Parteitag der Demokraten:Gut, aber nicht großartig

Hillary Clinton schreibt Geschichte und trifft die linke Stimmung der Delegierten. Dass andere heller strahlen, stört sie nicht: Für den anstehenden Lagerwahlkampf braucht sie die Obamas. Fünf Lehren aus dem Parteitag der Demokraten.

Von Matthias Kolb, Philadelphia

Hillary Clinton hat es geschafft. Als erste Frau wird sie für eine der beiden großen US-Parteien in den Präsidentschaftswahlkampf ziehen. Dass sie damit auch die erste Mutter und Großmutter wäre, die im Weißen Haus regieren würde, das betonte nicht nur Tochter Chelsea, als sie die 68-Jährige den Delegierten und TV-Zuschauern vorstellte.

Weil Hillary Clinton im Vergleich zu Ehemann Bill sowie zu Barack und Michelle Obama eine mittelmäßige Rednerin ist, waren die Erwartungen niedriger - und so fällt das Medien-Echo positiv aus. Mit "Gut, aber nicht großartig" lässt sich neben dem 60-Minuten-Auftritt der gesamte Parteitag bilanzieren. Diese fünf Beobachtungen dürften auch Bestand haben, wenn die 35 000 Besucher und 15 000 Journalisten Philadelphia wieder verlassen haben:

Hillary Clinton will sich nicht ändern. Der düsteren Rhetorik des Republikaners Trump setzt die Demokratin ein positives Bild der US-Gesellschaft entgegen. Niemand könne allein alle Probleme lösen - der Trump-Spruch sei nicht nur Hybris, sondern beleidige Soldaten, Lehrer, Polizisten oder Ärzte. Ihr Slogan "Stronger together" klingt hölzern, aber hier passt er. Es ist logisch, dass Clinton auf die Sanders-Fans zugeht, ihnen einen höheren Mindestlohn sowie bezahlbare Bildung zusichert und ruft: "Das politische System funktioniert nicht richtig."

Da jubelt das Publikum, doch es bleibt offen, wie lange die Stimmung gut bleibt. Clinton bleibt sich treu und riskiert wenig. Sie verspricht nicht, das TPP-Abkommen zu kippen, sie thematisiert weder die E-Mail-Skandale noch ihre hochbezahlten Wall-Street-Reden. Entschuldigen will sie sich nicht, obwohl das jene Menschlichkeit zeigen würde, die anderswo aufblitzt: etwa wenn sie vom harten Leben ihrer Mutter berichtet. Die 68-Jährige scheint überzeugt, dass sie mit viel Fleiß und mit dem Image der Arbeiterin (oft fiel der Satz she is a work horse, not a show horse) genug Wähler überzeugen kann.

Clintons Umfragewerte dürften nach oben gehen (wie schlecht sie sind, steht hier) - so ist es nach jeder Convention. Fraglich ist nur, wie stark dieser Schub ist. Dass sie eine Standard-Parteitagsrede gehalten hat, wundert nicht. Doch 2016 ist kein Standard-Jahr und die Wut vieler Amerikaner riesig. Trumps Rede in Cleveland dauerte sehr lang, doch "Ich bin die Lösung aller Probleme" dominiert seither die Schlagzeilen. So etwas hat die Ex-Außenministerin nicht geliefert.

Donald Trump eint die Partei. Wer am eigenen Kandidaten zweifelt, der kann sich immerhin über den Gegner aufregen. Wie bei den Republikanern Hillary Clinton beendet bei den Demokraten die Vorstellung, dass Donald Trump ins Weiße Haus einzieht, vorerst die Flügelkämpfe. Auch Bernie Sanders, der sture Clinton-Herausforderer, wirbt mit Überzeugung für die 68-Jährige - und trotz der perfekt fürs Social-Media-Zeitalter inszenierten Proteste der wütenden Hardcore-Sanderista werden mindestens 85 Prozent seiner Wähler dem Rat folgen und trotz offensiver Anwerbungsversuche nicht zu Trump überlaufen.

Vier Tage arbeiten sich sich alle Redner an dem 70-jährigen Republikaner ab. Sie erinnern an seine "Mexiko schickt Verbrecher"-Sprüche, die Beleidigungen von Frauen, die Dämonisierung von Muslimen und das Lob für Russlands Autokraten Putin. Sie setzen Trumps düsterer "Die USA sind in der Krise"-Botschaft das Bild eines optimistischen, bunten Amerikas entgegen - Schwarze und Hispanics sind sowohl als Redner wie auch als Delegierte oft vertreten.

"Charakterlich ungeeignet" (Bill Clinton), "keine Ahnung von der Mittelschicht" (Biden) oder "unamerikanisch" (Obama) - all das passt zur Botschaft, dass ein US-Präsident Trump ein Sicherheitsrisiko für die USA und die Welt sein würde. Anders als bei den US-Konservativen haben die Demokraten die Reihen vollständig geschlossen. Clintons Wahlkampfteam kann eine All-Star-Truppe durchs Land schicken.

Michelle Obama ist die Geheimwaffe. Unter dem halben Dutzend denkwürdiger Auftritte sticht die Rede der First Lady heraus. Michelle Obama und Hillary Clinton waren nie enge Freundinnen, doch trotzdem hat es Michelle am recht chaotischen Montag fertiggebracht, das Publikum zu vereinen - und die Menschen vor dem TV zu beeindrucken.

