Plus 2015:Höchster Haushaltsüberschuss seit der Wende

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SZ-Grafik

Deutschland erzielt ein Plus von 19,4 Milliarden Euro.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

So viel überschüssiges Geld in der Kasse hatte Deutschland seit der Wiedervereinigung vor 26 Jahren nicht mehr. Etwa 19,4 Milliarden Euro verblieben nach Abzug aller Ausgaben bei Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen, teilte das Statistische Bundesamt am Dienstag mit. "Das ist absolut gesehen der höchste Überschuss, den der Staat seit der deutschen Wiedervereinigung erzielt." Er fiel mehr als doppelt so hoch aus wie im Jahr 2014. Das meiste überschüssige Geld verbuchte allerdings der Bund mit 10,3 Milliarden Euro. Mit weitem Abstand folgten Sozialversicherungen, Gemeinden und Länder.

Die aktualisierten Zahlen von diesem Dienstag liegen deutlich über der Schätzung vom Januar, als die Statistiker den Finanzierungsüberschuss auf 16,5 Milliarden Euro geschätzt hatten. Der Rekordüberschuss basiert auf der anhaltend guten Konjunktur mit sehr hoher Beschäftigung und auf steigenden Löhnen, die wiederum steigende Einnahmen bei Steuern und Beiträgen nach sich ziehen. In laufenden Jahr setzen sich die Rekordeinnahmen bisher fort. Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums nahm der Fiskus im Januar 44,8 Milliarden Euro ein und damit 3,7 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Zugleich warnen die Beamten, zu glauben, dass sich dieser Trend ungebremst fortsetzt. Wegen zahlreicher Sondereffekte lasse sich das Januar-Ergebnis nicht für das gesamte Jahr 2016 hochrechnen.

Schäuble weiß schon genau, wie er die Milliarden ausgibt: für Flüchtlinge

Steuerschätzer sehen die Lage ebenso. Sie rechnen nicht damit, dass der Finanzierungsüberschuss im laufenden Jahr ähnlich hoch ausfallen könnte wie 2015. Die schwer kalkulierbaren Ausgaben zur Bewältigung der Flüchtlingskrise, Turbulenzen an den Finanzmärkten, die Senkung der Einkommenssteuer und steigende Gesundheitsausgaben könnten dazu führen, dass der Bundeshaushalt statt eines Überschusses gerade noch eine schwarze Null ausweisen werde, heißt es in Schätzerkreisen.

Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht trotz des Rekordüberschusses 2015 keinen Spielraum, um zusätzliche Ausgabenwünsche zu erfüllen. Er hat die Überschüsse in eine Rücklage überführt, aus der er die zusätzlichen Kosten für Asylverfahren und Integration der Flüchtlinge in Deutschland, europäische Zusatzkosten zur Grenzsicherung und für Auffanglager sowie Mehrausgaben bei internationalen Flüchtlingshilfe bezahlen will.

Schäuble plant für 2016 mit einem ausgeglichenen Haushalt. Einem Entwurf der Haushaltsplanung für 2017 zufolge will er zudem auch im Wahljahr ohne neue Schulden auskommen. Damit das gelingt, sollen die Ministerien ihre Ausgabenwünsche weitgehend den Flüchtlingskosten unterordnen. Die Bewältigung des Flüchtlingsansturms sei prioritär sagte Schäuble bereits mehrmals im Bundestag. Gegenwärtig verhandelt der Bundesfinanzminister mit den Ressortkollegen um deren Etats für das kommende Jahr. Mit zusätzlichem Geld können das Arbeitsministerium, Inneres, Entwicklungshilfe sowie die Bundesländer rechnen. Der Haushaltsplan 2017 soll im März vom Bundeskabinett verabschiedet werden.

Die Angaben aus Wiesbaden beruhen auf einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, die in allen 28 europäischen Ländern durchgeführt wird, um die nationalen Haushalte vergleichbar zu machen und überwachen zu können. Aus dem deutschen Finanzierungsüberschuss des Jahres 2015 ergibt sich bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt eine Maastricht-Quote von 0,6 Prozent. Damit hält die Bundesrepublik zumindest das eine der beiden Kriterien aus dem europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt sicher ein. Der Pakt erlaubt Euro-Ländern eine jährliche Neuverschuldung von unter drei Prozent, bezogen auf das Bruttosozialprodukt. Vorgeschrieben ist zudem eine maximale Gesamtschuldenquote von 60 Prozent. Wie die meisten Euro-Länder erfüllt auch Deutschland diese Quote seit der Finanzkrise 2008 nicht mehr - die deutsche Quote liegt derzeit bei etwa 71 Prozent, die der Euro-Länder insgesamt bei durchschnittlich 93 Prozent.

Dass die Haushaltszahlen aus dem Bundesfinanzminister von denen des Statistischen Bundesamtes abweichen, liegt an der Umrechnung auf volkswirtschaftliche Kriterien. Das Finanzministerium macht eine reine Kassenrechnung. Die Beamten rechnen also eine Ausgabe, wenn das Geld tatsächlich gebucht wird und damit gewissermaßen die Kasse verlässt. Die Statistiker buchen die Ausgaben dagegen nach Baufortschritt oder Nutzungsdauer. Sie rechnen zudem einmalige Einnahmen aus der Gesamtbilanz heraus, etwa aus dem Verkauf von Tafelsilber wie Bundesbeteiligungen. Herausgerechnet werden zudem Darlehen oder Tilgungen. Auch bei der Buchung von Steuern gibt es Unterschiede. Wird beispielsweise der Staat per Gericht zu Nachzahlungen verurteilt, dann bucht das Bundesfinanzministerium das Geld erst als Ausgabe, wenn es tatsächlich abfließt. Bei der Berechnung des strukturellen Saldos dagegen wird die Ausgabe sofort gebucht, wenn das Urteil gesprochen ist.

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