Kurzkritik:Einzigartig

BR-Symphoniker unter Alain Altinoglu

Von Klaus P. Richter

Wer an Klischees glaubt, vielleicht dass Bartók viel sensibler komponierte als Strawinski, konnte in der Philharmonie etwas anderes erleben. Denn Strawinski, der erklärt hat, Musik sei unfähig, irgendetwas auszudrücken, sie habe nur den Zweck, eine Ordnung zwischen dem Menschen und der Zeit zu setzen, sang uns etwas von der "Nachtigall" im schönsten Belcanto vor. Und der französisch-armenische Dirigent Alain Altinoglu modellierte mit dem hochengagierten BR-Sinfonieorchester im "Chant du Rossignol" eine zauberische Klangfarbenkoloristik, deren Pianissimofinale nahezu romantischen Impressionismus beschwor.

Dann aber trat der Star des Abends mit Bartók auf: Kit Armstrong. Als bestauntes Wunderkind hat er begonnen, inzwischen ist er ein begehrter Weltstar. Als digital Native plus Mathematikstudium platzierte er den Laptop mit Notentext auf dem Steinway und servierte Bartóks erstes Klavierkonzert mit all seiner ostinaten Motorik, der monothematischen Obsession und den perkussiven Härten: gehämmerte Prosa für zwei "Schlagzeugarten" mit Orchester. Nur im Andante-Mittelsatz färbte sich der Dialog mit dem Schlagwerk zu fahler Orgiastik, genau ausgehört von Armstrong und Altinoglu in den geräuschhaften Clustern. Der Übergang zum Finale wurde durch das Brüllen der Posaunenglissandi und die Schlagzeugekstasen zur unerhörtesten Stelle der Partitur. Danach beruhigte sich mit einer Choralbearbeitung von Bach als Zugabe das Tosen vorläufig und stimmte ein auf Ravels "Ma mère l'oye". Dort konnte sich Altinoglu wieder als sensibler Klangfarbenmagier bewähren. Bartóks Forte-Bruitismus und der Maestro der Hochenergieklasse behielten aber in der Konzertsuite "Der wunderbare Mandarin" das letzte Wort. Dessen grausames Narrativ prägt vom Ostinatogewebe im Allegro-Getöse des Anfangs bis zum infernalischen Schluss-Fortissimo die "höllische Musik" (Bartók): eine bewundernswerte Leistung der BR-Sinfoniker.

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