"Tatort"-Kolumne:Kölner "Tatort"? Eher Bonnie & Clyde vom Rhein

Tatort WDR Kartenhaus Köln

Adrian und Laura, eine schön gezeichnete Beziehung: Junger Mann mit vielen Problemen trifft auf eine junge Frau ohne Probleme, aber mit viel Fantasie.

(Foto: WDR)

In "Kartenhaus" rasseln Adrian und Laura langsam dem Abgrund entgegen - und mit ihnen der Zuschauer. Viel mehr wird ihm aber nicht zugetraut.

TV-Kritik von Katharina Riehl

Der Tatort ist in den vergangenen Jahren von einer größeren Erneuerungswelle heimgesucht worden, Ermittlerteams wurden in einer Frequenz verpflichtet und entlassen wie sonst nur Chefredakteure beim Focus.

Wenn sich ein altes Team halten konnte, bekam es zumindest einen neuen Assistenten verpasst: In München gibt es seit einiger Zeit den schon arg niedlichen Polizisten Kalli, in Ludwigshafen die ultrazickige Johanna Stern, und in Köln verdanken die beiden Currywurst-Bären Schenk und Ballauf ihrem Kollegen Tobias (Patrick Abozen) eine große, futuristisch leuchtende Zauberwand im Büro, auf der man Ermittlungsergebnisse mit dem Finger hin- und her- wischen kann.

Tobias, die Kölner Jugend-Infusion, wird am Ende dieses Falls seinen ersten außendienstlichen Auftritt haben, in einer Hochhaussiedlung, die so trostlos ist, dass es dort auch für den tapfersten Jungermittler wenig zu retten gibt. Adrian (Rick Okon) lebt in dieser schäbigen Gegend, mit seiner kranken Mutter und der traurigen Erinnerung an den Rest seiner kleinen Familie. In der ersten Szene von "Kartenhaus" (Buch: Jürgen Werner; Regie: Sebastian Ko) ersticht Adrian den Stiefvater seiner reichen Freundin Laura mit einem Küchenmesser.

Viele der besseren Tatort-Episoden, zum Beispiel jene mit dem Kieler Ermittler Borowski, verzichten auf das Abklappern falscher Verdächtiger auf der Suche nach dem wahren Täter. Adrian hinterlässt ausreichend Fingerabdrücke auf dem blutigen Messer, Zuschauer und Kommissare wissen von Beginn an, nach wem gesucht wird: nach Adrian und Laura. Nach Bonnie & Clyde vom Rhein.

Die Mitwisserschaft hat auch hier dramaturgischen Charme, man rasselt als Zuschauer mit den beiden schön langsam dem Abgrund entgegen. Und Ballauf und Schenk müssen kein einziges Mal an der Wurstbude Halt machen, um auf Eingebung hoffend in den Fluss zu blicken.

Die Beziehung von Adrian und Laura ist streckenweise schön gezeichnet: Ein junger Mann mit sehr vielen Problemen trifft auf eine junge Frau ohne Probleme, aber mit viel Fantasie, anderen Menschen welche zu bereiten. Oder, wie es die beiden Kölner Herren für ihr intellektuell ja niemals zu überschätzendes Publikum noch einmal zusammenfassen: "Sie lügt, er träumt. Gefährliche Mischung."

Auch sonst wäre dieser Tatort ein besserer Film, wenn er dem Zuschauer die ein oder andere Transferleistung zutrauen würde. Ganz besonders am Schluss, als es nichts mehr zu retten gibt.

ARD, Sonntag, 20.15 Uhr.

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