Fußball:Trifon Iwanow war ein leidenschaftlicher Grätscher

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Trifon Iwanow gegen Jürgen Klinsmann: Am Ende siegten die Bulgaren. (Foto: dpa)
  • Seine Mähne, sein Blick, sein Bart: Trifon Iwanow besiegte 1994 mit seinen Bulgaren die Deutschen bei der WM.
  • Später wurde er zum Kult-Fußballer. Jetzt ist er tot.

Von Filippo Cataldo

Es ist nicht besonders erwachsen, und natürlich alles andere als nett, Menschen nach ihrem Aussehen zu beurteilen. Doch bei Trifon Iwanow sollte das schon in Ordnung gehen. Er gehörte zu jener seltenen Spezies von Fußballern, die schon berühmt waren, bevor man ihn auch nur einmal spielen gesehen hatte. Iwanow war einer der prägendsten Kicker der neunziger Jahre - zuerst wegen seines Äußeren und dann auch ein bisschen wegen seiner Fähigkeiten.

Iwanow betonte seine markanten Gesichtszüge durch besonderes "Styling": Zum dichtesten und wildesten aller Vokuhilas kombinierte er Vollbart, Nasenpflaster und diesen unfassbar melancholischen wie irren Schlafzimmerblick. In der Heimat nannten sie ihn "Wolf". Iwanow hatte nichts dagegen.

Vor Beginn der WM 1994 in den USA zerrissen sich auf den Schulhöfen die Kids das Maul über diese bulgarische Urgewalt. "Du Iwanow!" wurde als infantile Beleidigung gerufen, "ein Iwanow" dagegen war die wichtigste Währung überhaupt: sein Panini-Bild war das begehrteste.

Iwanow gehörte zu jener goldenen Generation bulgarischer Fußballer, die 1994 in den USA im Zenit ihres Schaffens stand. Bulgarien hatte damals ungefähr den Status, den heute Belgien hat: den des gar nicht so geheimen Geheimtipps. Im Tor stand Borislaw Michajlow, zumindest 1994 noch ohne Toupet, es verteidigten unter anderem HSV-Kante Peter Chubtschew und natürlich Iwanow; im Mittelfeld wirbelten neben Jordan Letschkow, der damals schon ein Toupet hätte tragen können, die Feingeister Krassimir Balakow (später VfB) und Hristo Stoitschkow vom FC Barcelona. Vor Stoitschkow agierte noch Emil Kostadinow, der ein Jahr später beim FC Bayern landen sollte.

Eine Mannschaft voller glorreicher Halunken, und mittendrin Ober-Halunke Iwanow. Ein Libero, der es als Auszeichnung sah, wenn hinterher wieder einer behauptete, er sei "besonders gut in die Zweikämpfe gekommen". Iwanow war Zeit seines Lebens ein leidenschaftlicher Grätscher. Ein früher Gattuso, der darüber hinaus über ein verblüffend großes technisches Repertoire verfügte und gerne auch Tore schoss. "Er war einmalig auf dieser Position, sehr begabt, technisch sehr stark und hat sich unglaublich entwickelt, so sehr, dass er in jeder Mannschaft sofort Abwehrchef wurde", sagte sein Freund Balakow einmal über ihn. Iwanow konnte alles, außer sprinten. Aber wer mochte ihm das verdenken. Er war stets der obeinigste von allen auf dem Platz.

Im Viertelfinale in New York verpassten die Bulgaren der DFB-Elf 1994 eine der schallendsten Watschen ihrer WM-Geschichte. Die amtierenden Weltmeister waren durch einen Foulelfmeter von Lothar Matthäus in Führung gegangen. Stoitschkow hatte in der 76. Minute für den Ausgleich gesorgt, nur zwei Minuten später stieg der von den Verteidigern allein gelassene Letschkow zum Kopfball. Das Bild vom "Mismatch", wie der arme Thomas Häßler am Bulgaren hängt und vergeblich versucht, ihn am Köpfeln zu hindern, ging um die Welt und verfolgte den Deutschen jahrelang. Bulgarien gewann 2:1, verlor dann etwas unglücklich gegen Italien und wurde am Ende Vierter.

Iwanow, der damals bei Xamax Neuchâtel in der Schweiz spielte, wechselte 1996 zu Rapid Wien. "Nur" nach Österreich. Sein Dickkopf und seine Lust am Dagegen-Sein verwehrten ihm eine größere Vereinskarriere. Dazu kam, dass bei Iwanow die Zigarette davor zur Spielvorbereitung gehörte und jene danach zum Runterkommen obligatorisch war. Meistens zog der das Spielen dem Trainieren vor. Am besten spielte er, wenn es wirklich um was ging.

"In Österreich lernte ich, Bier zu trinken", verriet er in einem Interview anlässlich seines 50. Geburtstags im Juli 2015 dem Magazin 11Freunde. Davor trank er nur Wasser, Kaffee und Whiskey, aber "nie Wodka".

Seine letzten drei Jahre als Profi verbrachte er von 1999 bis 2001 beim drittklassigen Florisdorfer AC, danach ging er zurück nach Bulgarien, versuchte sich kurze Zeit als Bankbesitzer, baute eine kleine Tankstellenkette auf und gründete vier Firmen, die Öl verkauften. Vier! Seit 2014 arbeitete er zudem für den bulgarischen Fußballverband.

Am 20. Mai 2016 sollte er in Sofia zusammen mit Lothar Matthäus, Gianfranco Zola und anderen beim Benefizspiel anlässlich des 50. Geburtstags von Hristo Stoitschkow spielen. Dazu wird es nicht mehr kommen.

Trifon Iwanow ist am Samstag an den Folgen eines Herzinfarkts verstorben. Er wurde nur 50 Jahre alt.

© SZ Digital von 14.2.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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