US-Wahl:Wie die Lewinsky-Affäre Hillary Clinton verfolgt

Donald Trump

Fans warten auf eine Veranstaltung mit Donald Trump.

(Foto: Matthias Kolb)

Bei Trump-Events zeigen Fans offen ihre Verachtung für Clinton und reißen geschmacklose Witze.

Von Matthias Kolb, Washington

Donald Trump weiß genau, was Frauen wollen. Zumindest behauptete er das im CNN-Interview, direkt nach dem Aus von Ted Cruz und seiner Kür zum Präsidentschaftskandidaten. "Frauen wollen Sicherheit, Frauen wollen ein starkes Militär. Sie wollen wissen, dass sie sicher sind in unserem Land", sagt der Republikaner auf die Frage, wie er seine extrem niedrigen Popularitätswerte unter Wählerinnen verbessern will.

Bisher haben 70 Prozent der Amerikanerinnen eine schlechte Meinung über Trump und seine abfälligen Aussagen über diverse Frauen ("fettes Schwein", "Bimbo", "Schlampe") sind gut dokumentiert. Dass der Milliardär seiner wahrscheinlichen Gegnerin Hillary Clinton vorhält, nur Erfolg zu haben, weil sie die "Frauen-Karte" spiele, dürfte dieses Image nur zementieren.

Jay Newtown-Small arbeitet für das Time Magazine und Trumps Äußerungen erinnern sie an den Wahlkampf 2004: "Trump will sich offenbar als eine Art Hyper-Macho präsentieren. Die Strategie erinnert an George W. Bush: Er führte 2004 einen Angst-Wahlkampf und warnte 'Ohne mich wird Amerika schwach sein und eure Kinder sind in Gefahr'. Das hat damals funktioniert und Trump treibt das jetzt auf die Spitze."

Die Journalistin hat in ihrem Buch "Broad Influence" beschrieben, welche Hürden Amerikanerinnen überwinden müssen, um in Politik und Wirtschaft erfolgreich zu sein - und auch Hillary Clinton interviewt. Dass Trump diese nun als "Zicke" beschreibt und ihr fehlende Ausdauer für das Präsidentenamt unterstellt, solle vor allem Zweifel an der Erfahrung der Ex-Außenministerin säen, vermutet Newtown-Small.

Trump nennt gern das libysche Bengasi, wo vier US-Amerikaner starben, als Beispiel: "Als sie nachts angerufen wurde, da hat sie geschlafen." Diese Sprüche waren während der Vorwahl, wo bei den Republikanern viele weiße Männer abstimmen, zweifellos erfolgreich - auch die eindeutigen TV-Werbeclips von "Stop Trump"-Gruppen konnten dem nicht entgegenwirken.

Offen sexistisch und stolz darauf

Wie verhasst Clinton bei Trump-Fans ist, wird bei allen Events deutlich. Während die Menschen oft stundenlang anstehen, bieten Dutzende Souvenir-Verkäufer ihre Waren an. Wer denkt, dass Clinton wegen ihrer E-Mail-Affäre Gesetze gebrochen hat, wählt für 20 Dollar ein "Hillary for Prison"-T-Shirt. Doch Mitte April in Poughkeepsie und Harrisburg brüllten die Verkäufer vor allem: "Trump that bitch".

Denn besonders beliebt ist ein T-Shirt, auf dessen Rücken "TRUMP THAT BITCH" steht und vorne neben Hillary Clintons Gesicht das von Monica Lewinsky zu sehen ist. Darunter steht: "Hillary sucks, but not like Monica." Lewinsky war bekanntlich jene Praktikantin, mit der Bill im Weißen Haus eine Sex-Affäre hatte. Trumps Berater haben bereits angekündigt, viel über dieses Thema reden zu wollen - sie unterstellen Clinton, die Seitensprünge ihres Manns nicht nur toleriert, sondern auch gedeckt zu haben.

Donald Trump

T-Shirts in der Auslage eines Verkäufers für Trump-Devotionalien.

(Foto: Matthias Kolb)

Als ausländischer Beobachter muss man doch schlucken, dass im sonst so prüden Amerika in der Öffentlichkeit solche Sprüche beklatscht werden. Und es sind bei weitem nicht nur Männer, die begeistert klatschen, wenn eine Verkäuferin ausruft, dass Clinton ihren Ehemann sexuell wohl nicht ausreichend befriedigt habe - und daher nicht als Präsidentin geeignet sei. "Hast du das gehört? 'If she can't please her husband, she can't please her country'", kichert eine Frau, bevor sie ihr Portemonnaie zückt, um einen entsprechenden Button für fünf Dollar zu kaufen.

