Syrien-Debatte:Neue Bewegung in der Syrien-Diplomatie

  • Am Rande des Pariser Klimagipfels haben alle relevanten Staats- und Regierungschefs über eine Lösung der Syrien-Frage diskutiert.
  • Schon am 18. Dezember könnte es zu einer erneuten Verhandlungsrunde der IS-Gegner wie in Wien kommen.
  • Russlands Präsident gelangt zur Einsicht, dass er nicht dauerhaft an Assad und dessen Regime festhalten kann.

Von Stefan Braun, Berlin und Stefan Kornelius, München

Tornados des Taktischen Luftwaffengeschwaders 51

Aufklärung aus der Luft: Die Bundesregierung will im Kampf gegen die Terrororganisation des sogenannten Islamischen Staates auch Tornados einsetzen.

(Foto: Carsten Rehder/dpa)

In Berlin reden aktuell alle über den Bundeswehreinsatz und den Krieg im Nahen Osten. Im Schatten der Debatte aber ist neue Bewegung in die Syrien-Diplomatie gekommen. Trotz der massiven Spannungen zwischen Russland und der Türkei nach dem Abschuss eines russischen Bombers stehen entscheidende Wochen bevor, in denen die Weichen für Fortschritte gestellt werden sollen. "Es ist sehr mühsam, aber es geht voran", sagt ein hochrangiger Mitarbeiter der Bundesregierung.

Ohne einen Erfolg der Diplomatie gibt es keinen Erfolg gegen den IS

Dass die Zeit drängt, betonte in der Nacht auf Freitag US-Außenminister John Kerry. Für ihn steht außer Zweifel, dass ein militärischer Erfolg gegen den so genannten Islamischen Staat (IS) nur möglich sein wird, wenn es gelingt, den Weg für einen Machtübergang in Syrien zu finden. Nur dann werde man es "jeder Nation und jeder Gruppe ermöglichen, sich zum Kampf gegen den IS zusammenzuschließen - die syrische Armee zusammen mit der Opposition, zusammen mit benachbarten Ländern, Russland, den USA und anderen", sagte Kerry. Sein Signal: Ohne einen Erfolg der Diplomatie wird es keinen Erfolg gegen den IS geben.

Pariser Klimagipfel als Ort der Begegnungen

Nach einer Woche intensiver Gespräche häufen sich die positiven Signale. Den Pariser Klimagipfel am Montag nutzten alle relevanten Staats- und Regierungschefs für unzählige Treffen zum Syrien-Krieg. Das hat neuen Schub gegeben. Seither beraten wieder Arbeitsgruppen mit hohen Beamten über den exakten Teilnehmerkreis für Friedensgespräche - eine komplizierte Formel angesichts der unterschiedlichen Interessen der Kriegsparteien und Splittergruppen in Syrien.

Wunschliste der USA

Deutschland beteiligt sich künftig an der Anti-IS-Allianz. Der militärische Einsatz ist behutsam dosiert. Aber gebraucht wird das Militär gleichwohl: Das Tankflugzeug der Bundeswehr ist zertifiziert für französische Rafael- und Mirage-Maschinen, der deutsche Satellit SAR-Lupe und seine französische Schwester Helios liefern kombiniert gute Aufklärung, und die Tornados ersetzen Luftaufklärungsmaschinen der Emirate. Die Bilder werden nun auch in Echtzeit per Satellit übertragen, allerdings in geringerer Qualität.

Was genau die Bundeswehr für die Allianz zur Verfügung stellt, wurde von den USA angefordert, die als Führungsnation nach außen hin eher unscheinbar die Koordination übernehmen. In der militärischen Hierarchie geschieht dies über die Kommandostruktur Centcom (US Central Command) in Tampa, Florida. Von dort übernimmt die Kommandozentrale der "Joint Task Force, Operation Inherent Resolve" in Kuwait, wo deutsche Offiziere in die Befehlskette eingebunden werden.

Spannend wird es bei den Absprachen mit Russland über die Aufteilung des Luftraums, um Kollisionen über Syrien zu vermeiden. Dazu nutzen die USA eine Kommandozelle in Bagdad; diese spricht sich mit einer russisch-syrisch-iranischen Planungseinheit ab, die auf der anderen Straßenseite ihr Quartier hat. Dort wird täglich die Air Tasking Order (ATO) ausgehandelt, die Aufteilung des Luftraums in Streifen und Blöcke, die dann von den jeweiligen Nationen beflogen werden dürfen.

Deutsches Aufklärungsmaterial wird handverlesen an das Kommando in Katar weitergegeben. Ein hoher Bündnis-Offizier aber sagt: "Mit der Luft alleine kommen wir nicht weiter." Die Bundeswehr kann noch so viele Häuser in Raqqa knipsen - die Aufklärer und Agenten am Boden müssen klären, wo genau der IS sitzt. Stefan Kornelius

Bereits in der kommenden Woche sollen sich in der saudischen Hauptstadt Riad zahlreiche syrische Oppositionsgruppen treffen. Unter der Regie der saudischen Führung soll eine Liste an Persönlichkeiten erstellt werden, die in Übergangsverhandlungen mit Vertretern des Assad-Regimes jene sunnitischen Gruppen repräsentieren, die nach Vorstellung Riads in die Friedensgespräche einbezogen werden sollen.

