Schottdorf-Ausschuss:Generalstaatsanwalt räumt Ungereimtheiten ein

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Er hat Erinnerungslücken: Generalstaatsanwalt Manfred Nötzel muss etliche unbequeme Fragen beantworten. (Foto: dpa)

Im Kreuzverhör sagt Manfred Nötzel, bei den Ermittlungen gegen betrügerische Ärzte sei nicht alles optimal gelaufen - erklären kann er sich das aber nicht.

Von Stefan Mayr, München

Manfred Nötzel erscheint im Nadelstreifenanzug, weißes Hemd, rote Krawatte. Graue Haare, hohe Stirn, dicke Lesebrille mit rot-braun-schwarz gemustertem Rahmen. So in etwa stellt man sich einen vor, der zu den obersten Strafverfolgern des Freistaats gehört. Nötzel, 65, ist seit Oktober der Chef der Generalstaatsanwaltschaft München. Über ihm kommt quasi nur noch der Justizminister, er ist also eine ehrenhafte Persönlichkeit, die eher selten ein Kreuzverhör über sich ergehen lassen muss.

Am Montag muss Nötzel im Saal 3 des Landtags allerdings etliche unbequeme Fragen beantworten: Hat die Generalstaatsanwalt die Ermittlungen gegen Hunderte Ärzte wegen Abrechnungsbetrugs beeinflusst, um den Mediziner und den CSU-nahen Laborunternehmer Bernd Schottdorf zu schützen?

Einiges hätte "optimaler und besser gemacht werden können"

Diese und etliche andere Fragen will der Untersuchungsausschuss Labor seit Sommer 2014 klären. Es geht um die Aufarbeitung des sogenannten Schottdorf-Affäre, doch auch nach der 31. Sitzung sind die Abgeordneten nicht viel schlauer als zuvor. Nötzel beugt seinen Oberkörper vor, stützt seine Ellenbogen breit auf die Tischkante, seine Antwort fällt wie erwartet aus: "Dass hier jemand bewusst falsch oder aus dubiosen Gründen gehandelt hätte, sehe ich nicht."

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Aber immerhin räumt er ein, dass bei der Aufarbeitung der Fälle nicht alles perfekt gelaufen sei: "Mit komfortablem Abstand kann man zum Schluss kommen, dieses und jenes hätte optimaler und besser gemacht werden können." Deshalb finde er so manche Frage der Abgeordneten "durchaus nachvollziehbar".

Griff die Generalstaatsanwaltschaft massiv in die Ermittlungen ein?

Nötzel war in der fraglichen Zeit in den Jahren 2008 und 2009 in der Generalstaatsanwaltschaft als Leiter der Abteilung für Wirtschaftskriminalität tätig. Er betreute den Fall Schottdorf, in dem die Staatsanwaltschaft München I zwei Jahre lang intensiv ermittelte. Schon mehrere Vertreter der Staatsanwaltschaft hatten übereinstimmend erklärt, die Generalstaatsanwaltschaft habe massiv in die Ermittlungen eingegriffen.

"In diesem Fall war das Einwirken des Generals schon außergewöhnlich", sagte beispielsweise Christian Schmidt-Sommerfeld, damals Chef der Staatsanwaltschaft München I. "Ich habe immer den Eindruck gehabt, dass die Generalstaatsanwaltschaft nicht wollte, dass unser Staatsanwalt Harz dieses Verfahren weiter betreibt."

Der zuständige Staatsanwalt Andreas Harz hatte vor dem Untersuchungsausschuss sogar "acht mündliche Weisungen" aufgezählt, die ihm die Generalstaatsanwaltschaft auferlegt habe. Diese Darstellung weist Manfred Nötzel am Montag zurück: "Ich kann das nicht bestätigen", sagt er, "ich sehe das nicht als Anweisung, sondern als Hinweis."

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Münchner Staatsanwälte durften nicht weiterermitteln - trotz Vorbereitungen

Auch eine weitere wichtige Frage beantwortet Nötzel ausweichend: Hatte die Generalstaatsanwaltschaft angewiesen, dass die Verfahren gegen den Willen der Münchner Staatsanwälte an die Augsburger Staatsanwaltschaft abgegeben wurden? "Anweisung würde ich das nicht nennen", sagt Nötzel. Ihm zufolge sei es rechtlich zwingend gewesen, dass die Verfahren zuständigkeitshalber nach Augsburg wechselten. Dort wurden sie dann schnell eingestellt, obwohl noch ein sogenanntes "Pilotverfahren" anhängig war, das die umstrittene Rechtslage klären sollte.

Die Münchner Staatsanwälte hätten gerne gegen die Ärzte weiter ermittelt, wie sie vor dem Ausschuss klarstellten. Doch selbst die Münchner Ärzte wurden ihnen entzogen - zudem durften sie bei einer Durchsuchung im Augsburger Labor Schottdorf nicht teilnehmen, obwohl sie sich schon darauf vorbereitet hatten. Diese Tatsache kann auch Nötzel nicht erklären: "Diese berechtigten Fragen kann ich Ihnen nach partieller Akteneinsicht auch nicht beantworten." Er habe "keine Erinnerung mehr".

Anzeigen wegen Strafvereitelung - bisher ohne Folgen

Nachdem die Augsburger Ermittler die Akten zugeklappt hatten, bewertete der Bundesgerichtshof die Abrechnungspraxis als Betrug. Das Pilotverfahren endete also mit einer Haftstrafe gegen den Münchner "Pilot"-Arzt. Andere Ärzte kamen dagegen straffrei davon. Damit sind viele Politiker und Bürger nicht zufrieden. Inzwischen haben mehrere Personen Strafanzeige wegen Strafvereitelung eingereicht - gegen Nötzel, gegen den damaligen Leiter der Generalstaatsanwaltschaft München, Christoph Strötz, und gegen die damalige Justizministerin Beate Merk (CSU). Diese Anzeigen liegen bei der Staatsanwaltschaft Hof. Was daraus wird, ist offen. "Wir bearbeiten die Anzeigen", sagt der Chef der Hofer Ermittlungsbehörde. Mehr nicht.

Am Dienstag wird der Nächste aus diesem Trio vor dem Untersuchungsausschuss aussagen: Christoph Strötz, der seit März Präsident des Oberlandesgerichts in Nürnberg ist. Auch Beate Merk soll noch vorgeladen werden - ihr Auftritt wird allerdings erst im Jahr 2016 erwartet.

© SZ vom 01.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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