Reaktionen:"Schwerer Rückschlag"

Olympia-Referendum in Hamburg

Hamburg braucht Flächen, um Wohnungen bauen zu können. Ein Gebiet dafür ist die Hafen-City. Die Stadt erwägt auch, den Kleinen Grasbrook planerisch aus dem Hafengebiet zu entlassen, was für helle Aufregung sorgt.

(Foto: Daniel Bockwoldt/dpa)

Die Stimmungslage in Hamburg ist nicht einfach zu deuten. Weder fanden karnevalsähnliche Umzüge der erfolgreichen Spiele-Verhinderer statt noch Trauermärsche der Befürworter.

Von Thomas Hahn, Hamburg

Hinter der Adolphsbrücke am Rathausplatz stand auch am nächsten Morgen noch die Uhr der Hamburger Olympia-Bewerber. Aber sie tickte nicht mehr. In den Wochen zuvor hatte sie die Stunden bis zum Referendum heruntergezählt wie ein Symbol für die gespannte Erwartung auf das Urteil der Bürger. Und jetzt? Wirkte sie auch wie ein Symbol. Allerdings wie ein Symbol für den stehen gebliebenen Versuch, die großen Spiele in die Hansestadt zu holen. Die Ziffern auf der Digitalanzeige rührten sich nicht. Schwer zu sagen, wie viele von den vorbeieilenden Vorweihnachtseinkäufern die Uhr überhaupt beachteten. Aber wer sie beachtete, konnte in dem Zeitmesser den traurigen Rest eines vergeblichen Planes erkennen.

Die Stimmungslage in der Hansestadt ist am Tag nach dem Nein zu Olympia nicht einfach zu deuten gewesen. Weder fanden karnevalsähnliche Umzüge der erfolgreichen Spiele-Verhinderer statt noch Trauermärsche der Befürworter. Je nachdem, mit wem man sprach, konnte man Freude, Kater oder irgendeine Art neutraler Laune erleben. Im Statement von Gunther Bonz, dem Präsidenten des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg, schwang zum Beispiel ein Ausdruck von Erleichterung. Verständlich: Nach dem Nein ist die Gefahr gebannt, dass das Hafenareal auf dem Kleinen Grasbrook und drumherum Teil eines riesigen olympischen Umbauprogrammes wird. Umsiedlungen von Unternehmen sind vorerst vom Tisch, und Bonz sagt: "Die Hafenfirmen können jetzt aufgrund der Zusicherungen des Senats an den vorhandenen Standorten investieren."

25 Mitarbeiter müssen bis Jahresende gehen

In anderen Kreisen wiederum ist die Enttäuschung sehr groß gewesen. Das Titelbild des Hamburger Abendblatts gab einen Eindruck von der Gefühlslage auf der höheren Befürworter-Ebene: Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), seine Stellvertreterin Katharina Fegebank von den Grünen und Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) waren darauf zu sehen als ein Trio der Trauer. Die 25 Mitarbeiter der Bewerbergesellschaft dürften noch betrübter sein - ihr Arbeitgeber wird bis zum Jahresende abgewickelt. Und in der Handelskammer, dem wichtigsten Motor der Hamburger Olympia-Idee, sprach ein Sprecher von "Schockstarre", aus der heraus man nicht vorschnell entscheiden könne, wie ein künftiges Engagement im Spitzensport aussehe. Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz nannte das Ergebnis einen "schweren Rückschlag für die Zukunftsgewandtheit unserer Stadt".

Tatsächlich scheinen manche Hamburger Standort-Manager sich so sehr in den Olympia-Gedanken verbissen zu haben, dass es ihnen jetzt schwer fällt, eine Zukunft ohne dieses Mammut-Projekt zu erkennen. Die Idee, Olympische Spiele in die Stadt zu holen, ist nicht originell - trotzdem sahen viele darin den Ausgangspunkt für die Entwicklung eines boomenden Hamburg mit inklusivem Vorzeige-Stadtteil. Die Rede war von einer "Vision", was eigentlich gar nicht gut zum Hamburger Pragmatismus passt, den Helmut Schmidt einst mit dem Satz beschrieb: "Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen."

Vielleicht ist die Bewerbung auch daran gescheitert, dass ihre Betreiber sie so hoch hängten. In der Werbung zur Bewerbung kam immer wieder rüber, dass die Spiele ein Hoffnungsthema seien, gut für die Wirtschaft und eine tolle Party. Aber zu kurz kam der Umstand, dass Olympische Spiele auch als Veranstaltung für das Kulturgut Sport in eine Gesellschaft hineinwirken können. Zugegeben, in Zeiten von Doping-Skandalen und WM-Korruption ist das schwer zu vermitteln. Aber man schafft das eben offenbar auch nicht mit kameratauglichen Massenereignissen.

Vor allem die Unternehmer Gerrit und Frederik Braun, Betreiber der Modelleisenbahn-Landschaft Miniatur-Wunderland, brachten sich mit solchen Aktionen ein. Zuletzt brachten sie 10 000 Menschen dazu, im Stadtpark die Olympischen Ringe zu formen. Das ergab wirklich sehr schöne Bilder. Die Olympia-Begeisterung wurde anschaulich. Aber Begeisterung ist für viele Leute eben kein überzeugendes Argument, wenn es um ein ausgedehntes Fest geht, das Milliarden kostet und wie eine Initiative der Industrie wirkt. "Ich bin enttäuscht von meiner Stadt", sagte Frederik Braun am Sonntagabend, als das Nein über den Köpfen leuchtete.

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