US-Vorwahl:Wieso "Jeb!" Bush nie eine Chance hatte

Der Präsidentensohn und -bruder gibt auf. Jeb Bush hat die Wut der Amerikaner auf das Establishment völlig unterschätzt - und die Herausforderungen eines digitalen Wahlkampfes.

Analyse von Matthias Kolb, Charleston (South Carolina)

Als John Ellis Bush, genannt Jeb, das letzte Mal eine Wahl gewann, war Mark Zuckerberg ein unbekannter Student an der Harvard-Universität. Facebook existierte nicht, als Bush im November 2002 als Gouverneur in Florida wiedergewählt wurde. Und als er sich vier Jahre später ins Privatleben zurückzog, wurde der Kurznachrichtendienst Twitter so langsam populär und das iPhone war noch nicht vorgestellt.

Jetzt ist Jeb Bush aus dem Rennen der Republikaner um die Präsidentschaftskandidatur ausgeschieden. Während seines gesamten Wahlkampfes wirkte er wie ein Mann aus der Vergangenheit. Er sah es als seine Pflicht an, sich nach seinem Vater und seinem Bruder fürs Weiße Haus zu bewerben, weil er die USA in einer Krise wähnt. Doch der 62-Jährige passt nicht in eine hyperaufgeregte Zeit, in der ein Tweet oder ein Handy-Video innerhalb von Minuten die politische Diskussion verändert.

Weder er noch sein Team waren in der Lage, in solchen Situationen schnell zu reagieren, die Marke "Jeb 2016" gut zu präsentieren oder einfachste Patzer zu vermeiden. Wer "Jebbush.com" in einen Internet-Browser eintippt, wird auf Websites umgeleitet, die ein Fan von Donald Trump auswählt: Keiner der hochbezahlten Bush-Berater hatte jemals die Domain gesichert.

Keine Chance gegen die glänzenden Rhetoriker Rubio, Cruz und Christie

Bushs Wahlkampagne, die er nun nach einem vierten Platz in South Carolina beendet hat, war von Fehlern durchzogen. Und sie begann mit falschen Annahmen: Jebs Strategen hatten ignoriert, wie wütend viele US-Amerikaner auf die Eliten sind - und daher nichts weniger wollten als den dritten Bush in 28 Jahren. Sie gingen davon aus, dass es Marco Rubio nicht wagen würde, gegen seinen Förderer anzutreten, und sie dachten, dass Jebs Erfahrung als Gouverneur und sein seriöser Stil gut ankommen würden.

Es kam ganz anders. Jeb Bush wirkte nicht nur neben dem Entertainer Donald Trump steif und hölzern, sondern auch neben den glänzenden Rhetorikern Rubio, Ted Cruz oder Chris Christie. Während diese in den TV-Debatten Sprüche zum Besten gaben, die sich via Twitter, Facebook und Youtube verbreiten ließen, verhaspelte sich Bush ständig. Erst Anfang 2016 erweckte er nicht mehr den Eindruck, von der Bühne laufen zu wollen, wenn sich die Republikaner zum Rededuell trafen.

Doch da hatte sich das Verlierer-Image längst festgesetzt - und Bush hatte sich mit loyalen Vertrauten aus seiner Gouverneurs-Zeit umgeben, die Kritik als Majestätsbeleidigung ansehen, wie Politico berichtet. Also hielten sie am Plan fest. Bush, der mit einer Mexikanerin verheiratet ist und fließend spanisch spricht, legte detaillierte Positionspapiere vor und beobachtete staunend, wie Trump sich mit Beleidigungen gegenüber Latinos und frechen Witzen ("Jeb hat keine Energie") an die Spitze der Umfragen setze.

Auf erwartbare Fragen nicht vorbereitet

Die Entscheidung, auf alle Plakate nur "Jeb!" zu drucken, mutete komisch an, da jeder seine Herkunft kennt. Zugleich war er auf erwartbare Fragen nicht vorbereitet: etwa wie er zur Entscheidung seines Präsidentenbruders stehe, in den Irak einmarschiert zu sein. Erst nach Tagen fand er die Formel, dass er nach allem, was man heute wisse, "den Krieg nicht gebilligt" hätte: "Und George W. Bush auch nicht."

