Bausparkassen:Blei in den Bilanzen

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Teure Renditeversprechen von einst, heute Niedrigzinsen an den Märkten: Die Bausparkassen stecken in der Klemme. Nun sollen erstmals auch die Eigentümer dafür zahlen.

Von B. Müller, S. Radomsky und M. Schreiber, München/Frankfurt

Die Deutschen, könnte man glauben, sind bauwütig. Zumindest haben sie insgesamt rund 30 Millionen Bausparverträge abgeschlossen. Nur werden die oft nicht mehr dazu genutzt, das Häuschen oder die eigene Wohnung zu finanzieren, sondern um Geld anzulegen. Das macht den Bausparkassen zunehmend zu schaffen. Einige klagen über existenzielle Nöte, so wie die Landesbausparkasse West (LBS West), die von ihren Eigentümern nun frisches Kapital verlangt.

Verantwortlich für die Misere sind die seit der Finanzkrise historisch niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt - und die üppigen Zinsversprechen der Bausparkassen aus der Vergangenheit. Nicht selten garantierten sie ihren Kunden aufs Guthaben drei Prozent Zinsen und mehr. Nun haben sie Schwierigkeiten, ausreichend Rendite zu erwirtschaften, um diese langfristigen Versprechen zu erfüllen. Zahlreiche Anbieter versuchen daher bereits seit Längerem, die teuren Altkunden loszuwerden. Die Fälle beschäftigen längst auch die Gerichte.

Nun sollen zusätzlich erstmals auch die Eigentümer einer Bausparkasse ran: Insider bestätigten einen Bericht der FAZ, wonach die beiden Sparkassenverbände in Nordrhein-Westfalen erstmals der LBS West unter die Arme greifen und noch im Dezember eine Kapitalerhöhung beschließen müssen. Würden der Bausparkasse die geplanten 300 Millionen Euro verwehrt, könnte sie die strengeren Anforderungen der Aufsichtsbehörden nicht mehr erfüllen, hieß es in Sparkassenkreisen.

Ein Mann säubert die Fensterrahmen seines Hauses in Schleswig-Holstein. Ein Eigenheim ist immer noch der Traum vieler Menschen. (Foto: Daniel Reinhardt/dpa)

Unmittelbar droht der LBS West demnach zwar kein Verlust, die Gewinne reichten jedoch längst nicht mehr aus, um zusätzliches Kapital anzusammeln. Zusätzlich will sie deshalb mit einem groß angelegten Stellenabbau gegensteuern. "Die Sparkassen haben selber ihr Päckchen zu tragen, darüber freut sich keiner", hieß es bei den Eignern der LBS West.

In Bayern wird bereits heftig gespart: Die hiesige LBS baut derzeit 15 Prozent der Stellen ab, kleinere Geschäftsstellen werden geschlossen. Außerdem tritt die Landesbausparkasse aus München kaum noch als Sponsor auf.

Kapital nachschießen mussten die bayerischen Sparkassen als Eigner der LBS Bayern dagegen bisher noch nicht. Allerdings korrigierten sie bereits vor einem Jahr den Wert ihrer LBS-Beteiligung um etwa 300 Millionen Euro nach unten. Auch hier lasten die hochverzinsten Spareinlagen aus früheren Jahren wie Blei in den Bilanzen. Für das laufende Jahr erwartet Vorstandschef Franz Wirnhier nur eine "gute schwarze Null", genauso wie für 2016.

Im harten Konkurrenzkampf senkten viele die Bausparzinsen zu spät

Bei den privaten und genossenschaftlichen Bausparkassen ist die Lage zwar nicht ganz so bedrohlich wie bei den Landesinstituten. Sie verfügen über ein deutlich stärkeres Geschäft mit normalen Immobilienkrediten. Trotzdem kündigen auch sie reihenweise teure Altverträge. Selbst der Marktführer Schwäbisch Hall streicht binnen zwei Jahren 250 Jobs. "Es geht darum, erst gar nicht in eine kritische Situation zu geraten", sagt Andreas Zehnder, Chef des Verbands der Privaten Bausparkassen. Das ebenso einfache wie risikoarme Geschäftsmodell hilft den Bausparkassen schon längst nicht mehr. Denn im harten Konkurrenzkampf senkten viele die Bausparzinsen zu spät.

Nun bleibt nur die Flucht nach vorn: Sparen und fleißig neue Bausparverträge verkaufen, um den durchschnittlichen Zins zu drücken. Allein die privaten Bausparkassen schlossen im ersten Halbjahr gut 820 000 neue Verträge ab, das Vertragsvolumen stieg um vier Prozent. Doch irgendwann, so die Befürchtung, könnten die Kunden das Bausparen angesichts niedriger Zinsen ganz aufgeben.

Hinzu kommt Druck von den Aufsehern: Sie verlangen nicht nur höhere Kapitalreserven von den 21 privaten und öffentlich-rechtlichen Bausparkassen, sondern haben deren Bilanzen auch schon zwei Mal einem Stresstest unterzogen - Ergebnis unbekannt. Finanzexperte Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg will daher nicht ausschließen, dass hinter den Klagen der Bausparkassen auch Kalkül steht. Denn im Fall einer Schieflage könnte die Bafin als zuständige Aufsichtsbehörde in die Altverträge eingreifen und die Guthabenzinsen herabsetzen. "Wäre die Lage wirklich so bedrohlich für die Bausparkassen, hätte die Bafin längst handeln und die Tarife ändern müssen", sagt Nauhauser.

Vorher dürfte ihnen allerdings der Gesetzgeber zu Hilfe kommen: Vergangene Woche beschloss der Bundestag unter anderem, dass Bausparkassen ihr Geld künftig teilweise in Aktien anlegen dürfen. Der Bundesrat muss noch zustimmen. Die Bausparkassen warten schon freudig auf die neuen Möglichkeiten. Der Streit mit den Altkunden dürfte aber weitergehen.

© SZ vom 09.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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