China:Der Staat qualmt mit

In der Volksrepublik muss man zum Rauchen vor die Tür. Und es werden weniger Zigaretten verkauft. Dem Fikus aber fließen Rekordeinnahmen zu.

Von Marcel Grzanna

Die goldenen Zeiten der chinesischen Tabakindustrie sind Vergangenheit. Es gibt zwar immer noch genügend Raucher, die jedes Jahr für Milliardenumsätze sorgen. Aber ein zunehmendes Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung und eine wachsende Anti-Raucher-Lobby bereiten den Herstellern große Sorgen. Werbung im Fernsehen, in Zeitungen oder auf Plakatwänden an den Bahnhöfen ist verboten. Alleine in Peking gibt es vier Millionen Raucher. Sie müssen inzwischen das Restaurant verlassen, wenn sie rauchen wollen.

Nun sind Pekings Raucher nur ein Bruchteil der über 300 Millionen Abhängigen im Land. Dennoch stehen sie symbolisch für den Wandel des Zeitgeists im größten Rauchermarkt der Welt. "In den vergangenen beiden Jahren haben wir große Fortschritte erzielt. Zentralkomitee und Staatsrat haben Richtlinien ausgegeben, die auch die Funktionäre in die Pflicht nehmen, nicht mehr in öffentlichen Bereichen zu rauchen. Das war ein Meilenstein in der Geschichte der chinesischen Tabakkontrolle", sagt Xu Guihua, Vizepräsidentin des Tabak-Kontrollverbandes.

Wie immer in China nehmen es nicht alle so genau mit dem Verbot, aber im Vergleich zum ersten Anlauf einer rauchfreien Pekinger Öffentlichkeit im Jahr 2009 wirken zumindest die Behörden bei der Umsetzung entschlossener. Doch Verbandsfrau Xu sagt auch: "Bei so vielen Rauchern kann man nicht alle kontrollieren. Die Leute müssen auch aus eigenen Stücken mitmachen." Grund genug gibt ihnen die Statistik. 1,4 Millionen Landsleute sterben jährlich an den Folgen des Rauchens. 2050 könnten es drei Millionen sein, lauten Schätzungen.

Die Tabakindustrie ist fest in staatlicher Hand. Doch ihr den Garaus zu machen ist leichter gesagt als getan. Die China National Tobacco Corporation (CNTC) ist ein mächtiger Industriekoloss, der einen Marktanteil von 98 Prozent im Land genießt. Wegen seiner Größe hat er wie andere staatliche chinesische Konzerne ein Eigenleben entwickelt, in dem es nach Macht und Geld strebt. Wegen der engen Verquickung der politischen Elite mit den staatlichen Großfirmen kollidieren die Interessen; eine Regulierung der Branche wird zu einem zähen Kräftemessen.

Die CNTC ist der Kopf eines fragmentierten Systems, in dem zahllose lokale Produzenten zwar auf eigene Faust wirtschaften, aber die Logistik von China Tobacco gegen Gebühr nutzen. Viele örtliche Unternehmen sind die wichtigste Einnahmequelle der lokalen Behörden. Gehen sie zugrunde, geht es für die Region bergab.

Kein anderer Tabakkonzern der Welt macht mehr Umsätze als die CNTC. Das wirft viel Steuergeld ab. Im diesem Jahr werden es wohl erstmals über eine Billion Yuan, fast 150 Milliarden Euro und gut acht Prozent aller Fiskaleinnahmen der Volksrepublik sein. Das Rekordergebnis ist vor allem das Resultat von Preiserhöhungen und Optimierung der Strukturen, nicht von mehr Zigaretten, die verkauft werden. "Der Markt ist ziemlich gesättigt. Der Verkauf stagniert", sagt der Betreiber eines Pekinger Tabakladens.

Doch noch gibt es Potenzial für weitere Steuererhöhungen, weil Peking im internationalen Vergleich noch deutlich weniger beim Konsumenten zugreift. Schwächeres Wachstum kann so noch einige Jahre kaschiert werden.

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