US-Wahlkampf:Handels-Krieger

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Sanders und Trump haben eines gemeinsam: Sie wollen eine ganz neue Wirtschaftspolitik. Ihre Angriffe auf internationale Abkommen und China kommen gut an.

Von Nicolas Richter, Washington

Auf diesen Erfolg war Bernie Sanders nicht vorbereitet: Im Industriestaat Michigan hatten ihn die Umfragen weit hinter seiner Rivalin Hillary Clinton gesehen, doch am Dienstagabend stand er plötzlich als Gewinner der demokratischen Vorwahl fest und musste kurzfristig eine Siegesrede halten. Mangels einer besseren Kulisse stand der 74-Jährige dann vor einem Bretterzaun, an den jemand in aller Eile ein paar Wahlplakate geheftet hatte. Es sah amateurhaft aus, passte aber auch zur Botschaft des "demokratischen Sozialisten" Sanders, der sich als bodenständiger Anwalt der Kleinen sieht im Kampf gegen eine "manipulierte Wirtschaft", die nur den Großen dient. Sanders hatte in Michigan auch in abgelegensten Orten die "desaströsen Handelsabkommen" gerügt, die von US-Konzernen "diktiert" würden und in dieser Industrieregion so viele Arbeitsplätze vernichtet hätten.

Aber Sanders war nicht der einzige siegreiche Fürsprecher der kleinen Leute. Andernorts zeigte sich am gleichen Abend der Gewinner der republikanischen Vorwahl in Michigan: Der Großunternehmer Donald Trump. Natürlich war dessen Auftritt so bombastisch, wie der von Sanders bescheiden war: Trump präsentierte nebenbei seine Produktpalette, von Trump-Wein bis zu fein gemaserten Trump-Steaks, als preise er die Auslage eines besseren Metzgers an. Auch Trump hatte in Michigan gewonnen, weil er auf die größten Sorgen der Arbeiterschicht eingegangen war, den Frust über sinkende Löhne und die Angst vor Arbeitslosigkeit.

Der Außenhandel bringe die USA um, findet Donald Trump

So sehr sich Sanders und Trump unterscheiden, in dieser Frage ist ihre Botschaft identisch: Amerika braucht mehr Protektionismus, weil der Außenhandel das Land "umbringt", wie Trump sagt. Natürlich, es gibt Nuancen: Sanders stellt es so dar, dass US-Konzerne die Regeln diktieren, während Trump betont, wie rücksichtslos globale Exporteure wie Mexiko, China und Japan seien und wie Washingtons unfähige Politiker sich dies gefallen ließen. Das Ergebnis jedenfalls ist gleich: Aus beider Sicht ist Handel gleichbedeutend mit Wandel zum Schlechteren, und nirgendwo kommt diese Botschaft so gut an wie im industriellen Nordosten der USA, wo man einen sehr deutlichen Verlierer ausgemacht hat im globalen Export- und Import-Geschäft - den amerikanischen Arbeiter.

Bernie Sanders hält das Rennen gegen Hillary Clinton länger offen als erwartet - zur Freude seiner Anhänger. (Foto: Andrew Harrer/Bloomberg)

Der Linkspopulist Sanders und der Rechtspopulist Trump grenzen sich dabei deutlich von der Haltung ihrer eigenen Partei ab. Sanders rügt die Handelspolitik von Präsident Barack Obama und natürlich vor allem seine Rivalin Hillary Clinton, weil sie einst als Außenministerin für die Transpazifische Partnerschaft TPP geworben hat; noch 2012 nannte sie es den "Goldstandard" unter den Handelsabkommen. Inzwischen lehnt Clinton TPP ab, und natürlich wirft ihr Sanders vor, dass der Sinneswandel allein mit dem Wahlkampf zu tun habe. Trump wiederum gilt als erster republikanischer Kandidat seit Jahrzehnten, der für neue Zölle plädiert, er ist so gesehen der Außenseiter in einer Partei, die es prinzipiell ablehnt, dass der Staat der Wirtschaft irgendwelche Grenzen setzt.

Kein Exporteur empört Trump so sehr wie China. Tatsächlich lag das US-Handelsdefizit mit China im vergangenen Jahr bei 360 Milliarden Dollar. Dies entspreche "dem größten Diebstahl der Weltgeschichte", sagt Trump, insbesondere deshalb, weil China ständig seine Währung abwerte, um billiger zu verkaufen, und weil es amerikanische Firmen generell schikaniere. "Das ist nicht freier Handel", sagt Trump, "sondern dummer Handel."

