Davis-Cup-Finale:Team Murray

Belgium v Great Britain: Davis Cup Final 2015 - Day Two; Letzter Blick

Andy Murray (links) und Jamie Murray schlagen David Goffin and Steve Darcis in 3:1-Sätzen und gehen damit 2:1 in Führung.

(Foto: Clive Brunskill/Getty Images)

Großbritannien geht gegen Belgien mit 2:1 in Führung. Die Briten haben nun alle Chancen, zum ersten Mal seit 1936 den Davis-Cup zu gewinnen. Weniger wegen einer Team-, als vielmehr dank einer Familien-Leistung.

Andy Murray ist ja bekanntlich Schotte und als solcher auch so stolz darauf, dass er im Kilt geheiratet hat. Sein Bruder James, genannt Jamie Murray, ist natürlich auch Schotte und hat natürlich auch im Kilt geheiratet. Diese beiden sollen nun dem Vereinigten Königreich, in dem im englischen Wimbledon bekanntlich das Wohnzimmer des Welt-Tennis steht, den ersten Davis Cup seit 1936 bringen.

Angesichts dieser Tatsache bekommt das gescheiterte Referendum 2014, in dem sich die Schotten knapp gegen eine Unabhängigkeit entschieden (55 Prozent Nein-Stimmen) eine ganz neue Bedeutung. Andy Murray, den die Briten ja allerspätestens nach seinem Sieg in Wimbledon 2013 als Repräsentant der ganzen Insel akzeptiert haben, ist es ernst. In allen Davis-Cup-Runden dieses Jahres trat Murray an, nicht unbedingt üblich für einen Topspieler wie ihn. Er gewann alle sechs Einzel, dazu zwei Doppel gemeinsam mit seinem Bruder Jamie - und ebnete so den Weg zum ersten Finale der Briten seit 37 Jahren. Deutschland scheiterte schon in der ersten Runde an Frankreich.

60 Kilometer entfernt herrscht noch die höchste Terrorwarnstufe

Der Gegner - Belgien - ist trotz Heimvorteil Außenseiter. Wobei Heimvorteil in diesen Zeiten auch so eine Sache ist, denn Gent, wo das Finale an diesem Wochenende stattfindet, liegt nur rund 60 Kilometer entfernt von Brüssel, wo nach den Anschlägen von Paris immer noch die höchste Terrorwarnstufe herrscht. Während der Spiele sind den Zuschauern weder Taschen oder Rucksäcke, noch das Mitführen von Getränken oder Essen erlaubt. Ein Großaufgebot der Polizei, unter anderem mit Spürhunden, ist im Einsatz. Schwer, sich da auf Tennis zu konzentrieren, auch wenn die Chance für Belgien vielleicht noch historischer ist als für die Briten. Nur einmal stand die Nation im Finale - 1904, als die Schläger noch aus Holz waren und die Herren mit Hut spielten. Sie verloren 0:5 - gegen Großbritannien.

Der erste Tag des Finales, der Freitag, lief erwartungsgemäß, es stand danach 1:1. Andy Murray gewann gegen Ruben Bemelmans ohne Probleme mit 6:3, 6:2, 7:5. Zuvor hatte die belgische Nummer eins David Goffin mit einem Fünf-Satz-Sieg die Gastgeber in Führung gebracht. Goffin setzte sich nach einem 0:2-Satzrückstand auf dem Sandplatz in der Flanders Expo nach 2:47 Stunden noch mit 3:6, 1:6, 6:2, 6:1, 6:0 gegen den jungen Kyle Edmund durch.

Andy Murray kann gegen Goffin alles klar machen

Das Doppel zwischen Murray/Murray und Goffin mit Steve Darcis endete am Samstag dann mit 6:4, 4:6, 6:3, 6:2 für die Briten. Vor allem Darcis war in den entscheidenden Sätzen nicht in der Lage, seinen Aufschlag zu halten und gab im vierten Satz früh einen Service per Doppelfehler ab. Jamie Murray wackelte im vierten Satz noch einmal und ließ sieben Break-Bälle gegen sich zu, allerdings verwandelten Goffin/Darcis keinen. "Es war so laut in der Halle, wir haben uns oft angebrüllt, aber genau sowas erwartet man in einem Finale in Belgien", sagte Jamie Murray nach dem Match.

Am Sonntag kommt es nun aller Wahrscheinlichkeit nach (die Teamchefs dürfen bis zu einer Stunde vorher die Aufstellung ändern) zu folgender Situation: Die beiden Topspieler treten im ersten Spiel gegeneinander an. Murray (Nummer zwei der Welt) kann gegen Goffin (Nummer 16) alles klar machen. Das letzte Spiel der beiden endete für den Belgier beinahe im schlimmstmöglichen Desaster; 1:6, 0:6 verlor er bei einem Turnier vor zwei Wochen in Paris. Goffin ist aber ein Tennisspieler, den man gerne unterschätzt. Er ist vergleichsweise schmächtig (1,80/68 Kilogramm), arbeitet sich aber seit Jahren kontinuierlich in der Weltrangliste nach oben. Er spielt nicht spektakulär, aber grundsolide mit tödlichen Kontern. "Er ist ein Weltklasse-Spieler und die Zuschauer werden morgen hinter ihm stehen", sagte Andy Murray. "Aber wir haben nun zwei Chancen zu gewinnen, und wenn uns das jemand vor dem Finale angeboten hätte, hätten wir zugeschlagen."

Eine reine Familienangelegenheit

Sollte Goffin Murray tatsächlich schlagen, würden zwei vergleichsweise unbekannte Spieler der Tour eine der wichtigsten Trophäen der Tennis-Welt ausspielen. Aktuell sind dafür noch Kyle Edmund (Nummer 100 der Welt) und Ruben Bemelmans (Nummer 108) nominiert.

Aber eigentlich ist dieser Cup eine reine Murray-Veranstaltung. Von den elf bisher geholten Punkten, haben zehn Punkte Spieler mit dem Namen Murray geholt und nur einmal hat James Ward in einem Einzel den US-Amerikaner John Isner spektakulär geschlagen (15:13 im fünften Satz). Sollte Andy Murray dann auch noch den entscheidenden Punkt holen, dann wäre - genauer betrachtet - vielleicht doch nicht das schottische Referendum so wichtig für diesen zehnten Davis-Cup-Triumph Großbritanniens gewesen, sondern eher der Tag, an dem Mutter Judy Murray die Jungs zum ersten Mal zum Tennis-Training brachte.

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