Kabinettsklausur:CSU stellt der Angst Schärfe entgegen

Fortsetzung Kabinettsklausur in Gmund

Schusssicher: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann führt am Donnerstag am Tegernsee eine Schutzweste der Polizei vor.

(Foto: Uwe Lein/dpa)

Auf ihrer Kabinettsklausur erklärt die CSU, wie sie die Sicherheit in Bayern stärken will. Nicht alle Vorschläge sind neu - und manche politisch ziemlich heikel.

Von Wolfgang Wittl, Gmund

Sogar aus Sicht der CSU findet die vielleicht interessantere Pressekonferenz dieses Donnerstags nicht in einem weißen Zelt am Tegernsee statt, sondern in Berlin. Das bayerische Kabinett hat bei seiner Klausur gerade eine Mittagspause eingelegt, es gibt Hühnchen mit Salat, da tritt Angela Merkel an die Öffentlichkeit - begleitet von gespannten Blicken aus der Schwesterpartei. Als Schritt in die richtige Richtung seien Merkels Vorschläge zur Sicherheitspolitik zu bewerten, sagt hinterher ein bayerischer Minister. Offene Ablehnung klingt anders, Begeisterung allerdings auch.

Die bayerische Staatsregierung präsentiert ihre sicherheitspolitischen Vorstellungen erwartungsgemäß knackiger als die Kanzlerin - und betont martialisch. Das wird schon ohne Worte deutlich. Sie hat eine Kaufhauspuppe mit der Uniform eines Spezialeinsatzkommandos aufbauen lassen, "Einsatzausrüstung des SEK" steht auf einem Schild.

Die Puppe trägt Helm und Maschinenpistole, ein paar Meter daneben liegen weitere Ausrüstungsgegenstände von Polizisten. Eine Schussweste hat ein Loch, die Innenseite weist Reste von getrocknetem Blut auf. Ein Widerspruch? "Sicherheit durch Stärke" heißt das Konzept, mit dem die Staatsregierung von Horst Seehofer auf die Anschläge von Würzburg und Ansbach sowie den Amoklauf von München reagiert.

Der CSU-Chef vermeidet bis zum Nachmittag einen Auftritt, er will sich offenbar die Möglichkeit offenlassen, auf Merkel später antworten zu können. Die Vorschläge, die sein Kabinett in den vergangenen zwei Tagen erarbeitet hat, tragen deshalb Innenminister Joachim Herrmann und Justizminister Winfried Bausback vor. 2000 zusätzliche Stellen soll die bayerische Polizei in den kommenden vier Jahren bekommen, "für spürbar mehr Präsenz und Sicherheit", wie Herrmann sagt. Der Justizapparat soll in den nächsten zwei Jahren um 269 Stellen aufgestockt werden.

Bayern rühmt sich, das sicherste Bundesland zu sein, Statistiken belegen das. Doch nach den Gewalttaten der vergangenen Tage ist das Sicherheitsgefühl vielerorts einer großen Verunsicherung gewichen. Gepanzerte Fahrzeuge, schusssichere Helme und moderne Waffen für die Polizei soll es geben, zusätzliches Personal und neue Ausrüstung werden einen dreistelligen Millionenbetrag kosten. Aber um "alles Menschenmögliche" zu tun, bedarf es auch aus Sicht der CSU schon mehr.

Ihr Verlangen nach schärferen Gesetzen richtet die CSU nach Berlin, manches davon ist nicht neu, vieles aber könnte sich noch als heikel erweisen. So fordert die Staatsregierung, das Grundgesetz zu ändern, um die Bundeswehr im Inland sowie zur Sicherung der Grenzen einsetzen zu können. Die Armee solle keine Polizeiaufgaben übernehmen, stellt Herrmann klar, sondern die Polizei in Terrorlagen entlasten, Soldaten könnten etwa Gebäude sichern.

Auch eine weitere Ausweitung der Speicherung von Telekommunikationsdaten, die in der Berliner Koalition bereits zu heftigem Streit geführt hatte, will die CSU nun durchsetzen. Anbieter von E-Mail-Diensten und sozialen Medien sollen verpflichtet werden, Daten zu speichern - und zwar deutlich länger als zehn Wochen.

Flüchtlinge ohne Papiere sollen an der Grenze zurückgewiesen werden

Justizminister Bausback bezeichnet das Sicherheitskonzept als "die notwendige Reaktion auf die Gewalttaten". Er möchte Angriffe auf Polizisten und Rettungskräfte statt mit höchstens drei Jahren künftig mit bis zu fünf Jahren bestraft wissen. Auch Wohnungseinbrüche sollen härter geahndet werden. Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) warnt bereits, man dürfe sich "den Rechtsstaat nicht von Terroristen zerstören lassen". Der Aktionismus der CSU sei der falsche Weg.

Die CSU zeigt sich unbeeindruckt, sie will die Videoüberwachung an Bahnhöfen und auf öffentlichen Plätzen ausbauen. Gleichzeitig bekräftigt sie ihre Forderung nach einer Obergrenze von 200 000 Flüchtlingen im Jahr. Nach bayerischer Rechnung werde die Zahl in diesem Jahr vermutlich allerdings nicht erreicht. Bis jetzt seien in Deutschland etwa 130 000 Flüchtlinge angekommen, sagte Sozialministerin Emilia Müller.

Solange Europa seine Außengrenzen nicht schützen könne, seien Kontrollen der EU-Binnengrenzen unerlässlich, sagte Herrmann. Bayern werde deshalb seine Schleierfahndung verstärken. Und wer seine Identität nicht belegen könne, müsse an der Grenze festgehalten und zurückgewiesen werden können. Ausländische Straftäter will die Staatsregierung auch in Krisenländer abschieben - in Regionen, in denen kein Krieg herrsche. Asyl dürfe nur nach einer mündlichen Anhörung des Bewerbers gewährt werden.

Auch vorbeugend will Bayern handeln. Fluchtursachen sollen mit 20 Millionen Euro bekämpft, psychologische Krisendienste aufgebaut werden. Doch "nur Sozialromantiker können davon ausgehen, dass es reicht, mit mehr Psychologen zu reagieren", sagte Bausback.

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