SXSW-Festival:Apple vs. FBI: Obama will Zugriff auf Smartphones in Ausnahmefällen

Inside The South By Southwest (SXSW) Interactive Festival

Barack Obama winkt nach seiner Rede beim SXSW-Festival in Austin dem Publikum zu.

(Foto: Bloomberg)

Die Nerds feiern den Präsidenten auf dem Technikfestival SXSW. Obama richtet im Kryptostreit eine deutliche Botschaft an die IT-Konzerne.

Von Matthias Kolb und Stefan Plöchinger, Austin

Einige hundert Meter lang ist die Schlange vor dem Long Center in Austin. Es sind vor allem junge Männer und Frauen, die Barack Obama bei SXSW, dem wichtigste Technik-Festival der Welt, sehen wollen. Als eine Ordnerin ruft: "Laptops are okay, everyone", ist die Erleichtung groß. Denn viele "South by Southwest"-Besucher haben einen Computer in der Tasche und nun müssen sie sich nicht zwischen dem US-Präsidenten und ihrem Gerät entscheiden.

Dass Obama als erster US-Präsident bei SXSW auftritt (und First Lady Michelle zur zeitgleich stattfindenden Beerdigung von Nancy Reagan schickt), überrascht nicht. In seiner Amtszeit haben Facebook und Twitter die Medienwelt revolutioniert, er wurde vor allem dank einer riesigen Datenbank und überlegener Technik-Infrastruktur wiedergewählt und er holte Google-Veteranen wie Jason Goldman als Chief Technology Officer ins Weiße Haus.

Obama, dessen Amtszeit noch zehn Monate dauert, hat keine Berührungsängste mit Popkultur und den Technik-Nerds. Er hat schon 2012 mit Talkshow-Moderator Jimmy Fallon "Slow Jam the News" gerappt (was Republikaner als unwürdig kritisierten, das war vor Kandidat Trump), er setzt sich mit Comedian Zach Galifianakis zwischen zwei Farne und gibt dem "What the Fuck"-Podcaster Marc Maron ein Interview.

Als der 44. US-Präsident die Bühne betritt, hält es keinen der 2100 Gäste in seinem Stuhl. Es wird gekreischt und gejubelt, als der Demokrat sagt, dass ihm "jede Ausrede" recht sei, um in das von ihm geliebte Austin zu reisen. Zur Eröffnung der "SXSW Interactive" hält Obama keine Rede mit Details und konkreten Vorschlägen - stattdessen unterhält er sich mit Evan Smith von der Texas Tribune über "das Potenzial von Technik, die Bürgerbeteiligung zu erhöhen".

Obama zur Tech-Industrie: Löst das Verschlüsselungsproblem jetzt

Was nach Sozialkunde-Unterricht klingt, entwickelt sich zur netten Plauderei, in der der charmante Obama kaum kritische Fragen beantworten muss. "Ich bin hierher gekommen, um euch anzuwerben. Wir können die neuen Plattformen und Ideen entwickeln, mit denen wir einige der großen Probleme lösen, vor denen wir Amerikaner heute stehen."

Der Demokrat äußert sich in Austin zum Streit zwischen FBI und Apple über das iPhone von San Bernardino-Attentäter Syed Rizwan Farook. Diesen konkreten Fall werde er nicht kommentieren, so Obama, doch die Technikunternehmen sollten einen Weg finden, "den Ermittlungsbehörden in einigen wenigen Fällen" zu helfen.

Sollte hingegen "jeder in seiner Ecke verharren" und die Tech-Gemeinde weiter am Gegensatz "entweder perfekte Verschlüsselung oder eine Welt wie bei Orwell und Big Brother" festhalten, dann könnte der US-Kongress irgendwann strengere und wenig durchdachte Gesetze verabschieden, mit denen niemand zufrieden sei - etwa nach einem Terroranschlag.