Frauen haben Clintons Reaktion auf die Lewinsky-Affäre nicht verziehen

Die Autorin Joanne Bamberger verwundern diese Schilderungen nicht. Bamberger hat gerade ein Buch mit Essays über Hillary Clinton veröffentlicht - und bei der Recherche hat sie eines besonders schockiert: "Sehr viele Frauen, unabhängig von Alter oder Beruf, halten Hillary Clinton zwar für überaus qualifiziert. Aber sie können es ihr nicht verzeihen, dass sie ihren Mann Bill Clinton nicht nach dessen Affäre mit Monica Lewinsky verlassen hat."

Sollte Obamas erste Außenministerin die Wahl verlieren, dann hätte dies laut Bamberger einen Grund: "Viele Frauen werfen ihr noch immer vor, dass sie ihren Ehrgeiz über alles andere gestellt hat." Bamberger, die mit Jay Newtown-Small bei der New America Foundation über Sexismus in der US-Politik diskutierte, erinnert außerdem an Sprüche wie "Bügel mein Hemd", die Clinton 2008 als Kandidatin in den Vorwahlen zugerufen wurden.

Dass mittlerweile öfter über den allgegenwärtigen Sexismus geredet wird, liegt laut Newtown-Small daran, dass immer mehr junge Frauen über Politik berichten: So sind es auf dem Hillary beat vor allem Reporterinnen, die die Ex-Außenministerin auf Schritt und Tritt verfolgen. Sexismus ist kein ausschließliches Republikaner-Problem: Auch unter Demokraten und im angeblich ehrwürdigen Senat sind Macho-Sprüche üblich. "Wir nennen sie die heiße Senatorin", sagte etwa der demokratische Senator Harry Reid einmal über seine Parteifreundin Kirsten Gilliband.

Zurück zu Donald Trump: Bei der New America Foundation erinnert Betsy Woodruff von Daily Beast an einen weiteren Fall, in dem der Republikaner Frauen für seinen Wahlkampf instrumentalisierte. Den Bau einer Grenzmauer zu Mexiko begründet er seit Monaten auch damit, dass "unsere schönen Frauen" vor illegalen Einwanderern geschützt werden müssten. "Dies illustriert Trumps Hyper-Maskulinimus am besten", sagt Woodruff.

Trump bezieht sich vor allem auf den Fall von Kate Steinle, die in San Francisco von einem illegalen Einwanderer getötet wurde. "Er betont stets, wie schön Kate gewesen sei, als ob ihr Tod sonst nicht tragisch für ihre Familie wäre", sagt Woodruff. Dass der Bruder der getöteten Frau ihm vorwirft, den Fall zu "sensationalisieren", stört Trump nicht. Mit welcher Strategie er es schaffen will, trotz seiner Rhetorik die wahlentscheidende Gruppe der moderaten Wählerinnen, die zwischen Demokraten und Republikanern schwanken, zu gewinnen - das kann sich keine der Expertinnen vorstellen.

Warum Politikerinnen nicht schreien dürfen

Jay Newtown-Small weiß seit ihrer Buch-Recherche, dass Politikerinnen anders beurteilt werden als ihre männlichen Konkurrenten: "Wir wissen aus Studien, dass Wähler Frauen sympathisch finden müssen, um ihnen Kompetenz zuzuweisen." Als Abgeordnete seien Frauen mittlerweile akzeptiert, da ihre höheren sozialen Fähigkeiten hilfreich seien, so Newtown-Small: "Harte Entscheidungen, wie sie von Präsidenten oder Top-Managern erwartet werden, trauen viele Frauen nicht zu."

Im Vergleich mit Bernie Sanders, ihrem erstaunlich erfolgreichen Rivalen, habe Clinton Nachteile, sagt die Time-Journalistin: "Sanders schlägt tolle Dinge vor, aber von Frauen wird mehr Pragmatismus und Realitätssinn erwartet. Sie kommt dann rüber wie die strenge Mutter." Wenn Sanders oder Trump bei ihren Auftritten rufen oder gar brüllen, dann gilt dies als Zeichen ihrer Leidenschaft. "Bei Frauen wirkt das schnell schrill - das ist genau das Argument von Trump", sagt Newtown-Small.

Quasi an jedem Wahlabend machen sich konservative Journalisten darüber lustig, dass Hillary Clinton zu laut schreit oder nicht genug lächelt - dies wurde keinem männlichen Konkurrenten vorgehalten.

Unabhängig von den offenen sexistischen Attacken von Donald Trump und seinen Anhängern, die sicher noch zunehmen werden, gilt also: Tief im Unterbewusstsein existieren bei vielen Wählern sexistische Vorurteile, die Hillary Clinton weiterhin einschränken. Allerdings ist die Demokratin anders als 2008 sehr viel bereiter, offen für Frauen zu kämpfen. In ihrem Online-Shop verkauft sie eine "Woman Card" für fünf Dollar - damit hat ihr Wahlkampf-Team mehr als 2,5 Millionen Dollar eingenommen. Und fraglos wird sie die Wähler und Wählerinnen ständig an Trumps Spruch von der "Frauen-Karte" erinnern.

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