USA:Partei-Elite zweifelt an Basis

Hillary Clinton Campaigns In New Hampshire Ahead Of Primary

Besuch von der Kandidatin: Hillary Clinton in New Hampshire.

(Foto: AFP/Justin Sullivan)

Die Präsidentschafts-Bewerber der Republikaner und der Demokraten buhlen im Bundesstaat New Hampshire um Wähler.

Von Matthias Kolb, Bedford/Manchester

Als sich die konservativen Wähler in Iowa auf den Weg zur Abstimmung machten, waren Jeb Bush und John Kasich schon 2200 Kilometer entfernt. Die Kandidaten umwarben Bürger in New Hampshire, wo in der Nacht auf Mittwoch die Vorwahl für die Präsidentschaftskandidaten stattfindet. Auch wenn dort der Milliardär Donald Trump in Umfragen mit knapp 30 Prozent vorn liegt, setzen sie alle Hoffnungen auf den Mini-Staat im Nordosten der USA. Dort ist ein Begriff wie "Regierungserfahrung" kein Schimpfwort, sondern ein Plus.

Dementsprechend versuchen Bush sowie die Gouverneure aus New Jersey und Ohio, Chris Christie und John Kasich, alles, um sich als Vertreter des pragmatischen Flügels hervorzutun und mit ihrer politischen Erfahrung zu wuchern. Sie wissen: Wer hier nicht mindestens Dritter wird, der hat seine Chancen aufs Weiße Haus verspielt. Deshalb attackierten sie in der TV-Debatte am Samstagabend weniger Donald Trump als Marco Rubio, der in Iowa mit einem starken Ergebnis überraschte und nun als Favorit der Partei-Elite gilt. Meinungsforscher sehen ihn in New Hampshire momentan auf Platz zwei.

Christie verglich den 44-Jährigen mit dem bei Republikanern gerne geschmähten Barack Obama, der als junger und ebenfalls wenig erfahrener Senator zum US-Präsident gewählt worden war: "Wir dürfen den gleichen Fehler nicht wiederholen." Bush, der Rubio einst als Gouverneur in Florida gefördert hat, variierte diese Botschaft: Der "Freund Marco" wisse nicht, wie schwer es sei, Entscheidungen zu treffen.

Kasich dagegen setzte auf eine optimistische Botschaft und warb dafür, auf die Demokraten wie auch auf Latinos und Schwarze zuzugehen. Er attackierte Rubio und den Texaner Cruz für deren Vorschläge, die elf Millionen illegalen Einwanderer sofort abzuschieben. Anders als in vorherigen Rededuellen gelang es Marco Rubio dieses Mal nicht, die Angriffe abzuwehren. Die meisten Analysten werteten seinen Auftritt entsprechend als Rückschlag. Zu oft habe Rubio auf die exakt selben Formulierungen aus seinen Wahlkampf-Auftritten zurückgegriffen. In New Hampshire dürften die formelhaften Sätze bekannt sein. Die Bürger sind stolz auf das Privileg, ihre Stimme früh abgeben zu dürfen, und sehen sich die Kandidaten oft mehrere Male an.

Verglichen mit Iowa sind die republikanischen Wähler hier weniger religiös, weshalb Jeb Bush auf ein Comeback hoffen kann. Er tritt gemeinsam mit seiner 90-jährigen Mutter Barbara auf und lässt sich bei den Auftritten in Schulturnhallen von seinem ältesten Sohn George P. ankündigen. Bei einem Auftritt in Bedford attackierte er Trump mit scharfen Worten: "Der Kerl braucht eine Therapie." Seine ständigen Beleidigungen zeugten von großer Unsicherheit. Der Abgeordnete William Gannon brachte es stellvertretend für viele Wähler auf den Punkt, die sich eher an einem traditionellen Kandidatenbild orientieren: Der Gedanke, dass Trump nominiert werden könnte, löse bei ihm Panik aus.

Auch bei den Demokraten zweifelt die Partei-Elite an den Vorlieben ihrer Mitglieder. Obwohl neben Gouverneurin Maggie Hassan und Senatorin Jeanne Shaheen auch fast alle Abgeordneten Ex-Außenministerin Hillary Clinton unterstützen, führt der "demokratische Sozialist" Bernie Sanders in Umfragen seit Wochen mit mindestens zehn Prozentpunkten. Der 74-Jährige profitiert davon, dass er den Nachbarstaat Vermont im Senat vertritt und daher in der Region bekannt ist. Außerdem sind die Demokraten-Wähler in New Hampshire vor allem weiß und progressiv, weshalb sie Sanders für dessen Forderungen nach mehr Umverteilung feiern.

Für Clinton wäre eine Niederlage zu verschmerzen: In Nevada und South Carolina, wo im Februar ebenfalls abgestimmt wird, sind mehr Latinos und Schwarze unter den Wählern. In beiden gesellschaftlichen Gruppen ist Clinton populärer als ihr Herausforderer. Sanders tut jedoch alles, um seine Bekanntheit zu steigern. Er verließ New Hampshire am Wochenende für einige Stunden, um in der legendären Satire-Show "Saturday Night Live" aufzutreten. Im Sketch gab er den Klassenkämpfer auf einem Dampfschiff voller Einwanderer, das gegen die Freiheitsstatue kracht. Kaum war der Clip im Internet verfügbar, verbreiteten Sanders-Fans ihn in allen sozialen Netzwerken.

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