen diesen FC Bayern einen Angriff zu starten und man nur noch den Schlusspfiff herbeisehnt.

Hertha BSC war als Vierter der Bundesliga-Tabelle angereist. Sieben Mal hatten die Berliner schon gewonnen in dieser Saison, Trainer Pal Dardai hatte seine Mannschaft bisweilen harmonisch-schönen Offensiv-Fußball spielen lassen. Da könnte man doch mit Selbstvertrauen nach München reisen und mal schauen, ob eine Sensation drin ist. Noch dazu, wenn die rot-weiße Übermannschaft auf Robben, Ribéry, Costa, Götze, Alaba, Bernat und Kimmich verzichten muss. Oder, Herr Dardai? Mitnichten!

Wie einige Klubs zuvor verschanzten sich die Berliner mit neun Mann vor dem eigenen Strafraum. Zu Beginn gelangen ihnen noch ein paar Gegenzüge, doch nach etwa 20 Minuten war damit Schluss. Aufgerieben vom Gegenpressing der entschlossenen Alonso, Martínez, Vidal, Lahm und Benatia zogen sich die Gäste immer weiter zurück und griffen außerhalb des Strafraums bald überhaupt nicht mehr an. Die Mitspiel-Verweigerung der Hertha führte zu einem grotesken Langweiler-Spiel, das nach dem Münchner 2:0 entschieden war. Selten leerte sich die Fröttmaninger Arena so schnell wie nach dem Schlusspfiff von Schiedsrichter Jochen Drees. Alle wollten nur noch heim.

"Ich bin nicht enttäuscht", sagte Dardai anschließend fidel. Der Plan mit dem 5-4-1-System sei sehr gut aufgegangen zunächst. In der zweiten Halbzeit hätte seine Mannschaft offensiver werden sollen, das habe aber nicht so geklappt. "Wir hatten keine andere Möglichkeit, als so zu spielen. Wenn die Bayern Raum haben, dann sind sie doppelt so schnell wie wir. Da kann man nichts anderes machen." Alternativlos also.

"Sollen wir hier Fußball spielen? Dann haben Sie viel Ahnung!"

Was sagt das nun aus über die Bundesliga, wenn der Tabellenvierte nicht einmal gegen stark dezimierte Münchner versucht, hier ernsthaft den Kampf aufzunehmen? Darauf angesprochen wurde Pal Dardai sauer. "Erzählen Sie mir, wie man gegen Bayern München spielen soll", sagte er. Diese Schnelligkeit, diese Handlungsschnelligkeit, fast jeder Spieler gut für entscheidende Aktionen. Und er fügte ironisch an: "Wenn Sie die Meinung haben, dass wir herkommen sollen und Fußball spielen, dann haben Sie viel Ahnung."

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Aus dem Stadion von Maik Rosner

Da also nur eine Mannschaft den Plan hatte, Fußball zu spielen, diese aber auf viele Künstler verzichten musste, dämmerte die Partie in der Kälte dahin. Die Zuschauer gruben sich immer tiefer in ihre Schals und Schneeanoraks hinein. Die Münchner Kombinationen liefen ohne einige Hochgeschwindigkeitskicker nicht wie gewohnt. Deshalb musste eine Standardsituation herhalten. Ecke Arturo Vidal, Kopfballverlängerung Medhi Benatia, Kopfball Thomas Müller, der mülleresk am richtigen Ort stand - 1:0 nach 34 Minuten. Kurz darauf konnte Jérôme Boateng unbedrängt auf Javi Martínez passen, der toll auf Kingsley Coman weiterleitete - 2:0 (41.).

Wenigstens über diese Gegentore beklagte sich Dardai - ein bisschen: "Beide Tore kann man verteidigen, da bin ich sauer." Er wirkte dabei ungefähr so verstimmt wie Manuel Neuer in seiner Spielanalyse. Zu seiner fast totalen Beschäftigungslosigkeit erklärte der Bayern-Torwart: "Gerade jetzt in den Monaten, wo es kalt ist, ist es ein bisschen blöd für mich."

© SZ vom 29.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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