96 schlägt den FCI mit 4:0:Seltene Kabinenparty

Beim klaren Sieg gegen Ingolstadt tritt Hannover so befreit und kaltschnäuzig wie lange nicht mehr auf. Schon nach 26 Minuten ist die Partie entschieden, Trainer Michael Frontzeck ist gestärkt.

Von Carsten Eberts, Hannover

Wer es noch nicht getan hatte, den erinnerte Hannovers Stadionsprecher Stefan Kuna an diese längst fällige Handbewegung. "Alle mal die Augen wischen", krakelte der Mann entzückt in sein Mikrofon. Gerade hatte Kenan Karaman das dritte Tor für Hannover 96 erzielt; und als wären drei Hannoveraner Treffer nicht selten genug, verriet der Blick auf die Uhr, dass gerade 24 Minuten gespielt waren. Wer war bitte diese Mannschaft, die sich an diesem Samstagnachmittag für Hannover 96 ausgab?

So befreit, gar kaltschnäuzig wie beim 4:0 (3:0) gegen den FC Ingolstadt waren die Niedersachsen lange nicht mehr aufgetreten - insbesondere zu Hause, wo bislang in dieser Spielzeit erst ein Sieg gelang. Die Partie war nach den frühen Treffern von Marcelo, Andreasen und Karaman selbstredend entschieden, Ingolstadt machte auch wenig Anstalten, noch einmal in dieses Spiel zurückzufinden. Kurz vor Schluss traf noch Uffe Beck, der damit die große Party einläutete. Im Hannoveraner Kabinengang, der sonst wahrlich kein Ort der Glückseligkeit ist, waren Jubelschreie zu hören. Auf den Tribünen wurde gar eine La Olà gesichtet. "Heute hat endlich mal alles gepasst", sagte Leon Andreasen. Nationaltorhüter Ron-Robert Zieler stellte erleichtert fest: "Einfach mal ein schönes Gefühl, nach Hause zu fahren und rundum zufrieden zu sein."

Hannover 96 v FC Ingolstadt - Bundesliga

Ungewohnte Glückseligkeit: Hannover feiert den erst zweiten Sieg vor eigenem Publikum.

(Foto: Nigel Treblin/Getty Images)

Zwei frühe Kopfballtreffer, dann einer per Schienbein

Viele Zuschauer hingen noch an den verschärften Einlasskontrollen vor dem Stadion fest, da stand es schon 2:0. Dass Marcelo ein passabler Kopfballspieler ist (oder mal war), war in Ingolstadt bis dato offenbar nicht bekannt. Jedenfalls konnte sich der Brasilianer in der Luft locker gegen Hübner und Bauer durchsetzen, sein Kopfball klatschte an die Innenseite des rechten Pfostens und von dort ins Netz (4.). Nur sechs Minuten später setzte 96 einen seiner vielen gefährlichen Konter, Artur Sobiech verlagerte den Ball hübsch, Karaman ließ seinen Gegenspieler aussteigen und flankte weich auf Leon Andreasen, der wenig Mühe hatte (11.), ebenfalls per Kopf zu treffen.

Für endgültige Verzückung sorgte dann der dritte Treffer, als Zieler weit abwarf, Sobiech durchs Mittelfeld spazierte und Karaman den Ball aus 20 Metern über Ingolstadts Keeper Ramazan Özkan setzte - übrigens mit dem Schienbein. Die Fans wähnten sich bereits vor dem Weihnachtsbaum: Sie sangen "Kling, Glöckchen, Klingeling".

Knackiges Restprogramm, hohe Ziele

Hannovers Leistung wurde von indisponierten Ingolstädtern begünstigt, die überhaupt nicht zeigen konnten, weshalb sie auswärts bislang eines der stärksten Teams waren. Aber auch mit dem Aufwärtstrend, der bei 96 positiv auffällt. Schon beim 1:2 in Gladbach zeigte die Mannschaft eine ansprechende Leistung, gegen Ingolstadt belohnte sich Frontzecks Team mit herausragender Chancenverwertung. Nun steht 96 mit 14 Punkten auf Rang 14; das Fernziel von Vorstandsboss Martin Kind, der zum Jahreswechsel gerne "17 oder 20 Punkte" hätte, scheint trotz des knackigen Restprogramms (Schalke, Hoffenheim, FC Bayern) plötzlich nicht mehr so unrealistisch.

Schema & Statistik

Alle Daten und Fakten zum Spiel stehen hier.

Der Sieg, vor allem in dieser Höhe, dürfte die Position von Trainer Frontzeck im Umfeld stärken. Neulich, bei einer Umfrage auf einer Fan-Homepage, sprachen sich noch 86 Prozent der knapp über 700 teilnehmenden Anhänger für einen Trainerwechsel aus. Nun saß Frontzeck reichlich zufrieden auf dem Pressepodium. Er dankte seinem Team, das es endlich geschafft habe, sich während der 90 Minuten "nicht selbst ins Knie zu schießen". Ein schönes Gefühl sei das, "sich in der 88. Minute hinzusetzen und zu wissen, dass nichts mehr passieren kann". Das habe er "so in Hannover noch nicht erlebt", sagte Frontzeck.

In der Winterpause soll das 96-Team umgebaut werden, auf drei neue Spieler habe man sich verständigt. Frontzecks Chancen, dass er diesen Umbau als Cheftrainer anleiten darf, sind an diesem Samstagnachmittag eindeutig gestiegen.

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