NPD-Verbotsverfahren:Verfassungsrichter zum NPD-Anwalt: "Das ist etwas dünn, finden Sie nicht?"

NPD-Verbotsverfahren: Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts im NPD-Verbotsverfahren.

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts im NPD-Verbotsverfahren.

(Foto: AFP)

Um das Verbotsverfahren zu Fall zu bringen, argumentiert der NPD-Verteidiger sogar, seine Strategie werde über Facebook ausgeforscht. Das Gericht zeigt sich wenig beeindruckt.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Als Peter Richter, Anwalt der NPD, mit der Verlesung seiner Anträge begann, nahm Andreas Voßkuhle erst einmal einen Schluck Wasser. Danach konnte sich der Präsident des Bundesverfassungsgerichts für eine Dreiviertelstunde zurücklehnen. Erstens, weil er sich einen für Karlsruher Verhältnisse ungewöhnlich langen Vortrag anhören musste. Zweitens, weil der "Knaller" ausgeblieben war.

Pünktlich um zehn Uhr hatte die Verhandlung über den Verbotsantrag des Bundesrats begonnen, ein Verfahren, dessen besondere Bedeutung sich schon wegen der langen Schlangen vor der außergewöhnlich akribischen Sicherheitskontrolle erahnen ließ. Und der "Knaller", von dem der NPD-Anwalt vorher so vielsagend raunend gesprochen hatte: Das wäre beispielsweise ein noch aktiver V-Mann in der NPD-Führungsebene gewesen. Oder ein Nachweis, dass irgendein Beleg aus dem Verbotsmaterial des Bundesrats doch kontaminiert gewesen wäre.

Stattdessen versuchte der Junganwalt der Rechtsextremisten das, was man von Strafverteidigern kennt, die erst einmal Sand ins Getriebe streuen wollen: Er stellte zwei Befangenheitsanträge und rügte die Besetzung des Zweiten Senats - weil die Hälfte der Richter nicht, wie im Grundgesetz vorgesehen, "vom Bundestage" gewählt sei, sondern lediglich von einem Wahlausschuss.

Richter trifft einen empfindlichen Punkt

Erfolg versprechend war beides nicht, auch wenn die Karlsruher Richter bis zur jüngsten Reform tatsächlich - abweichend vom Wortlaut der Verfassung - nur von einem Gremium gewählt wurden. Beim Thema Befangenheit traf die NPD aber einen empfindlichen Punkt. Peter Müller, im Zweiten Senat Berichterstatter für das Verbotsverfahren, hatte zu seiner Zeit als saarländischer Ministerpräsident Folgendes zu Protokoll gegeben: "Es ist unstreitig, dass die NPD verfassungsfeindliche Ziele verfolgt und rassistische Inhalte vertritt. Das Gedankengut der NPD finde ich ekelerregend." Er hatte damals dennoch gegen einen Verbotsantrag gestimmt.

Und Peter Huber, seinerzeit Innenminister Thüringens, hatte sich 2010 für ein Verbot der NPD starkgemacht, eine Anti-NPD-Broschüre mitverantwortet und dafür plädiert, ihr wenigstens die Parteienfinanzierung zu entziehen. Nach der Rechtsprechung des Gerichts begründet das noch keine Befangenheit - eine politische Äußerung allein reicht dafür nicht aus. Allerdings sind die Maßstäbe des Gerichts hier schon immer äußerst großzügig gewesen. Jedenfalls schien der NPD danach das Pulver für ihren "Knaller" bereits ausgegangen zu sein.

"Teilen Sie ihre Prozessstrategie auf Facebook mit?"

Richter, ein redegewandter junger Mann, versuchte sich stattdessen mit einer eher zähen Strategie. Er säte Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Verbotsantrags des "hochgradig belasteten Antragstellers", wo er nur konnte - ein naheliegender Versuch, aus dem Scheitern des ersten Verbotsantrags im Jahr 2003 Honig zu saugen.

Damals war es die mangelnde "Staatsfreiheit" der NPD-Vorstände, die noch während des Verfahrens von V-Leuten durchsetzt waren. Dieses Mal hat der Bundesrat - soweit ersichtlich - alles versucht, um eine Wiederholung des Desasters auszuschließen. Richter freilich zog die vorgelegten "Testate" der Behörden zur Abschaltung der V-Leute in Zweifel, fragte nach eingeschleusten Spitzeln und V-Leuten im Umfeld von NPD-Funktionären, insinuierte, er selbst werde womöglich überwacht, um die Prozessstrategie auszuforschen - ein Verfassungsschützer habe ihn auf Facebook in die Freundesliste aufgenommen.

Dass er damit das Verfahren wohl kaum zu Fall bringen dürfte, ließ sich an den Nachfragen von Peter Müller ablesen. Der Bundesrat habe umfängliche Testate von Behördenleitern und Staatssekretären vorgelegt. "Und jetzt kommen Sie und sagen, ich glaub' das nicht. Das ist etwas dünn, finden Sie nicht?" Auch die vorgebliche Überwachung auf Facebook beeindruckte Müller nicht sonderlich: "Teilen Sie Ihre Prozessstrategie auf Facebook mit?"

So sprach zunächst wenig dafür, dass es der NPD gelingen werde, den Prozess wie 2003 bereits durch ein Verfahrenshindernis abzubiegen. Richter konnte zwar noch von einer zeitweiligen polizeilichen Observation zweier weiblicher Mitglieder des NPD-Vorstandes in Nordrhein-Westfalen im Sommer 2015 berichten - die freilich die Polizei selbst offengelegt hatte. Dass das Verfahren daran scheitert, ist kaum anzunehmen.

Eine längere Verzögerung könnte das Gericht in Schwierigkeiten bringen

Die NPD wird nicht allein auf die V-Leute setzen - auch das war am ersten Verhandlungstag erkennbar. Zum einen versuchte Richter, den Vorstoß des Bundesrats in ein fragwürdiges Licht zu rücken. Es sei doch sehr merkwürdig, dass die Partei ausgerechnet in dem Moment verboten werden solle, "in dem eine Entwicklung eintritt, vor der die NPD seit 50 Jahren warnt", sagte er und meinte natürlich die Flüchtlingskrise. Die Parteien missbrauchten das Verfahren für politische Zwecke.

Zweitens will Richter Zeit gewinnen. Bisher hat er sich inhaltlich zur Frage des Parteiverbots nicht geäußert - nun beantragte er eine weitere Frist von drei Monaten, sollte das Verfahren nicht eingestellt werden. Dahinter mag das Bestreben stecken, den Publizitätseffekt des Prozesses zu nutzen. Eine längere Verzögerung könnte aber auch das Gericht in Bedrängnis bringen, weil der Richter Herbert Landau im April die Altersgrenze erreicht. Immerhin: Eine Verlängerung wäre möglich. Denn würde er vorzeitig ausscheiden, dann würde bereits das Nein zweier Richter für eine Ablehnung des Verbots ausreichen.

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