Mit den Tech-Firmen arbeite das Weiße Haus daran, die Dschihadisten der IS-Miliz daran zu hindern, mit sozialen Medien junge Leute zu verführen und neue Kämpfer zu rekrutieren. Das sollte die Regierung nicht allein tun ("das ist nicht unsere Expertise"), sondern vor allem die wichtigen Akteure der Privatwirtschaft zusammenbringen. Dieser Vorstoß läuft unter dem Schlagwort Countering Violent Extremism. Bürgerrechtsorganisationen kritisieren diese Initiaitive der US-Regierung und weisen darauf hin, dass diese Programme nicht dazu beitragen, Terrorismus zu reduzieren.

Selbstironisch gibt Obama zu, dass die Pannen rund um die Website healthcare.gov (Details hier) ziemlich peinlich gewesen seien und nur mithilfe von "Freunden aus dem Silicon Valley" gelöst worden seien. Trotzdem probiere seine Regierung alles, um durch Technik den Kontakt zwischen Behörden und Bürgern zu verbessern. So könne man nun Studentenkredite online beantragen oder den Einbürgerungsprozess ganz ohne Papier beginnen.

Hier hakt Moderator Evan Smith nach: "Wir sind hier in der Welt-Hauptstadt der Regierungshasser." Nicht nur konservative Texaner hielten die Behörden für dauer-überfordert und ineffizient. Obama beteuert, dass die Bemühungen nicht nachlassen dürfen: Die einzigen Interaktionen zwischen US-Bürgern und Staat sollten nicht nur der Scheck (wirklich, im innovativshungrigen Amerika werden noch Papierschecks verschickt!) an die Steuerbehörde IRS sein oder das lange Warten in der Führerschein- Zulassungsstelle seien - beides zutiefst unangenehme Erlebnisse.

Mit indirekter Kritik an den Republikanern hält sich Obama im Wahlkampfjahr 2016 nicht zurück: Es sei traurig, dass die USA "die einzige Demokratie" seien, die es den Bürgern erschwere, ihre Stimme abzugeben. Während etwa in Texas die Steuererklärung digital möglich sei, werde Technik nicht genutzt, um mehr Bürger zu registrieren. Es stimmt: Nirgends ist die Wahlbeteiligung niedriger als Texas, wo die Latinos bald die Mehrheit der Bevölkerung stellen werden.

Obama erinnert an sein "Yes we can"-Wahlkampfmotto

Er hoffe sehr, dass sich dank der neuen technischen Möglichkeiten mehr Bürger engagieren. Auch hier bringt Evan Smith die texanische Perspektive ein: "Müssen wir nicht zuerst dafür sorgen, dass alle Bürger Zugang zum Internet haben, bevor wir über die Möglichkeiten zur Beteiligung reden?" Erst kürzlich berichtete die New York Times über Schüler aus Texas, die spätabends im McDonalds sitzen, weil sie zuhause kein Internet haben - und die Hausaufgaben per Email an den Lehrer geschickt werden müssen.

Kein Problem werde gelöst, wenn die Menschen passiv auf dem Sofa sitzen und darauf warten würden, dass die Regierung eine Lösung finde, sagt Obama. "Als ich vor acht Jahren kandidiert habe, lautet meine Motto nicht 'Yes I can.' Es hieß 'Yes we can', weil sich alle einbringen sollen."

Und dann redet der Mann, der nach den Popstars Katy Perry, Justin Bieber und Taylor Swift die meisten Twitter-Follower hat, den anwesenden Nerds ins Gewissen: "Es sollte bei all der Technikbegeisterung nicht nur um the cool next thing gehen, sondern um Dinge wie die Bekämpfung des Klimawandels."

Die Charme-Offensive der Obamas geht übrigens weiter: Am Mittwoch wird mit Michelle Obama auch zum ersten Mal eine First Lady beim Musik-Teil des "South by Southwest"-Festivals auftreten.

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