Deborah Feldman im Gespräch:Flucht von Brooklyn nach Berlin

Deborah Feldman

Mit 24 Jahren schrieb Deborah Feldman ihre Memoiren und begann ein neues Leben.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die jüdische Autorin Deborah Feldman erzählt, wie sie der religiösen Sekte ihrer Kindheit entkam. Und eine neue Heimat im verbotenen Deutschland fand.

Von Harald Hordych

Deborah Feldman ist eine junge Frau aus New York, die seit einiger Zeit in Berlin lebt. Klingt nicht sehr spektakulär. Viele junge Menschen aus allen erdenklichen Winkeln dieser Welt suchen derzeit Wohnraum und berufliche Erfüllung in der deutschen Hauptstadt. Und nicht wenige sind darunter, die in Brooklyn aufgewachsen und jüdischen Glaubens sind. Mit Deborah Feldman aber hat es eine besondere Bewandtnis. In dem Winkel der Welt, aus dem sie stammt, ist es strengstens verboten in Deutschland zu leben, egal ob in Berlin oder anderswo.

Deutschland ist überall ein Land des Teufels. Denn hier wurde der Holocaust geplant und durchgeführt, und deshalb ist jeder Deutsche bis zum heutigen Tag ein Nazi. So denken die ultra-orthodoxen Satmar-Juden. Sie sind der Überzeugung, der Holocaust "sei eine Strafe Gottes für die zu große Assimilierung der europäischen Juden. Sie wollen deshalb unter Ihresgleichen bleiben, sprechen nur Jiddisch, lehnen den Staat Israel ab und alle, die nicht nach ihren extrem strengen Regeln leben. Sie glauben, nur so ließe sich ein ähnliches Ereignis wie der Holocaust verhindern."

Romane, Studium und die Farbe Rot waren verboten

Deborah Feldman ist in dieser Sekte im New Yorker Stadtteil Williamsburg aufgewachsen. Und sie hat ein Buch über diese Zeit geschrieben. "Unorthodox" stand monatelang auf der Bestseller-Liste. Es ist die Geschichte ihrer beklemmenden Kindheit, Zwangsehe und Flucht. Es wird nun von einer israelischen Regisseurin verfilmt, die wie Feldman in Berlin lebt.

Ein normales Leben in Berlin? Deborah Feldman hätte nie gedacht, dass es überhaupt so etwas wie ein normales Leben für sie geben würde. In der Küche einer Berliner Altbauwohnung erzählt sie von einer Jugend, die strengsten Regeln unterworfen war. "Die Eltern meines Vaters", sagt sie, "haben meine Mutter quasi gekauft. Bei den Satmar-Juden muss jeder jung heiraten, am besten mit 17, 18 Jahren, auch geistig Behinderte. Es gibt eine Reihenfolge: Es heiratet immer das älteste der Geschwister, danach das zweitälteste und so weiter. Diese Regel wird nie gebrochen." Fünf jüngere Geschwister warteten darauf, dass für Deborahs geistig behinderten Vater endlich jemand gefunden wurde. Deborah wuchs in einer Gemeinschaft auf, in der die Farbe Rot verboten ist, weil sie die Farbe des Teufels ist, wo alle das Gleiche tragen, wo Romane lesen oder studieren verboten ist. Eine Scheidung bringt eine ganze Familie in Verruf.

Thorsten Schmitz hat Deborah Feldman, 29, für das Gesellschafts-Ressort interviewt. Sie erzählt, wie sie dieser Welt entkam, in die sie sich wie in ein Korsett gepresst fühlte. Wie sie Deutschland, das verbotene Land des Feindes, für sich entdeckte, in dem verblüffenderweise doch freundliche Menschen leben. Wie sie als Jüdin in Neukölln aufgenommen wurde. Wie Deutsche Menschen jüdischen Glaubens begegnen. Und wie es für sie ist, sagen zu müssen: "Zu meiner Familie habe ich keinen Kontakt. Ich gelte als Verräterin."

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