Literaturfest:Viele Arten von Schmerz

Zeruya Shalev

Zeruya Shalev war an zwei Abenden präsent - bei der Bücherschau und auch beim Forum: Autoren zusammen mit der Syrerin Dima Wannous.

(Foto: Heike Steiweg)

Die israelische Schriftstellerin Zeruya Shalev zu Gast bei der Bücherschau

Von Eva-Elisabeth Fischer

Zeruya Shalev mag das trübe Wetter in München. "In Jerusalem ist die Sonne immer so grell, dass einem die Augen wehtun", sagt sie. Und noch etwas gefällt ihr, nein, erleichtert sie: "Ich fühle mich in Deutschland sicher. Das ist paradox, wenn man bedenkt, was hier passiert ist." Die israelische Schriftstellerin lebt in Jerusalem, wo tagtäglich willkürliche Messerattacken im Zuge einer dritten Intifada den Alltag zu einem Spießrutenlauf werden lassen. Selbst zufälliges Opfer bei einem Selbstmordattentat vor elf Jahren in einem Bus, dreht sich Zeruya Shalevs kürzlich im Berlin Verlag erschienener Roman "Schmerz" in einem von drei eng verflochtenen Erzählsträngen um die Folgen eines solchen Anschlags für die Mittvierzigerin Iris und deren Familie.

Shalev ist zu Gast beim Literaturfest. Im Carl-Orff-Saal des Gasteigs stellte sie das Buch bei der Bücherschau vor, sekundiert von der Moderatorin Shelly Kupferberg sowie ihrer deutschen Stimme bei der Lesung, der Schauspielerin Maria Schrader. Schrader hatte mit der Verfilmung von Shalevs Bestseller "Liebesleben" ihr Debüt als Regisseurin. Die beiden wurden Freundinnen. Shalev kennt im neuen Roman vielerlei Arten von Schmerz, den Schmerz der ersten großen Liebe, auch den Trennungsschmerz und den Schmerz der Erkenntnis, wenn es an die Prioritäten im Leben geht. Für Iris war die Trennung von Eitan eine schwärende Wunde. Ebendieser Eitan ist ihr behandelnder Arzt, als der physische Schmerz sich ihrer erneut mit unerträglicher Vehemenz bemächtigt. Iris' Ehemann Micki hatte sie, ziemlich fahrlässig, an den zehnten Jahrestag des Attentats erinnert. Da rebellierte ihr Körper. Ein Romanbeginn, den Rachel Salamander in ihrer Einführung mit Proust vergleicht - wenn etwa ein Geruch die Erinnerung beflügelt.

Im Schmerz also flammt die alte Liebe zu Eitan, der sie einst verlassen hatte, neu auf. Und Zeruya Shalev schreibt darüber so, wie man das an ihr liebt, taucht ein in den Plot mit furioser Atemlosigkeit, die den Leser im Gefühlsstrudel der handelnden Personen mitreißt. Zeruya Shalev, eine Schriftstellerin, die in Beziehungsgeschichten die andauernde Präsenz von Politik in Israel wegschreibt? "Ich will nicht, dass mein Land mein Schreiben bestimmt", sagt sie, "es reicht, wenn es mein Leben bestimmt". Das Hintergrundsrauschen ist sowieso immer da, sickert ein in den Mikrokosmos Familie und beeinflusst ihn.

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