Parteitag der Demokraten:Bill Clinton präsentiert Amerika die "echte" Hillary

  • Erstmals seit 240 Jahren hat eine der zwei großen US-Parteien eine Frau als Präsidentschaftskandidatin nominiert: Hillary Clinton wird für die Demokraten gegen den Republikaner Donald Trump antreten.
  • Als Hauptredner am zweiten Tag des Parteitags wirbt Bill Clinton für seine Ehefrau.
  • Die Demokraten versuchen weiterhin, ihre Kandidatin bei den Wählern sympathischer wirken zu lassen.

Von Matthias Kolb, Philadelphia

Die Glasdecke liegt in Trümmern: Als erste Frau ist Hillary Clinton zur Präsidentschaftskandidatin nominiert worden. Kein anderes Bild verwendet die Demokratin lieber, um die Hürden von Frauen im Alltag zu beschreiben. Als sie 2008 ihre Niederlage gegen Barack Obama eingestand, sprach sie von "18 Millionen Sprüngen" in dieser Glasdecke - so viele Stimmen hatte Clinton im Vorwahlkampf erhalten.

Doch weil sie nicht ans Aufgeben dachte, wird Hillary Clinton nun als erste Frau von einer der beiden großen Parteien zur US-Präsidentschaftskandidatin nominiert. Also bricht am Ende des zweiten Abends auf der Videoleinwand eine digitale Glasdecke berstend auseinander und die 68-Jährige erscheint, um zum Publikum zu sprechen. Sie dankt den Delegierten für die große Ehre und wendet sich an alle jungen Mädchen, die lange aufbleiben durften: "Ich werde vielleicht die erste Präsidentin der Welt, aber eine von euch ist die nächste."

Dass nach 240 Jahren erstmals eine Frau ins Weiße Haus gewählt werden könnte, ist ein wahrhaft historischer Moment, doch echte Euphorie ist in Philadelphia nicht zu spüren. Auch wenn es viele in der Halle nicht so recht verstehen, wissen alle, wie unpopulär Clinton ist: Zwei Drittel der US-Bürger halten sie für "unehrlich" und "nicht vertrauenswürdig". Auch die Republikaner haben auf ihrem Nominierungsparteitag in Cleveland versucht, das Image von Donald Trump zu verbessern - doch die Demokraten haben es noch schwerer, denn Hillary Clinton steht seit 25 Jahren im Rampenlicht.

Unter "Fights of her life" betonen am zweiten Parteitag-Abend Dutzende Redner den Kampfgeist, den Fleiß und die Menschlichkeit ihrer Kandidatin. "Ein 30-Minuten-Treffen dauerte zwei Stunden, weil sie uns zugehört hat. Niemand zuvor hat uns zugehört", erzählt etwa Sybrina Fulton, deren Sohn Trayvon Martin 2012 erschossen wurde. Der Auftritt der schwarzen "Mothers of the Movement", die eine Reform der Waffengesetze und des Strafrechts fordern, ist ein besonderer Moment. Aber gegenüber William Jefferson Clinton verblassen an diesem Tag alle.

Bill Clinton: Die Republikaner machen aus Hillary eine "Comic-Figur"

40 Minuten lang spricht der Altpräsident über seine Ehefrau, und er will den Amerikanern die "echte" Hillary präsentieren. Er habe in seinem Leben nie eine Person getroffen, die härter für eine bessere Welt arbeite und die Dinge derart zum Positiven verändern wolle, schwärmt der 69-Jährige. Passenderweise steht "Change Maker" auf den Schildern, die das Publikum schwenkt.

Trumps Vize Mike Pence nennt Hillary Clinton gern "Secretary of the Status Quo" - doch in den Augen ihres Ehemanns ist dies völlig falsch: Seine Frau gebe sich nie mit dem Status quo zufrieden, sondern strebe immer danach, das Leben der Menschen zu verbessern: "So ist sie einfach, sie kann nicht anders."

Beim letzten Parteitag 2012 in Charlotte hatte der 42. Präsident in einer fulminanten Rede den Wählern noch erklärt, wie dramatisch die Wirtschaftslage war, als Barack Obama die Arbeit aufnahm, und dass er vier weitere Jahre im Weißen Haus verdient habe. Seit damals ist Clinton, der sich nach einer Herzkrankheit vegan ernährt, sichtlich gealtert - doch anders als bei früheren Auftritten im Vorwahlkampf ist sein Charme an diesem Abend ziemlich unwiderstehlich. Viele im Publikum werden vergessen - oder verdrängt - haben, dass der Ex-Präsident die von ihm so angepriesene Frau unter anderem mit der Praktikantin Monica Lewinsky betrogen und vor aller Welt bloßgestellt hat.

Anekdoten über Bills Heiratsanträge

An diesem Abend steht Clinton jedenfalls ganz an der Seite seiner Frau und verteidigt sie gegen Angriffe des politischen Gegners. Weil sie seine Frau als "Bedrohung" fürchteten, hätten die Republikaner sie in den vergangenen Monaten und vor allem beim Parteitag in Cleveland in eine "Comic-Figur" verwandelt. Was die Konservativen, die ständig "Sperrt sie ein" skandierten, erzählen würden, habe mit der Realität nichts zu tun, meint Bill Clinton und versucht, dies mit vielen Anekdoten zu belegen.

