Vorwahl der Republikaner:Ted Cruz - zu unsympathisch fürs Weiße Haus

Republican Presidential Candidate Ted Cruz suspends his campain

Ted Cruz nach den Vorwahlen in Indiana.

(Foto: dpa)

Der Texaner akzeptiert, dass er Trump nicht stoppen kann. Im irren Vorwahl-Jahr 2016 war Cruz der disziplinierteste Republikaner - doch Trumps "Lügner"-Attacken zeigten Wirkung.

Porträt von Matthias Kolb, Washington

Für Ted Cruz sind die vergangenen vier Wochen nicht gut gelaufen. Noch Anfang April gewann der texanische Senator die Vorwahl in Wisconsin und nährte die Hoffnung der #NeverTrump-Bewegung, Donald Trump doch noch irgendwie zu verhindern. Nach dessen Sieg in Indiana zieht Cruz nun die Konsequenzen und beendet seine Kandidatur. Damit ist klar: Wenn Donald Trump nicht vom Blitz getroffen wird, küren ihn die Republikaner Mitte Juli zum Präsidentschaftskandidaten.

Wer einzig die vergangenen Tage zum Maßstab nimmt, wundert sich womöglich, dass es Ted Cruz überhaupt so weit schaffen konnte. Seine Ergebnisse in New York und im Nordosten waren erbärmlich, dazu beschäftigte die Frage nach Cruz' Charakter den politischen Betrieb. Schon seit langem hat Donald Trump mit dem Gerede vom "lügenden Ted" (lyin' Ted) den Schwachpunkt des Senators entdeckt.

Zudem meldete sich John Boehner aus dem Ruhestand zurück, um den Parteifreund als "leibhaftigen Teufel" und "armseligen Hurensohn" zu bezeichnen. Die Internet-Theorie, dass der Texaner in Wahrheit der Zodiac-Killer ist, kommentierte der Satiriker Larry Gilmore genüsslich: "Das ist absurd: Es gab einige Leute, die diesen Massenmörder mochten." Das alles hinterlässt Spuren: Die Mehrheit der Republikaner denkt heute schlecht über Cruz.

Dass viele Amerikaner (Demokraten inklusive) Cruz für unsympathisch halten, wird nicht mal seine Ehefrau Heidi leugnen. Der Vater zweier Töchter strahlt selten Wärme aus, wirkt oft streberhaft und älter als 45. Doch lange Zeit war diese Unpopularität politisch wertvoll: Seit der an der Harvard Law School ausgebildete Jurist 2012 als Tea-Party-Held zum Senator gewählt wurde, kämpft der Texaner für die "reine konservative Lehre". Mitch McConnell, den mächtigsten Republikaner im Senat, nannte er "Lügner" und dass ihn Establishment-Politiker wie John McCain oder John Boehner, der Ex-Sprecher des Repräsentantenhauses, verachten, sieht Cruz als Ehre und Ritterschlag.

Ein guter Kämpfer - für sich selbst

Dies ist der erste Grund, wieso Cruz mehrere Vorwahlen gewinnen und zum schärfsten Trump-Rivalen aufsteigen konnte: In einer Zeit, in der sich viele konservative Amerikaner von den Republikanern verraten fühlen, war er für weite Teile der Basis ein glaubwürdiger Kämpfer gegen das Establishment. Gewiss: Als junger Wahlkampfhelfer von George W. Bush im Jahr 2000 war Cruz nicht so radikal-christlich wie heute. Doch im Vergleich zu Rubio oder Jeb Bush klingen seine Attacken auf das "Washingtoner Kartell" längst nicht so opportunistisch (dass ein Hardliner wie Cruz lange die beste Trump-Alternative war, illustriert die hemmungslose Wut vieler US-Bürger auf die Polit-Eliten).

Bei all dem Trump-Trubel ging in Europa fast unter, wie radikal Cruz' Positionen sind: Er will Steuern senken, die IRS-Steuerbehörde auflösen, Umweltschutz-Auflagen lockern, zum Goldstandard zurückkehren und das Atomabkommen mit Iran "in Stücke" reißen. Abtreibungen seien auch nach Vergewaltigungen tabu und am ersten Tag als Präsident würde er Obamas Gesundheitsreform abschaffen. Trumps Einwanderungsvorschläge kritisiert er scharf: Nicht wegen des geplanten Mauerbaus, sondern weil der Milliardär bereit ist, Millionen Latinos später legal einreisen zu lassen. Fazit: Rechts von Cruz ist kaum noch Platz.

Der zweite Grund, wieso der Texaner in einem Feld von 17 Bewerbern als last man standing neben Trump übrig blieb: Er ist ein enorm disziplinierter Wahlkämpfer. Der Texaner verkündete als Erster seine Kandidatur (viel Medienaufmerksamkeit), hatte die beste Organisation (basierend auf Unterstützung evangelikaler Christen), nutzte Daten am effizientesten und war - dank seiner Vergangenheit als Debattier-Star in Princeton - in den TV-Diskussionen schlagfertiger und weniger roboterhaft als der einstige Hoffnungsträger Rubio.