Als Jeb Ende 2014 als erster Bewerber seine Ansprüche geltend machte, erwies sich der Nachname Bush als Vorteil: Dank des riesigen Spender-Netzwerks in Texas und dem Rest der USA hatte der Jeb-Wahlverein "Right to Rise" schnell mehr als 100 Millionen Dollar in der Kasse - genug um auch Mitt Romney einzuschüchtern. Doch spätestens im Sommer 2015 war die Marke Bush ein Nachteil, gegen den Jeb nicht ankam - und den er auch nicht so akzeptieren wollte. "Ich bin stolz darauf, dass ich der Sohn von Barbara Bush bin", sagte er oft und pries seinen Vater als einen der größten lebenden Amerikaner.

"Die Republikaner sind der Familie Bush ziemlich überdrüssig"

Dass es ausgerechnet in South Carolina, wo sein Vater 1988 und sein Bruder 2000 wichtige Siege errungen hatten, trotz Hilfe von Mutter Barbara und George W. Bush nicht für mehr als Platz vier reichte, dürfte ein Schock für Jeb gewesen sein - und ihm gezeigt haben, dass er keine Siegchancen mehr hat. Obwohl sein Bruder sehr populär ist und beim Wahlkampfauftritt bejubelt wurde, schadeten Donald Trump dessen Attacken auf den Ex-Präsidenten nicht im Geringsten ("er war für 9/11 verantwortlich").

Wem Jebs Rückzug nutzen könnte

"Die Leute hier mögen seinen Vater und seinen Bruder. Aber die Republikaner sind der Familie Bush ziemlich überdrüssig", sagte der Politologe Scott Buchanan von der Militärakademie The Citadel in Charleston kurz vor der Abstimmung.

Jeb Bush ends White House bid

Er sei "stolz" auf das Erreichte, sagte Jeb Bush zum Abschied.

(Foto: AFP)

In seiner Abschiedsrede war Jeb Bush den Tränen nah und betonte, dass er "stolz" auf das Erreichte sei. Bisher ist nicht bekannt, ob er einen anderen Bewerber unterstützen wird. Dies dürften weder Intimfeind Donald Trump noch der ultrakonservative Ted Cruz sein, sondern eher Ohios Gouverneur John Kasich oder Jebs einstiger Ziehsohn Marco Rubio. Experten erwarten, dass dieser viele der reichen Bush-Spender für sich gewinnen wird - offen ist, wie tief die Wunden sitzen, die der junge Senator aus Florida seinem Förderer zugefügt hat.

Womöglich hätte sich der dreifache Vater Jeb Bush viel Frust erspart, wenn er vor Jahren auf seine Mutter, die ehemalige First Lady, gehört hätte. Diese hatte 2013 in einem Interview gesagt, dass Jeb natürlich "bestens geeignet" fürs Präsidentenamt wäre. Aber sie sei trotzdem gegen eine Kandidatur: "Dieses Land ist großartig, mit vielen tollen Familien. Es gibt genug Leute, die sehr qualifiziert sind. Wir hatten genug Bushes." Im Sommer 2015 distanzierte sie sich zwar von dieser Aussage, aber die heute 90-Jährige hat die Stimmung wohl besser eingeschätzt als die vielen hochbezahlten Berater ihres Sohnes.

Der nächste Bush schickt sich an

Der Rückzug von Jeb bedeutet jedoch längst nicht das Ende dieser Polit-Dynastie: George P. Bush, der älteste Sohn von Jeb, macht bereits in Texas als Land Commissioner Karriere und gilt als Posterboy für eine neue Republikaner-Generation, die fließend spanisch spricht und etwas weltoffen ist. Je länger er wartet, umso besser sind seine Chancen auf höchste Ämter.

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