Sie brachte drei Dinge in ihrer Rede unter: Sie erinnerte daran, wie historisch die Wahl ihres Mannes war ("Ich wache jeden Morgen in einem Haus auf, das Sklaven gebaut haben. Ich sehe meine Töchter - zwei hübsche, intelligente, schwarze junge Frauen - auf dem Rasen des Weißen Hauses mit ihren Hunden spielen"). Sie beschrieb auf bewegende Art, welch symbolische Bedeutung es für Sasha und Malia und Millionen Mädchen hätte, wenn Hillary Clinton ins Weiße Haus einziehe.

Und ohne Trump beim Namen zu nennen, wird klar, dass dieser kein Vorbild für junge Amerikaner sein kann. "Wenn sie niedere Instinkte zeigen, dann streben wir nach Höherem", diesen Rat hätten sie und Barack ihren Töchtern für den Umgang mit Rowdys gegeben. Wegen ihrer Beliebtheit unter jungen Leuten und Schwarzen ist die First Lady für das Team Clinton extrem wertvoll - und dieser Auftritt beweist, dass sich Michelle Obama engagieren will.

Demokraten rüsten sich für Lagerwahlkampf

Gays, guns & God: Nie standen die Demokraten weiter links. Auch wenn Obama und Clintons running mate Tim Kaine in ihren Reden frustrierten Fans der Republikaner-Präsidenten Lincoln und Reagan einen Platz anboten: Die Demokraten setzen klar auf Lagerwahlkampf und wollen mit einer Koalition aus Schwarzen, Latinos, gut ausgebildeten Frauen und progressiven Großstädtern gewinnen. Das heißt programmatisch vor allem, eine größere Rolle des Staates im Kampf gegen soziale Ungleichheit anzupeilen.

Noch vor zehn Jahren bezogen die Demokraten kaum klare Positionen zu kontroversen Themen wie gays, guns and God. Nun ist das anders: Die Demokraten sind klar die Partei der Schwulen und Lesben, sie gedenken mehrfach der Opfer des Massakers im Gay-Club von Orlando und Obamas Promo-Video endet mit dem Weißen Haus, das in Regenbogenfarben angestrahlt wird.

In Philadelphia gehört es zum guten Ton, strengere gun laws zu fordern und aggressiv die Waffenlobby NRA herauszufordern. Die "Mothers of the Movement" genannten Mütter, deren Kinder (etwa Trayvon Martin) durch Waffen- oder Polizeigewalt getötet wurden, erhalten ebenso prominente Rede-Plätze wie die Tochter einer Lehrerin, die in Newtown ermordet wurde. Obama und Clinton fordern ein Mandat der Wähler, hier endlich etwas zu verändern zu können.

Das Recht auf Abtreibung zweifelt niemand an, die Frauen-Organisation Planned Parenthood wird stets bejubelt. Die Parteilinie scheint so felsenfest, dass niemand andeutet, als Demokrat aus Glaubensgründen Abtreibung ablehnen zu können - diese radikale Positionierung irritiert nicht wenige Wähler. Und was ist mit Gott? Trump spricht kaum über seinen Glauben (äußerst ungewöhnlich für Republikaner) und als Tim Kaine an seine Zeit in der Jesuitenschule erinnert, wird das ebenso beklatscht wie Hillarys Anekdoten über ihren Glauben. Dies alles gehört zu dem gemäßigten US-Patriotismus, den die Demokraten in Philadelphia zur Schau stellen.

Die Demokraten beherrschen die Inszenierung. Mit Spannung war erwartet worden, was Reality-TV-Star Donald Trump beim Parteitag der Konservativen auf die Bühne zaubert. In Cleveland war alles eher konventionell und nur der letzte Abend mit Trumps Rede verlief pannenfrei. Plagiatsvorwürfe, flackernde Leinwände oder Schönheitssalon-Besitzerinnen, die auf der Bühne die Nerven verlieren? All das gab es in Philadelphia nicht - sondern eine fast schon zu perfekte Show.

Neben Katy Perry, Paul Simon, Lenny Kravitz und Alicia Keys tritt ein All-Star-Ensemble von Broadway-Stars auf (sie singen "What the world needs now is love"); anstelle von abgehalfterten Ex-Soap-Opera-Darstellern redeten Oscar-Preisträgerin Meryl Streep und die Schauspielerinnen America Ferrera und Eva Longoria. Dass Hollywood und viele Pop-Stars liberal ticken, ist bekannt - doch um den Isolationisten Trump zu stoppen, scheinen Unterstützung und Schecks von George Clooney und Co. diesmal noch größer zu sein als sonst.

Es schadet natürlich nicht, dass Michelle und Barack Obama oder Bill Clinton selbst Weltstars sind. Das Programm folgte einer guten Dramaturgie ohne abrupte Brüche und die Anhänger wurden via Social Media und SMS über alle Highlights informiert (und um Spenden angebettelt). Die Videos (viele sind Anti-Trump-Spots, die bald online und im TV recycelt werden) sind perfekt produziert; Regie führten etwa die Oscar-Preisträger Davis Guggenheim und James Cameron. Den Zwölf-Minuten-Film, der Hillary Clinton vorstellt, verantwortet Star-Produzentin Shonda Rhimes ("Scandal", "Grey's Anatomy") - und Morgan Freeman fungiert als Erzähler.

Wenn die Botschaft der fleißigen Arbeiterin und liebenden Großmutter, die Clintons Team über ihre Kandidatin vermitteln will, nun bei den skeptischen Wählern nicht hängenbleibt, dann liegt es sicher nicht an der schlechten Präsentation.

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