Auf Attacken gegen Trump verzichtet der Altpräsident fast völlig: Er berichtet lieber, wie er Hillary Rodham 1971 an der Law School der Yale University kennenlernte. Sie habe ihn durch ihre Intelligenz und durch ihr Engagement beeindruckt, das Leben von Kindern verbessern zu wollen. Hillary habe erst seinen dritten Heiratsantrag angenommen - und wie wenig ihr klassische Karriereschritte bedeuteten, beweise die Tatsache, dass sie mit ihm ins rückständige Arkansas zog, wo er Gouverneur wurde.

Immer wieder geht es um Tochter Chelsea, die am letzten Abend des Parteitags ihre Mutter vorstellen wird. Die zwei Jahre, die Hillary und er nach seiner Abwahl als Gouverneur als "normales Elternpaar" verbrachten, seien phänomenal gewesen. Die Clintons seien sich in Erziehungsfragen recht einig gewesen - nur die Vorliebe von Bill und Chelsea für die "Police Academy"-Filme teile die womöglich erste Präsidentin nicht. Und die Tatsache, dass Hillary - ganz besorgte Mutter - die Schränke in Chelseas Uni-Zimmer in Stanford mit Futter auskleidete, ist sogar für eingefleischte Polit-Nerds neu.

Egal ob als Anwältin in Arkansas, bei ihrer Arbeit als First Lady im Weißen Haus oder als Senatorin aus New York: Seine Frau sei stets neugierig und informiere sich am liebsten, indem sie Bürgern und Experten zuhöre. Bill Clinton zählt Beispiele auf, wie gut seine Frau mit Republikanern zusammengearbeitet habe - und er gratuliert den Demokraten in aller Form, dass sie seine Frau zu ihrer Kandidatin gekürt haben. Er zeigt sich sicher, dass die Wähler ihre Stimme für seine Frau nicht bereuen werden: "Eure Kinder und Enkel werden euch auf ewig dankbar sein."

Unter Demokraten ist Bill Clinton weiter extrem populär und verglichen mit seiner Ehefrau kommt er bei männlichen Wählern ziemlich gut an. Natürlich kennen die Strategen die Zahlen, wonach Hillary Clinton bei weißen Männern ohne Uni-Abschluss um etwa 30 Punkte hinter Donald Trump liegt - wenn sich diese Zahlen nicht verändern, dann bleibt es spannend bis zum Wahltag. Umstrittene Themen wie Freihandel (Bill unterschrieb das Nafta-Abkommen mit Mexiko und Kanada, über das Trump ständig schimpft) spart der Altpräsident aus - und in dem Video, das vor seiner Rede gezeigt wird, sind auffällig viele Arbeiter zu sehen.

Meryl Streep, Madeleine Albright, Lena Dunham - alle für Hillary

In den vier Stunden nach der Kür von Hillary Clinton (welche Rolle Bernie Sanders dabei spielte, lesen Sie hier) hatten diverse Bürger davon berichtet, wie Hillary Clinton ihnen durch ihre politische Arbeit geholfen habe - die Bandbreite reicht von Überlebenden der 9/11-Anschläge über Behinderte bis zu Latinos und Schwarzen. Sie alle betonen, wie aufmerksam die Ex-Außenministerin zuhöre und an wie viele Details sie sich erinnere.

Während Hollywood-Star Meryl Streep verkündet, dass Hillary Clinton "die erste und ganz sicher nicht die letzte US-Präsidentin" sein werde, übernimmt Madeleine Albright die Attacken auf Trump. "Wir brauchen einen Oberbefehlshaber, der unseren Verbündeten zuhört", ruft Amerikas erste Außenministerin. Wer gedacht habe, dass der Immobilienmogul die nationale Sicherheit und das Ansehen der USA erst gefährden werde, falls er ins Weiße Haus gewählt werde, der habe sich getäuscht, ruft Albright: "Schon seine Kandidatur und seine Aussagen haben Amerika geschadet."

Bevor der zweite Abend mit einem Auftritt der Sängerin Alicia Keys endet, attackieren diverse junge Schauspielerinnen wie Elizabeth Banks, America Ferrera und Lena Dunham den Republikaner-Kandidaten heftig. "Trump will, dass Frauen nur schön und still sind", ruft die "Girls"-Erfinderin Dunham und wird vom Publikum bejubelt.

Im Vergleich zu Bill Clinton dürfte dessen Nachnachfolger Barack Obama sich in der Nacht auf Donnerstag deutlich klarer über Trump äußern. Der US-Präsident ist neben Clintons designiertem Vize Tim Kaine der Hauptredner am vorletzten Abend - er muss erst noch beweisen, dass er in Philadelphia so gut ankommt wie seine Ehefrau Michelle, die zum Auftakt die beste Rede hielt.

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