Abgas-Skandal:Was VW-Kunden über den Rückruf wissen müssen

VW-Abgas-Skandal - Autohauswerbung auf Trabant

Warum nicht mal mit einem Trabbi für Volkswagen und Audi werben - dieses Exemplar steht auf einem Feld in Sachsen.

(Foto: Jan Woitas/dpa)
  • Im Januar startet der Rückruf der vom Dieselskandal betroffenen Fahrzeuge aus dem Volkswagen-Konzern.
  • Fahrzeugbesitzer werden vom Hersteller angeschrieben, müssen sich also nicht aktiv um einen Termin kümmern.
  • Alles Wissenswerte, wie die Autos technisch umgerüstet werden, wer die Kosten übernimmt und unter welchen Bedingungen VW-Fahrer Anspruch auf Schadenersatz haben.

Von Joachim Becker, Thomas Fromm und Angelika Slavik, München/Hamburg

Volkswagen muss wegen seines Abgasskandals Millionen Autos in Deutschland in die Werkstätten holen, um die Fahrzeuge umzurüsten. Für die betroffenen Fahrer heißt dies: Sie werden in den nächsten Wochen Post aus Wolfsburg bekommen. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat für den Großteil der anfallenden Arbeiten Zustimmung signalisiert, eine endgültige Freigabe steht aber noch aus. Was VW-Fahrer jetzt wissen müssen.

Wie viele und welche Autos sind von der Aktion betroffen?

An die 2,4 Millionen Fahrzeuge mit 1,2-, 1,6- und 2,0-Liter-Diesel-Motor müssen in die Werkstatt. Davon sind rund 1,5 Millionen Fahrzeuge der Marken Volkswagen und Volkswagen-Nutzfahrzeuge sowie 531 813 Audis betroffen. Auch rund 287 000 Autos von Škoda und 104 000 Seats müssen umgerüstet werden.

Wie erfahren die Halter nun, wie es weitergeht?

Volkswagen will in den nächsten Wochen die Halter aller betroffenen Fahrzeuge anschreiben und die Autos im Lauf des Jahres 2016 nach und nach in die Werkstätten holen. Die Fahrzeugbesitzer müssen sich also zunächst nicht aktiv um einen Termin kümmern.

Was wird mit den Autos gemacht?

Das Auto kommt zunächst an den Diagnose-Stecker. Über diesen können Fehlermeldungen ausgelesen und neue Software aufgespielt werden. Das passiert bei Werkstattbesuchen häufiger, ohne dass Kunden etwas mitbekommen. So ein Software-Update erhalten die VW-Fahrzeuge mit den EA-189-Motoren jetzt auch: Die Schummel-Software wird innerhalb von ein paar Minuten durch eine vorschriftsmäßige Version der Motorsteuerung ersetzt. Dadurch bekommt der Motor ein neues Betriebssystem für niedrigere Abgaswerte.

Werden alle Autos gleich behandelt? Wo genügt ein Software-Update?

Die von VW vorgeschlagenen Maßnahmen sind weitaus weniger kompliziert als befürchtet. Bei den Zwei-Liter-Motoren vom Typ EA 189 soll es genügen, die Software zu aktualisieren. Bei den 1,6-Liter-Motoren sollen die Kfz-Mechaniker ein kleines Gitternetz - auch "Strömungstransformator" genannt - an den Motor setzen. Auch bei den kleineren 1,2-Liter-Maschinen soll eventuell ein Software-Update ausreichen.

Bei vielen Autos wird ein Plastikrohr mit Gitter eingesetzt - wie funktioniert das?

Durch das Gitter soll der Luftmassensensor in den 1,6-Liter EA 189-Motoren anders angeströmt werden. Das ist wichtig, um die Messgenauigkeit zu erhöhen. Denn der Dieselmotor soll weder zu viel Sprit noch zu viel Frischluft konsumieren. Weil der Sauerstoff die Glut im Motor anheizt, entstehen mehr der gefährlichen Stickoxide. Es geht also nicht hauptsächlich um das Plastikteil, sondern um eine genauere Mischung zwischen Frischluft und Abgasrückführung: Bei Teillast kann mehr als die Hälfte des Luftgemisches aus den sauerstoffarmen Abgasen bestehen.