Die 140 Millionen Dollar Spenden, die Cruz gesammelt hat, konnte sein Team gut einsetzen - die enorme Summe zeigt auch, dass der Texaner bei den einflussreichen Milliardären gut ankommt. Cruz-Fans wie der konservative Talkradio-Moderator Steven Deace argumentieren, dass der Texaner Trump nicht schon früher kritisieren konnte, da er sich erst profilieren und eine "Position der Stärke" einnehmen musste. Mit Attacken auf Trump hatten es die (Ex-)Gouverneure Bush, Walker und Perry probiert - die Parteibasis bestrafte sie hart dafür.

Was Cruz falsch gemacht hat und was 2020 passieren könnte

Echte Fehler hat Cruz erst kürzlich gemacht: Er ließ sich Ende März auf einen absurden Streit mit Trump ein, in dem es um das Aussehen ihrer Ehefrauen ging; das "Anti-Trump-Bündnis" mit Ohios Gouverneur John Kasich kam viel zu spät - und beide hielten sich nicht wirklich daran.

Dass er ankündigte, die Geschäftsfrau Carly Fiorina zu seiner Vizepräsidentin zu machen, erfüllte das Ziel und brachte ihn in die Schlagzeilen zurück. Doch nur wenigen blieb verborgen, dass dies ein Akt der Verzweiflung war. Da Cruz' Charisma allerdings nicht ausreichte, um Trump-Jünger von sich zu überzeugen, nutzt es ihm auch nichts, dass in vielen Staaten ihm wohlgesonnene Delegierte nominiert wurden. Das hätte ihm beim Parteitag in Cleveland möglicherweise die entscheidenden Stimmen zur Mehrheit verschaffen können, wenn es dann dort ein knappes Ergebnis und mehrere Wahlgänge gegeben hätte. Aber zu einem chaotischen Parteitag ohne klaren Sieger wird es nun nicht kommen (Details hier): Die Republikaner entscheiden sich mit Trump für jenen Bewerber, der keinerlei politische Erfahrung hat.

Cruz 2020? Aber sicher!

Dass Ted Cruz seine Kandidatur jetzt aussetzt (dadurch bleiben die Delegierten an ihn gebunden), liegt wohl auch daran, dass er seine Familie schützen wollte. Noch am Vormittag hatte Trump Cruz' Vater Rafael mit der Ermordung John F. Kennedys in Verbindung gebracht - eine selbst für Trumps Verhältnisse völlig absurde Anschuldigung. Hätte Cruz bis zum 7. Juni, dem Tag der letzten primaries weitergemacht, dann wäre diese Schlammschlacht wohl weitergegangen und so entschied er sich, die Verwandten aus dem Rampenlicht zu nehmen.

Doch es wäre falsch, den Texaner zu unterschätzen. Nichts spricht dagegen, dass er 2018 als Senator wiedergewählt wird - und von dort aus wird er weiter an seiner Karriere basteln. Sein Team ist äußerst professionell, verfügt über wertvolle Datensätze und Kontakte zu Zehntausenden Aktivisten und Pastoren. 2020 wäre Cruz erst 49. Sein Held Ronald Reagan eroberte auch erst im zweiten Anlauf das Weiße Haus.

Und wenn Donald Trump am 8. November - wohl gegen Hillary Clinton - verlieren sollte, kann Cruz nicht ohne Berechtigung darauf verweisen, dass er am deutlichsten vor dem Milliardär gewarnt habe. Noch am Morgen vor der primary in Indiana behauptete er: "Immer wenn er den Mund öffnet, lügt Trump."

Sein Markenkern ist unbeschädigt

Cruz' Marke als "kompromissloser Konservativer" wird den Wahlkampf überleben, er hat seine Positionen nicht aufgeweicht, um gegen Trump bestehen zu können. Das dürften ihm viele in den konservativen Stiftungen und Radiostationen hoch anrechnen.

Außerdem gibt es weiterhin keinen Beweis, der jene Theorie widerlegt, die Ted Cruz und andere Hardliner seit Jahren vertreten: Demnach haben die Republikaner seit 2008 alle Präsidentschaftswahlen nur deswegen verloren, weil sie moderate Kandidaten nominiert hätten - und keinen echten gottesfürchtigen, konservativen Politiker wie eben Ted Cruz.

Sollte es 2020 gegen eine Präsidentin Hillary Clinton gehen, werden diese Argumente wieder häufiger hervorgekramt werden. Fraglich ist nur, ob es Ted Cruz bis dahin gelingt, dass ihn auch Leute mögen, die nicht zu seiner Familie gehören.

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