Sanders und Trump verlangen, dass amerikanische Konzerne ihre Produktion wieder zu Hause ansiedeln. "Wenn US-Firmen möchten, dass wir ihre Produkte kaufen, dann müssen sie diese Produkte in diesem Land herstellen, nicht in China oder anderen Niedriglohn-Ländern", heißt es in Sanders' Wahlprogramm. Trump prangert derweil Firmen an, die ins Ausland abwandern, etwa den Klimaanlagen-Hersteller Carrier, der 1400 Arbeitsplätze nach Mexiko verlagern will. Vor Kurzem sagte Trump, wie er als Präsident darauf reagieren würde: "Ich werde den Chef von Carrier anrufen und sagen: 'Ich hoffe, Sie genießen Ihr neues Gebäude, ich hoffe, Sie genießen Mexiko. Aber so läuft das jetzt: Für jedes Gerät, das Sie über die Grenze schicken, zahlen Sie 35 Prozent Steuer.'"

Kosten und Nutzen des amerikanischen Außenhandels sind umstritten. Zum einen besteht kein Zweifel daran, dass in den vergangenen Jahrzehnten Hunderttausende Fertigungs-Jobs verschwunden sind. Dies hat einerseits den "Rostgürtel" im Nordosten der USA nicht nur getroffen, sondern geradezu verwüstet. In Detroit stehen ganze Straßenzüge leer. Die benachbarte Stadt Flint, eine Geburtsstätte der US-Autoindustrie, ist heute so arm, dass sie aus Geldnot angefangen hat, mit dem Leitungswasser zu experimentieren; etliche Kinder haben Bleivergiftungen erlitten.

Zum anderen aber weisen die Befürworter des Freihandels darauf hin, dass gerade Amerikas Unterschicht von billigen Alltagsprodukten aus Asien oder Lateinamerika profitiert, weil vieles erschwinglicher geworden ist und somit Geld übrig bleibt, zum Beispiel für lokal erbrachte Dienstleistungen. Auch wirbt Obamas Regierung für ihr TPP-Abkommen mit dem Hinweis, dass die US-Wirtschaft enorme Vorteile aus dem Freihandel zieht, unter anderem die Landwirtschaft, spezialisierte Mittelstandsbetriebe und High-Tech-Konzerne.

Doch in Teilen der Bevölkerung hält sich großer Argwohn, sogar Zorn. Für Hillary Clinton könnte dies zum Problem werden, denn sie hat diese Stimmung unterschätzt. Während sie sich anfangs unbekümmert als Kandidatin für alle bezeichnete, auch für die "Erfolgreichen", lässt sie die Erfolgreichen jetzt lieber weg. Bereits in der kommenden Woche muss sie sich Vorwahlen in anderen Industriestaaten stellen, etwa in Ohio. Sanders könnte auch dort gewinnen. Wobei Sanders gar nicht ihre größte Herausforderung ist, denn sie gilt noch immer als Favoritin für die Nominierung ihrer Partei für die Präsidentschaftswahl. Spätestens im Herbst aber dürfte sie der Freihandel abermals einholen, vor allem wenn sie in der Hauptwahl gegen den Republikaner Trump antreten sollte. Er ist sehr beliebt unter den "blue collars", die einen Blaumann tragen (oder einen tragen würden, wenn sie eine Arbeit hätten). Trump dürfte Clinton dann nicht nur für den Pazifik-Vertrag TPP verantwortlich machen, sondern auch für das Freihandelsabkommen Nafta mit Mexiko und Kanada, das im Jahr 1993 ihr Ehemann Bill Clinton unterzeichnet hat, der damalige US-Präsident.

Trump kämpft allerdings mit seinem eigenen Glaubwürdigkeitsproblem. Er hat bisher nicht gesagt, wie er neue Zölle erheben würde, ohne einen Handelskrieg zu riskieren, der den US-Exportbranchen schaden und etliche Konsumgüter teurer machen würde. Auch lässt Trump etliche seiner Produkte selbst in China fertigen, weshalb sein Rivale Marco Rubio spottet, Trump führe "Handelskrieg gegen seine eigenen Krawatten und gegen seine eigenen Anzüge". Trump entgegnet darauf, dass er am besten geeignet sei, um die Handelsregeln zu ändern, von denen er bisher als Unternehmer profitiert hat. "Niemand", sagt er, "kennt das System so gut wie ich."

© SZ vom 12.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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