Parallel führt Jordanien Gespräche mit Militär- und Geheimdienstexperten, seien es Saudis, Türken und Iraner oder auch Russen und Amerikaner. Ziel ist es, eine sogenannte rote Liste der Milizen und Terrorgruppen zusammenzustellen, die aufgrund ihres Terror-Charakters auf keinen Fall politisch beteiligt werden sollen.

Ursula von der Leyen

"Wir brauchen Menschen, die sich in der Region auskennen und die ein vitales Interesse haben, ihre Heimat zurückzuerobern."

Am 18. Dezember könnte es eine erneute Verhandlungsrunde geben

Sollten Riad und Amman pünktlich liefern, könnte es schon in zwei Wochen, vermutlich am 18. Dezember, eine neue Wiener Verhandlungsrunde aller beteiligten Mächte geben. Angestrebt wird ein Treffen in New York. Gedankenspiele gehen so weit, dort vielleicht schon einen Wahltermin auszuhandeln. Für wichtiger aber halten es Diplomaten, wenn es gelänge, im Rahmen des UN-Sicherheitsrats Ziele zu benennen, gar Beschlüsse zu fassen. "Gerade jetzt, da mit Blick auf den Kampf gegen den IS mancher eine größere völkerrechtliche Legitimation fordert, wäre es wichtig, ein Signal UN-weiter Geschlossenheit auszusenden", meint ein hoher Regierungsbeamter.

Immer drängender wird die Suche nach einem Waffenstillstand. Die wichtigste Rolle bei dessen Durchsetzung fällt dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu. Deshalb war er in Paris zentraler Gesprächspartner für US-Präsident Barack Obama, Frankreichs Präsident François Hollande und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Doch auch der chinesische Präsident Xi Jinping mischt sich inzwischen ein. China sitzt bei den Wiener Syrien-Verhandlungen mit am Tisch. Damit haben alle UN-Vetomächte Verantwortung bei der Friedenssuche übernommen.

Assads Regime soll nicht sofort, aber bald ersetzt werden

Nach Auskunft von mit den Gesprächen vertrauten Personen bildet sich langsam ein Konsens heraus über das Schicksal des syrischen Machthabers. Das Regime von Baschar al-Assad soll nicht sofort, aber baldmöglichst durch eine Übergangsregierung ersetzt werden, deren führendes Personal intensiv gesucht wird. Auch Putin soll klargemacht haben, dass er einer Ablösung Assads nicht im Weg steht, solange russische Interessen in Syrien gewahrt bleiben. "Putin geht es darum, seine Seite zu kontrollieren", heißt es. Allerdings: Zu schnell soll es auch wieder nicht passieren. Offenbar aus Erfahrungen im Irakkrieg warnt selbst Kerry vor einem übereilten Machtwechsel. Der IS könnte bei einem Zerfall aller Strukturen das Vakuum ausnutzen.

"Putin muss auf die konstruktive Seite wechseln, wenn er nicht alles verlieren will"

In deutschen Regierungskreisen heißt es, Russlands Präsident habe in den vergangenen Wochen gemerkt, dass er nicht dauerhaft an Assad festhalten könne, wenn er sich bei der sunnitischen Mehrheit in Syrien nicht zum Feind machen wolle. "Putin muss auf die konstruktive Seite wechseln, wenn er nicht alles verlieren will." Angesichts der hochsensiblen Lage sind die EU und die USA bemüht, Putin nicht härter anzugehen als nötig. So sollen die wegen der Ukraine verhängten Sanktionen nur um ein halbes Jahr verlängert werden, nicht wie üblich um ein ganzes.

In Nato-Kreisen wird inzwischen über die Organisation und Überwachung eines Waffenstillstandes und einer Bodenoffensive gegen den IS nachgedacht. Allerdings herrscht Konsens, dass für diese Offensive zuallererst einheimische Kämpfer eingesetzt werden müssen. Die Nato scheint bereit zu sein, Sicherheitszonen entlang der syrischen Grenze aus der Luft abzusichern. In der Allianz wächst aber die Sorge vor russischen Flugabwehrraketen vom Typ S 400, die Putin in Syrien stationieren will. Das Waffensystem würde Russland die Kontrolle über den gesamten Luftraum erlauben. Vielleicht verweisen Berliner Diplomaten deshalb darauf hin, dass beim letzten Wiener Treffen alle fünf UN-Vetomächte, auch Russland, versprochen haben, einen Waffenstillstand zu überwachen. Nichts soll Russland von seiner eingegangenen Pflicht entbinden.

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