Saison-Bilanz:Leben mit dem Inteamfeind

Formula One Grand Prix of Brazil

Abseits der Strecke gehen sich Lewis Hamilton (r.) und Nico Rosber lieber aus dem Weg, im Rennen kamen sich sich schon gefährlich nahe.

(Foto: Sebastiao Moreira/dpa)

Ecclestone pokert und profitiert. Red Bull pokert und wird verhöhnt. Gewinner und Verlierer einer bewegten Saison.

Von Elmar Brümmer, Abu Dhabi

Nico Rosberg hat beim Formel-1-Finale in Abu Dhabi am Sonntag (14.00 Uhr) beste Chancen auf einen Sieg-Hattrick. Der Mercedes-Pilot startet auf dem Yas Marina Circuit von der Pole Position und könnte nach Mexiko und Brasilien das dritte Rennen in Serie gewinnen. Als Zweiter beginnt Weltmeister Lewis Hamilton im zweiten Silberpfeil den letzten Grand Prix des Jahres. So viel zur Einstimmung auf das letzte Rennen des Jahres. Warum Rosberg trotzdem ein Verlierer des Jahres ist, während Sebastian Vettel, der am Samstag als 16. die Quali verpatzte, zu den Siegern zählt? Die Bilanz.

Gewinner 1: Lewis Hamilton

Ganz Abu Dhabi ist gepflastert mit der Zahl 44 - in der kommenden Woche feiert das Wüstenemirat Geburtstag. Lewis Hamilton, seit zwei Rennen Weltmeister - aber sieglos -, bezieht das gewohnt unbescheiden auf sich: "Das ist meine Startnummer, und der 44. Sieg meiner Karriere würde auch dazu passen." Nicht nur sportlich hat der Brite seinen Titel verteidigt, als Social-Media-Champion ist er auch der König unter den Renn-Entertainern.

Gewinner 2: Max Verstappen

Schon vor dem ersten Rennen hatte es der Niederländer geschafft, dass das Einstiegsalter in die Formel 1 hochgesetzt wird, es liegt jetzt bei 18 Jahren. So alt ist Verstappen junior seit dem Herbst auch, aber er hat schon vorher ziemlich viel abgehakt: Mega-Crash, Mega-Überholmanöver, Mega-Image. Von "Jugendwahn" spricht keiner mehr. Jetzt hat er seine erste Freundin, zieht nach Monte Carlo und spekuliert für 2017 auf ein Cockpit bei Red Bull. Oder ... Ferrari.

Gewinner 3: Sebastian Vettel

Apropos Ferrari. Wer im Debütjahr bei Ferrari aus dem italienischen Nichts drei Siege schafft, wer es fertig bringt, Mercedes taktisch, sportlich und mental zu verunsichern - der kann die Scuderia auch zum Titel treiben. Der Heppenheimer ist in die Rolle geschlüpft, die Michael Schumacher in Maranello hatte. Er erfüllt sie mit Begeisterung und Demut zugleich. Ein echter Mannschaftskapitän, der sagt: "Wir haben das ganze Jahr gebissen." Aber zufrieden ist der Sieger des Race of Champions erst, wenn er seinen fünften Titel hat.

Gewinner 4: Maurizio Arrivabene

Der Ferrari-Teamchef trägt nicht umsonst Schweißbänder während des Rennens - das zeugt von dem Druck, unter dem der neue Manager an der Spitze der Scuderia tatsächlich steht. Und welche Emotionen in ihm schlummern. Bei einem heftigen Geplänkel in der Box mit einem Kameramann wurde das selbst in Abu Dhabi, wo es um nicht mehr viel geht, deutlich. Dabei fängt das Titel-Rennen jetzt erst richtig an.

Gewinner 5: Bernie Ecclestone

Er hat sein eigenes Produkt als ziemlichen Mist diskreditiert, womit klar ist, dass der 85-Jährige nicht auf Altersmilde vertraut. Er zeigt sich weiterhin gern mit Diktatoren, und wenn die Formel 1 tatsächlich noch in diesem Jahr für acht Milliarden Euro verkauft wird, dann wird er wohl Geschäftsführer bleiben. Und die verhassten Hybrid-Motoren ist er in naher Zukunft auch los - zumindest sollen sie lauter und schneller werden.

Verlierer 1: Red Bull

Richtig viele Freunde hatte der Getränkerennstall im Fahrerlager nie. Am Anfang hat der Konzern die Preise verdorben, dann war er zu erfolgreich, und zuletzt regierte nur die Schadenfreude. Aber Konzernchef Dietrich Mateschitz hat verfügt, dass man bleibt. Trotz eines desaströsen Pokers um die Motoren. Es stünde zu viel auf dem Spiel, gemeint sind Geld und Ehre. Dem muss ein schneller Imagewechsel folgen, denn Red Schmoll schmeckt nicht. Niemandem.

Verlierer 2: Ron Dennis

Wenn McLaren-Honda fährt, dann meist hinterher. Aber das erschüttert den Autokraten aus Woking kaum. Der Boss des nach Ferrari stolzesten Formel-1-Rennstalls kritisiert lieber seinen ehemaligen Zögling Lewis Hamilton: "Wäre er noch bei McLaren, dann würde er sich nicht so verhalten, das hätten wir ihm nicht erlaubt. Er sprengt nun einige Ketten, die er loswerden wollte." Ein Befreiungsschlag, der Hamilton innerhalb von drei Jahren zum zweifachen Champion gemacht hat, vor allem aber zu einer Leitfigur. Das vermutlich ist es, worunter Dennis am meisten leidet.

Verlierer 3: Nico Rosberg

Warum denn nicht gleich so?: sechs Pole-Positionen in Serie, die Chance, die Saison mit einem Sieg-Hattrick abzuschließen. Freilich kommt der Wiesbadener erst richtig in Form, seit der Inteamfeind Hamilton wieder Weltmeister ist. Häufig fehlen dem Herausforderer nur Nuancen, deshalb braucht Rosberg bessere Nerven, vor allem aber mehr Konstanz.

Verlierer 4: Lotus

Die Garage des Teams im Fahrerlager zu finden, ist nicht schwer. Meistens stehen da nicht ausgepackte Kisten davor, oder gleich der Gerichtsvollzieher. Das luxemburgisch-britische Team hat ein Finanzproblem, und das wird immer größer, je länger die erwartete Übernahme durch Renault dauert. Lange reicht die Hoffnung nicht mehr als Antrieb. Und Dahinschleppen ist nicht unbedingt eine adäquate Fortbewegungsart in der Formel 1.

Verlierer 5: Kimi Raikkönen

Vielleicht darf der Finne nur bei Ferrari bleiben, weil er so ein guter Kumpel von Sebastian Vettel ist. Aber das reicht auf Dauer nicht. Über die eigene Form mag er noch weniger sprechen als er es ohnehin schon tut. Besser werden, dass sieht er als Aufgabe des ganzen Teams an. Er ist sicher, dass es besser geht. Vor allem sein Auto muss - nach fünf Ausfällen - zuverlässiger werden. Auf die Hoffnung angesprochen sagt der 36-Jährige: "Wir können viel versprechen - aber ob es so kommt?" Man wird es sehen. Stichtag ist der 20. März 2016, Melbourne, Saison- und Neustart.

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