US-Vorwahlen:Sanders ist ein echter Gegner

US-Vorwahlen: Bernie Sanders und Hillary Clinton

Bernie Sanders und Hillary Clinton

(Foto: Getty)
  • In Iowa kommt es bei der Vorwahl der Demokraten zu einem Quasi-Patt zwischen Hillary Clinton und Bernie Sanders.
  • Die Demokraten können zwischen zwei politischen Philosophien wählen. Clinton will einen Republikaner verhindern, Sanders will eine "Revolution".
  • Am Wahlabend greifen einige Anhänger Sanders' die Konkurrentin verbal scharf an.

Analyse von Johannes Kuhn, New Orleans

Hinter dem ländlichen Drama um die Nachkommastelle in Iowa verbirgt sich etwas Unerhörtes - zumindest, wenn wir ein Dreivierteljahr zurückblicken. Wer hätte damals gedacht, dass sich Hillary Clinton und der selbsternannte Sozialist Bernie Sanders einmal ein echtes Duell um die Nominierung der Demokraten liefern würden?

Beide haben durch das Quasi-Patt - Clinton gewann hauchdünn - in Iowa ihre Ziele erreicht. Hillary Clinton steht immerhin nicht als Verliererin da, die nach 2008 noch einmal einen haushohen Vorsprung verspielte. Gestärkt geht sie allerdings nicht aus diesem Abend hervor. Bernie Sanders dagegen wirkt wie ein Gewinner, weil er als Underdog startete und nun eine vorwiegend junge (und weiße) Anhängerschaft auch als Wähler mobilisieren konnte. Sein Ergebnis ist eine gute Ausgangsposition, um den Vorsprung im liberaleren New Hampshire verteidigen zu können.

Was danach kommt, galt angesichts Clintons finanzieller und personeller Ausstattung in den späteren Vorwahlstaaten als ausgemacht. Doch Sanders hat deutlich gezeigt, dass er kein Zählkandidat sein wird - das dürfte noch mehr Kleinspender motivieren, ihn zu unterstützen.

Die beiden Kandidaten stehen für zwei Strömungen, zwei unterschiedliche Definitionen des Wortes "progressiv". Das Lager der Realisten führt Clinton an. Die ehemalige Außenministerin hat sich in den Vorwahlen als Erbin Barack Obamas positioniert und verspricht Fortschritte bei Themen wie Mindestlohn, Gleichbehandlung der Geschlechter, dem Zugang zu Bildung oder dem Schließen von Steuerschlupflöchern. Ihre Botschaft: Das Weiße Haus muss gegen die Republikaner verteidigt werden, und dafür braucht es eine wählbare Kandidatin.

Bernie Sanders dagegen will und verspricht Grundsatzänderungen - im Gesundheitssystem, aber vor allem bei der Besteuerung von Reichtum und damit der Vermögensverteilung. Weil er weiß, dass dies unter den gegebenen Bedingungen in Washington unmöglich ist, ruft er eine "Revolution" aus und versammelt das Volk hinter sich. Nicht gegen die Republikaner, sondern gegen die Politik und Eliten. Kritiker nennen dies Populismus, doch Sanders trifft damit den Nerv all jener, die zwar Obamas Anstrengungen für eine liberalere Gesellschaft zu würdigen wissen, dem Präsidenten aber ein entscheidendes Versäumnis vorwerfen: Die Reichen in den USA werden weiterhin reicher, das Leben für die Mittelschicht ist von Abstiegsängsten geprägt - von der Perspektivlosigkeit der Armen gar nicht zu reden.

Eine Senatorin aus Massachusetts sieht plötzlich wie die perfekte Alternative aus

Die Demokraten haben damit die Wahl zwischen dem Kampf um postmaterialistische Werte und dem Klassenkampf. Einer Umfrage unter den demokratischen Wählern in Iowa zufolge wünschten sich im Vorwahlstaat 56 Prozent die Fortsetzung der Obama-Politik, 32 Prozent wollen eine liberalere, sieben Prozent eine weniger liberale Politik. Solche Zahlen sprechen theoretisch für Clinton und eine progressive Realpolitik, nur fiel das Wahlergebnis deutlich knapper aus.

Eine Szene vom Montagabend zeigt das Dilemma der Demokraten: Als auf der Sanders-Wahlparty die Rede Clintons auf der Videowand gezeigt wurde, buhten die Anhänger des Senators. Als sich die Rivalin als Progressive bezeichnete, skandierten sie "Du bist eine Lügnerin". Clinton ist für viele Demokraten weiterhin eine "Wenn-es-sein-muss"-Kandidatin - und Sanders und seinen Anhängern mangelt es an dem integrativen, positiven Gestus, mit dem einst der junge Senator Barack Obama und seine Gefolgschaft Partei und Land eroberten.

O'Malley zieht seine Kandidatur zurück

Und so dürfte sich an diesem Abend Elizabeth Warren fragen, warum sie auf eine Kandidatur verzichtet hat. Die Senatorin aus Massachusetts sähe zwischen zwei halbperfekten Kandidaten plötzlich wie die perfekte Alternative aus: volksnah, rhetorisch begabt, kritisch gegenüber Banken, aber den Weg über die Politik suchend. Sie wäre auch ein anderes Kaliber als der nun gescheiterte Martin O'Malley, Ex-Gouverneur von Maryland, der seine Kandidatur zurückgezogen hat.

Doch der Zweikampf zwischen Bernie Sanders und Hillary Clinton trägt auch die Möglichkeit in sich, dass beide in ihm wachsen und Statur gewinnen. Das ist nach diesem Abend die Hoffnung jener Demokraten, die mehr wollen, als nur einen republikanischen Präsidenten im Weißen Haus zu verhindern.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: