NSU-Prozess:NSU-Angeklagte klammern sich an den letzten Strohhalm

NSU Prozess - Zschäpe und Grasel

Plötzlicher Redebedarf: Beate Zschäpe spricht am 10. November 2015 im Gerichtssaal in München mit ihrem Anwalt Mathias Grasel.

(Foto: dpa)

Dass die Angeklagten nun auf einmal reden wollen, hat einen einfachen Grund: Ihre Chancen sind zusehends schlechter geworden.

Kommentar von Annette Ramelsberger

Der Wahrheit eine Gasse - so haben die rechten Szeneanwälte von Ralf Wohlleben ihre Erklärung betitelt, mit der sie die Aussage ihres Mandanten im NSU-Prozess ankündigen. Der Wahrheit eine Gasse: So hießen die Memoiren des Reichskanzlers Franz von Papen, der als Steigbügelhalter Hitlers beigetragen hat, dass die Nationalsozialisten 1933 die Regierung übernehmen konnten. Wie bei Papen ist auch im Fall des wegen Beihilfe zum Mord angeklagten Ex-NPD-Funktionärs Wohlleben nicht unbedingt mit der reinen Wahrheit zu rechnen.

Nach 247 Prozesstagen haben plötzlich alle Redebedarf

Was so vollmundig angekündigt wird, ist nichts anderes als der Griff zum letzten Strohhalm in einem Prozess, der sich allmählich dem Ende zuneigt und in dem die Chancen für Wohlleben und die Hauptangeklagte Beate Zschäpe nicht besser, sondern zusehends schlechter geworden sind. Das spüren auch die Angeklagten - und kaum sind 247 Prozesstage vorbei, kaum haben Hunderte Zeugen ein recht deutliches Bild des NSU gezeichnet, schon haben plötzlich alle Redebedarf.

Auch Zschäpe will reden, dann, wenn ihr mittlerweile fünfter Anwalt aus seinem Urlaub zurück ist. Sie hofft, mit einer Erklärung das Gericht doch noch davon zu überzeugen, dass sie nicht die Mittäterin ihrer Mord-Gefährten war. Allerdings lässt ihr neuer Anwalt das Gericht erst einmal drei Wochen auf diese Aussage warten; Urlaub geht vor. Ein Affront, der das Gericht nicht geneigter machen dürfte.

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