Höchstes US-Gericht:Obama schlägt Merrick Garland für Supreme Court vor

Chief Judge Merrick B. Garland of the United States Court of Appeals for the D.C. Circuit is seen in an undated handout picture

Obamas Kandidat für den Supreme Court: Merrick B. Garland

(Foto: REUTERS)

Der US-Präsident wählt einen hochqualifizierten Konsens-Kandidaten für den vakanten Richterposten aus. Doch die Republikaner werden an ihrer Blockade festhalten.

Von Matthias Kolb, Austin

US-Präsident Barack Obama hat bekannt gegeben, dass er Merrick B. Garland als Kandidaten für den vakanten Richterposten im höchsten Gericht, dem Supreme Court, ernennt. Garland ist Chef des Berufungsgerichts in Washington, das als zweitwichtigstes Gericht in den USA sowie als Sprungbrett für den Supreme Court gilt. Der 63-Jährige galt bereits 2010 als heißer Favorit für die Nachfolge von John Paul Stevens, doch damals entschied sich Obama für Elena Kagan. Als Bundesanwalt war Garland in den Neunziger Jahren unter anderem für die Ermittlungen zum Unabomber und dem Terror-Anschlag in Oklahoma City zuständig.

Momentan ist im Supreme Court eine Richterposition unbesetzt, nachdem der langjährige Richter Antonin Scalia vor vier Wochen mit 78 Jahren im Amt gestorben ist. Obama hat laut Verfassung die Pflicht, einen Nachfolger vorzuschlagen. Das letzte Wort hat aber der Senat, der von den Republikanern dominiert wird. "Es ist das Recht des Präsidenten, jemanden für den Posten am Supreme Court zu nominieren. Und es ist das Recht des Senats, als Kontrollorgan des Präsidenten zu agieren und die Zustimmung zu verweigern", sagte der Fraktionschef der Republikaner im Senat, Mitch McConnell. Die Konservativen wollen eine Anhörung des von Obama vorgeschlagenen Bewerbers solange verhindern, bis am 8. November ein neuer Präsident gewählt ist und dieser im Januar 2017 sein Amt antritt. Scalia galt als Rechtsaußen in dem neunköpfigen Gremium.

Dass Garland, der in Chicago geboren und an der Harvard Law School ausgebildet wurde, für den Posten geeignet ist, zweifelt allerdings kaum jemand an. Bei seiner Wahl 1997 erhielt er auch viele Stimmen von konservativen Senatoren. Darunter sind laut Washington Post sieben Republikaner (etwa John McCain), die noch heute im Kongress sitzen. Das Weiße Haus wird in den kommenden Wochen die konservativen Abgeordneten mit früheren Lobpreisungen für Garland konfrontieren, um die Republikaner als Blockierer darzustellen, denen Parteitaktik wichtiger ist als die Verfassung. Mit Veranstaltungen im ganzen Land, einer ausgefeilten Social-Media-Strategie inklusive eigenem Twitter-Account soll diese Botschaft Millionen US-Wähler erreichen.

Republikaner wollen nicht über Obamas Kandidaten abstimmen

Obama erklärte, die Entscheidung sei eine der wichtigsten seiner Amtszeit, die er sich nicht leicht gemacht habe. Damit erfülle er seine verfassungsmäßige Pflicht. "Ich mache meinen Job. Ich hoffe, die Senatoren machen ebenfalls ihren Job und prüfen meinen Kandidaten zügig." Dies gilt jedoch als äußerst unwahrscheinlich, da sich die gesamte Parteispitze der Republikaner und alle Präsidentschaftskandidaten festgelegt haben, nicht über Obamas Kandidaten abzustimmen.

Die Entscheidungen des Supreme Court haben enorme politische Tragweite, weil in Washington seit Jahren politischer Stillstand herrscht. In den kommenden Monaten stehen Urteile zu den Themen Klimaschutz, Abtreibung, Schwangerschaftsverhütung und Einwanderung an, aber selbst wenn Garland sehr schnell bestätigt werden würde, könnte er keine Stimme abgeben. Wenn der Gerichtshof - wie im aktuellen Fall - nur acht Richter zählt, ist auch ein Patt von vier zu vier Stimmen möglich. In diesem Fall würde die vorausgegangene Entscheidung des jeweiligen niedrigeren Gerichts, dessen Urteil überprüft werden soll, bestätigt.

Die Richter des Supreme Court werden auf Lebenszeit berufen, somit kann Obama mit dieser Personalentscheidung die US-Politik auf Jahrzehnte beeinflussen. Da bald Wahlen stattfinden, verlangen die Republikaner, Obama solle die Nominierung seinem Nachfolger überlassen. Barack Obama, der einst Verfassungsrecht gelehrt hat, hält dies für wenig überzeugend.

Obamas Entscheidung dürfte liberale Aktivisten enttäuschen

Dass sich Obama für Merrick Garland entschieden hat, passt zu diesem US-Präsidenten. Jahrelang hat er versucht, mit den Republikanern Kompromisse zu finden - und Garland ist der Konsens-Kandidat par excellence. Die anderen Männer Paul Watford und Sri Srinavasan, die bis zuletzt gehandelt wurden, wären deutlich jünger (unter 50) und liberaler als Garland, sodass sie die Richtung des Gerichtshofes stärker nach links drehen könnten.

Srinavasan wäre zudem der erste Hindu und asiatischstämmige Amerikaner, der im höchsten Gericht Urteile fällt. Viele schwarze Aktivisten sind enttäuscht, dass keiner von Obamas drei Kandidaten Afroamerikaner ist. Allerdings ist es natürlich möglich, dass Watford oder Srinavasan von einer US-Präsidentin Hillary Clinton nominiert werden (die Supreme-Court-Richter Ginsburg und Breyer sind beide um die 80) - und es ist momentan unwahrscheinlich, dass Garland vom konservativen Senat bestätigt wird. Dies könnte höchstens zwischen der Wahl am 8. November 2016 und Obamas Abgang geschehen - wenn die Republikaner fürchten, dass Clinton nach einem Sieg einen Richter nominieren würde, der ihnen noch weniger passt.

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