Ist das wirklich die Lösung?

In den vergangenen Jahren haben Motorentwickler viel Zeit damit verbracht, den Diesel fit für die Euro-6-Norm zu machen. Dabei ging es nicht nur um zusätzliche Reinigungsanlagen im Abgasstrang. Mindestens ebenso wichtig war es, die sogenannten Rohemissionen direkt aus dem Motor zu reduzieren. Dafür wurden neue Betriebsstrategien in der Motorsteuerung entwickelt. Von diesem Know-how profitieren jetzt die Euro-5-VWs. Deshalb können schon relativ geringe -Änderungen zumindest in Europa ausreichend sein.

Wissenswertes über Kosten und Schadenersatz

TDI-Dieselmotor eines Volkswagen-Modells.

Im Januar startet Volkswagens große Rückrufaktion. Betroffen sind Autos mit dem EA-189-TDI-Motor.

(Foto: Getty Images)

Warum hat man das nicht schon vorher eingesetzt und stattdessen auf eine illegale Software gesetzt?

Das fragen sich gerade viele: Wenn alles so einfach ist, warum hat man sich den ganzen Skandal nicht einfach erspart? VW erklärt das so: Erstens sei die Technologie vor einigen Jahren noch nicht verfügbar gewesen. Und zweitens habe man ja nicht gewusst, dass die Abgasmessungen bei den Dieselmotoren manipuliert waren - folglich habe man auch nicht über Umrüstungen nachgedacht.

Was sagen Politiker zu den Lösungen?

Von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) kommt bereits erste Zustimmung zu den von VW vorgelegten Umrüstungsplänen. "Unser Eindruck der Umrüstungskonzepte ist positiv", so Dobrindt.

Müssen Fahrer die Umrüstung zahlen?

Die Kosten trägt VW. Der Konzern hat zudem angekündigt, Kunden für die Dauer der Reparatur Ersatzautos anzubieten.

Leisten die Autos jetzt weniger?

Das Ziel von VW lautet: "Kein Mehrverbrauch und keine Einbußen bei den Fahrleistungen." Das ist äußerst anspruchsvoll. Wahrscheinlicher ist, dass VW Leistungsspitzen beim Beschleunigen rausnimmt. Eine bis zwei Zehntel Sekunden mehr beim Ampelspurt oder Überholen auf der Landstraße merkt kaum ein Fahrer. Aber entsprechend weniger Sauerstoff und damit Hitzeentwicklung im Motor kann den Stickoxid-Ausstoß deutlich senken.

Bekommt man Schadenersatz, wenn die Leistung sinkt?

Das ist ein kompliziertes Unterfangen. Um Schadenersatz zu bekommen, müssten Kunden einen finanziellen Schaden nachweisen, etwa durch gesunkene Preise beim Weiterverkauf der Autos. Zudem könnte eine rückwirkende Minderung des Kaufpreises infrage kommen, heißt es bei den Verbraucherzentralen. Das kann man aber erst sagen, wenn klar ist, wie die Umrüstung auf Leistung und Verbrauch wirkt - und ob das Verfahren überhaupt dazu beiträgt, schädliche Emissionen zu senken.

Hat VW damit alle Probleme gelöst?

Nein. Weltweit sind elf Millionen Diesel-Fahrzeuge des Konzerns betroffen, und vor allem in den USA, wo weitaus strengere Stickoxid-Grenzwerte gelten, dürfte man mit den hiesigen Lösungen nicht weit kommen. Außerdem hat der Konzern vor einigen Wochen eingeräumt, dass man bei 800 000 Benzinern ein zusätzliches Problem mit erhöhtem Ausstoß des Klima-Killers CO₂ hat. Da helfen wahrscheinlich weder Gitternetz noch Software-Update.

Drohen Steuernachzahlungen?

VW hat mit den Finanzbehörden Kontakt aufgenommen, um etwaige Nachzahlungen wegen höherer CO₂-Emissionen zu übernehmen. Wie das logistisch abgewickelt wird, ist aber noch unklar.

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