Borussia Dortmund - VfB Stuttgart (15.30 Uhr):Ohne Zeitlimit

Lesezeit: 3 min

Jürgen Kramny begreift seine Rolle als Übergangstrainer der Stuttgarter als große Chance, sich für eine längere Verpflichtung zu empfehlen. Sein Duell mit Thomas Tuchel ist eine besondere Pointe.

Von Tobias Schächter, Stuttgart

Die Bezeichnung "Übergangstrainer" hat beim VfB Stuttgart eine ganz besondere Bedeutung. Der heutige Bundestrainer Joachim Löw zum Beispiel begann als solcher 1996 seine Trainerkarriere, blieb aber über zwei Jahre im Amt, gewann den DFB-Pokal und zog mit den Schwaben sogar ins Finale des Europapokals der Pokalsieger ein. Oder Armin Veh: Der wurde zu Beginn seines ersten Engagements in Bad Cannstatt in der Saison 2005/2006 vom damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Dieter Hundt so lange notorisch als "Übergangstrainer" tituliert, bis der Augsburger den VfB Stuttgart aus Trotz 2007 zur deutschen Meisterschaft führte. Mit Jürgen Kramny hat der VfB an diesem Sonntag im Auswärtsspiel bei Borussia Dortmund nun wieder einen "Interimstrainer" an der Seitenlinie.

Nimmt man die prominenten Beispiele aus der Klub-Historie, irritiert es nicht, dass der 44 Jahre alte Kramny seine neue Aufgabe "als Chance" begreift. Es sei ihm von der Vereinsführung kein zeitliches Limit gesetzt worden, erklärte Kramny bei seiner Vorstellung am Mittwoch. Am Dienstag hatte sich der Klub ja krachend von seinem bisherigen Cheftrainer Andreas Zorniger getrennt. Nach einem Gespräch mit Sportvorstand Robin Dutt wollte der sture Trainer auch nach der bitteren 0:4-Heimpleite gegen den FC Augsburg nicht von seiner ins Verderben führenden Offensivtaktik abweichen, die so gar nicht zu dieser abwehrschwachen Mannschaft passt. Dabei lieferte die bisherige Saisonbilanz (neun Niederlagen in 13 Spielen, 31 Gegentore und Relegationsrang 16) eindeutige Gründe für einen Kurswechsel.

Aufschwung à la Schubert? Das darf bezweifelt werden

Die Angst, den Klub mit Zornigers Kurs mit voller Wucht gegen die Wand zu kicken, war schließlich auch Sportvorstand Dutt und Präsident Bernd Wahler zu groß geworden. Die Hoffnung, dass alles besser wird, ist nach nur knapp fünf Monaten Zorniger beim VfB wieder einmal der Angst gewichen, dass alles noch schlimmer kommen könnte. Wie so oft beim VfB muss ein neuer Trainer früh in der Saison den Abwärtstrend aufhalten. Am Samstag heißt der Coach in Dortmund Jürgen Kramny, bisher U 23-Trainer in Stuttgart.

Aber ob der eine langfristige Lösung auf dem Cheftrainerposten werden wird, darf bezweifelt werden. Die in diesen Tagen am Neckar gerne angeführte Verpflichtung von André Schubert als Cheftrainer von Borussia Mönchengladbach nach einer langen Findungsphase taugt nicht wirklich als Beispiel. Schubert musste schließlich sieben Mal hintereinander gewinnen, um die Verantwortlichen zu überzeugen. In Stuttgart ist viel wahrscheinlicher, dass Sportvorstand Dutt Zeit gewinnen will, um endlich den richtigen Trainer für den VfB zu finden. Der erfahrene Lucien Favre, den einige im Klub gerne als neuen Chefcoach sehen würden, ist offenbar nicht zu haben. Als erster Kandidat gilt aktuell Tayfun Korkut, der einst als Jugendtrainer beim VfB arbeitete. Aber besitzt der in zuletzt in Hannover in heikler Lage entlassene Korkut den Werkzeugkasten für den Abstiegskampf? Ein Kandidat ist auch der jüngst in Hoffenheim gescheiterte Markus Gisdol, er hat als ehemaliger Nachwuchscoach Stallgeruch. Aber Gisdol gilt wie Zorniger nicht als erster Botschafter des Kompromisses. Dutt sucht einen Trainer, der nicht nur kurzfristig aushelfen soll, das Schlimmste zu vermeiden - so wie in den letzten beiden Jahren das niederländische Feuerwehreinsatzkommando Huub Stevens.

Dutt und Präsident Wahler brauchen schnell Erfolg

Der neue Trainer soll das Konzept des "roten Leitfadens" mit den "Leitplanken" weiterführen, das der von Dutt ausgerufene Wunschtrainer Zorniger so schnell ab absurdum geführt hat. Dutt und Präsident Wahler brauchen schnell Erfolg, der Sportvorstand hat sich im beratungsresistenten Zorniger geirrt und im Sommer den Kader nicht optimal verstärkt. In der seit Jahren schwächelnden Abwehr wurde zunächst im wechselwilligen Nationalspieler Antonio Rüdiger der beste Mann zum AS Rom verliehen (Rom hält zudem eine Kaufoption), bevor Zorniger den in der Mannschaft beliebten Georg Niedermeier aufs Abstellgleis stellte. Dutt aber verpflichtete nur den Bosnier Toni Sunjic, der noch miserabler spielt, als es Niedermeier je getan hat. Ob es nun tatsächlich wie von einigen Portalen gemeldet, eine schlechte Nachricht ist, dass Sunjic (muskuläre Probleme) ebenso wie Florian Klein (Blockade im Halswirbelbereich) in Dortmund ausfällt, ist Ansichtssache. Niedermeier dürfte ohnehin wieder eine Rolle spielen künftig beim VfB.

In Dortmund lautet deshalb eine spannende Frage: Wie taktiert Kramny? Wirft er alle Zornigerismen über Bord? Für den gelb gesperrten Serey Dié wird wohl der bislang wenig eingesetzte Lukas Rupp im Mittelfeld zum Zug kommen. Kramny fordert von seiner Elf: "Wir müssen kompakter stehen, die Abstände zum Mitspieler verkürzen."

Duell mit Thomas Tuchel als besondere Pointe

Es ist eine besondere Pointe, dass Kramny bei seinem Bundesligadebüt auf Thomas Tuchel trifft: Kramny wurde als Assistent des Norwegers Jörn Andersen ebenso wie sein Chef 2009 kurz vor Saisonstart bei Mainz 05 entlassen. Chefcoach bei Nullfünf wurde damals der heutige BVB-Trainer Thomas Tuchel, der von da an einen Erfolgsweg einschlug. Nun sagt Tuchel vor dem Anpfiff am Sonntag: "Jürgens Erfolgsstory sollte nicht hier beginnen. Dann würde es uns auch leichter fallen, alles Gute zu wünschen." Tuchel selbst will beim BVB nach zuletzt zwei Pflichtspielniederlagen den "kleinen Trend kontern".

Eine Niederlage in Dortmund würde indes den Druck für VfB-Sportvorstand Dutt in der Trainerfrage weiter erhöhen. Interimscoach Kramny sagt: "Ich suche jetzt die bestmögliche Variante und versuche, eine eigene Note mit einzubringen, mein Spielstil ist von Aktivität geprägt, aber am Ende zählen die Punkte." Für den seit Mainzer Profi-Zeiten mit Jürgen Klopp befreundeten Jürgen Kramny gilt das wohl noch mehr als für andere Übergangstrainer beim VfB Stuttgart.

© SZ vom 29.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken
OK