US-Wahl:Hillary Clinton offiziell zur US-Präsidentschaftskandidatin gekürt

Historischer Moment in Philadelphia: Mit den Demokraten hat erstmals eine der beiden großen amerikanischen Parteien eine Frau für das Weiße Haus nominiert.

Von Matthias Kolb, Philadelphia

Bei der "roll call" genannten Abstimmung verkündet jeder Staat, wie viele Delegierten die Kandidaten aufgrund der Vorwahlergebnisse erhalten. Das Verfahren erinnert ein wenig an den Eurovision Song Contest, weil die Sprecher die - mitunter skurrilen - Vorzüge ihrer Heimat in den höchsten Tönen loben. Die Stimmen, die für das Erreichen der notwendigen 2382 Delegierten notwendig waren, kamen schließlich aus South Carolina - die Staaten werden nach dem Alphabet aufgerufen.

Ihr Vorwahlgegner Bernie Sanders war in der Halle anwesend. Er unterstützt Clinton inzwischen. Sanders' Heimatstaat Vermont setzte zunächst aus, damit sich am Ende der Auszählung alle Augen auf die Delegation des Neuengland-Staates richteten. Unter lautem Jubel ergriff der 74-Jährige das Wort und beantragte offiziell, die ehemalige Außenministerin zu nominieren und per Akklamation zu küren.

Die Delegierten in der Halle stimmten mit donnerndem Klatschen zu - und erst jetzt erschien auf der Leinwand das digitale Feuerwerk. Mit einer ähnlichen Geste hatte Hillary Clinton 2008 die Nominierung ihres damaligen Rivalen Barack Obamas beantragt, um die parteiliche Geschlossenheit zu demonstrieren.

Ob es den Demokraten gelingt, das Bild einer geeinigten Partei abzugeben, ist für die Inszenierung sehr wichtig. Ein E-Mail-Skandal überschattete den Auftakt der viertägigen Veranstaltung; von Wikileaks veröffentlichte Nachrichten deuten darauf hin, dass Teile der Parteiführung Sanders verhindern wollten. Einige Sanders-Delegierte weigern sich zudem, Clinton zu unterstützen und tun dies auch lautstark kund. Die Abstimmung verlief jedoch ohne Zwischenfälle und Buhrufe.

Der 74-Jährige hatte im Vorwahlkampf mit linken Positionen eine überwiegend junge Anhängerschaft hinter sich geschart und seine Gegnerin auch hart kritisiert. Vor zwei Wochen dann empfahl er die ehemalige Außenministerin erstmals zur Wahl, am Montag forderte Sanders seine Anhänger erneut eindringlich auf, für sie zu stimmen.

Umfragen zeigen deutlich, dass die überwältigende Mehrheit der Sanders-Fans am 8. November für Clinton stimmen wird. Das liegt vor allem daran, dass seine Anhänger zwar wie Trump-Wähler den Freihandel ablehnen, es ihnen aber vor allem um die Bekämpfung von Armut und sozialer Ungleichheit geht - Themen, die beim Immobilien-Unternehmer keine Rolle spielen (mehr bei der Washington Post).

Sitzstreik von Sanders-Anhängern

Aber die Emotionen überwältigen an diesem Tag viele Delegierte, die unter dem Motto #BernieOrBust ihrem Helden die Treue schwören. Nach Clintons Kür organisieren etwa 200 Sanders-Fans einen Sitzstreik im Medienzelt. Viele haben Klebebänder oder Tücher über den Mündern: Sie fühlen sich mundtot gemacht. Auf dem Boden sitzt auch Rashane Hamby aus Kansas.

Die Afroamerikanerin betont, dass die progressiven Amerikaner ihre Anliegen offensiver vertreten müssten: "Es reicht nicht, sich nur für das kleinere Übel zu entscheiden." Sanders habe viele Aktivisten mobilisiert, so die 25-Jährige, und diese fühlten sich von der Parteiführung übergangen. Sie kann sich vorstellen, für Clinton zu stimmen - allerdings hält sie die Ex-Außenministerin für eine "Kriegstreiberin" und bisher wisse sie nicht, wofür Clinton stehe: "In jedem Wahlkampf sagt sie etwas anderes."

Auch die 20-jährige Studentin Caitlin Glidwell ist nicht überzeugt von Clinton. "Wir Amerikaner haben die Wahl zwischen dem gefährlichsten Kandidaten und der unehrlichsten Kandidatin." Glidwell trägt Bernie-Ohrringe und sagt in Dutzende Mikrofone, dass sie glaubt, dass Sanders um den Wahlsieg betrogen wurde.

Sie will nun in ihrer Heimat Colorado versuchen, dessen Anliegen auf lokaler Ebene voranzutreiben. Sie sei ständig frustriert gewesen, wie Barack Obamas Agenda durch die Republikaner blockiert worden sei - und erst Sanders habe ihr klargemacht, dass sich nur etwas ändere, wenn sich Bürger mehr engagieren.

Bill Clinton wirbt für seine Ehefrau

Am späteren Abend wird Ex-Präsident Bill Clinton über seine Ehefrau sprechen - und möglicherweise bekommen Caitlin Glidwell und Rashane Hamby dann ein besseres Gefühl, wofür Hillary steht. Zum Auftakt des Parteitags hatte am Montag die populäre First Lady Michelle Obama in einer berührenden Rede für Clinton geworben.

Die Demokraten positionieren Clinton als erfahrene und menschliche Politikerin, die sich für bessere Chancen für Mittelschicht und Minderheiten einsetzt und einen Kontrast zum sprunghaften Republikaner Donald Trump darstellt. Ihr Wahlkampf erhält eine historische Note, weil sie nach 240 Jahren als erste Frau das höchste politische Amt der USA bekleiden könnte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: