US-Demokraten:Colin Powell zu Clinton: "Sei sehr vorsichtig"

Powell and Clinton listen to remarks at a groundbreaking ceremony for the U.S. Diplomacy Center at the State Department in Washington

Die ehemaligen Außenminister Colin Powell und Hillary Clinton bei einem Festakt in Washington im Jahr 2014.

(Foto: REUTERS)

Das FBI publiziert Dokumente über die Befragung Clintons zur E-Mail-Affäre. Zu entdecken ist eine Unachtsamkeit der Demokratin - und viele Details. So nutzte Clinton 13 private Smartphones und iPads für ihre Arbeit.

Von Matthias Kolb, Washington

Die schier endlose Saga um die privaten E-Mail-Server von Hillary Clinton geht in ein neues Kapitel. Pünktlich zum Labor Day-Wochenende (der amerikanische Tag der Arbeit gilt als eigentlicher Beginn des Wahlkampfs) hat die Bundespolizei FBI einen Bericht über ihre Ermittlungen zur E-Mail-Affäre der früheren Außenministerin veröffentlicht.

Das Dokument enthält eine elfseitige Zusammenfassung der Befragung Clintons durch die FBI-Ermittler im Juli 2016. Dreieinhalb Stunden dauerte das Gespräch im J. Edgar Hoover Building in Washington - danach erklärte FBI-Chef James Comey, dass der heutigen Präsidentschaftskandidatin der Demokraten kein Gesetzesverstoß nachzuweisen sei (Details hier). Der Republikaner Comey kritisierte damals allerdings einen "extrem sorglosen" Umgang der Ex-Außenministerin mit ihren beruflichen E-Mails. Diesen Eindruck bestätigt die Lektüre der insgesamt 58 Seiten.

Nach ihrer Vereidigung fragte Clinton ihren Vorgänger Colin Powell per E-Mail, wie dieser seine private Mail-Adresse als Außenminister genutzt habe. Der Republikaner schrieb in seiner Antwort: Wenn Minister ihre privaten E-Mail-Adressen für die Arbeit verwenden, dann würden diese zu "offiziellen Dokumenten" und können per "Freedom of Information Act" von Öffentlichkeit und Medien eingesehen werden. "Sei sehr vorsichtig", warnte der Ex-General.

In der FBI-Befragung sagte Clinton, dass sie Powells Antwort nicht genau verstanden habe - und diese E-Mail ihre Entscheidung auch nicht beeinflusst habe. Überhaupt vermittelt die ehemalige First Lady im Protokoll den Eindruck, sich völlig auf ihr eigenes Umfeld sowie andere Mitarbeiter verlassen zu haben.

Sie habe nie gedacht, dass geheime Dokumente an ihre private clintonemail.com-Adresse geschickt werden könnten: Der jeweilige Absender werde das schon richtig einschätzen (das FBI fand 110 E-Mails, die als vertraulich eingestuft waren). Um eine juristische Klärung hat sich Clinton nicht bemüht. Sie wiederholt ihr Kernargument, wonach sie "aus Bequemlichkeit" eine private E-Mail-Adresse nutzte - es ging nicht darum, etwas zu verbergen. 30 000 E-Mails seien gelöscht worden, da deren Inhalt rein privater Natur gewesen sei.

Acht Blackberrys und acht iPads

Clinton äußert im Gespräch mit dem FBI die Sorge, dass ihr Account gehackt worden sei - dafür fanden die Experten keine Belege. Die Unterlagen dokumentieren, dass Clinton weder im State Department noch in ihren Häusern in Washington und Chappaqua mit einem Computer arbeitete. Während ihrer Amtszeit benutzte sie mindestens acht Blackberry-Telefone (sie wurden in diversen AT&T-Filialen nahe der US-Hauptstadt gekauft) und fünf iPads.

Dass die Ermittler des FBI keines der Blackberrys begutachten konnten (ein Angestellter sagte aus, mindestens ein Gerät mit einem Hammer zerstört zu haben), dürfte Freunden von Verschwörungstheorien viel Material geben. Gleiches gilt für die schon bekannte Tatsache, dass viele E-Mails von einem externen Dienstleister erst gelöscht wurden, nachdem die New York Times im März 2015 über die privaten Server berichtet hatte. Das FBI zweifelt ebenso wenig an der Darstellung des entsprechenden Mitarbeiters der Technikfirma wie an Clintons Aussage, dass sie von der Löschaktion nichts gewusst habe.

Erboste Reaktion der Republikaner

Per Pressemitteilung erklärt Donald Trump, der republikanische Herausforderer Clintons, dass er "absolut schockiert" über die neuen Dokumente sei. Er könne nicht verstehen, wieso das FBI die Demokratin nicht anklage. Trumps Reaktion ist typisch für die Überzeugung vieler konservativer Amerikaner: Clinton sei nur wegen ihrer Verbindungen einem Prozess entgangen und gehöre eigentlich ins Gefängnis. Bei Trump-Events sind überall "Hillary for Prison"-Shirts und Sticker zu sehen.

Unbedingt den Einzug von Hillary (und Ehemann Bill) Clinton ins Weiße Haus zu verhindern - das ist ein entscheidendes Argument für Reince Priebus. Der oberste Republikaner-Funktionär appelliert an all jene trump-skeptischen Republikaner, für den Immobilien-Mogul zu stimmen, damit die verhasste Demokratin nicht Präsidentin wird. "Die Dokumente zeigen, dass Clinton entweder das FBI oder die Öffentlichkeit belogen hat", verkündete Priebus. Klar sei: Clinton habe sich durch ihr eigenes Handeln disqualifiziert.

Das sind die Folgen für den Wahlkampf

Auch wenn die US-Medien stundenlang über die FBI-Veröffentlichung berichtet haben: Es geht hier mittlerweile um sehr viele, sehr technische Details, mit denen sich Normalbürger nicht beschäftigen. Die meisten Wähler haben ihr Urteil zur E-Mail-Affäre schon gefällt: Demokraten finden sie entweder verzeihlich oder schimpfen auf die Hexenjagd der Republikaner. Die hingegen halten Clinton deshalb für völlig ungeeignet, um Präsidentin zu werden.

Bis zum Wahltag am 8. November wird die Demokratin das Thema nicht mehr los. Ihr zögerlich-arroganter Umgang (ein "sorry" kam ihr erst nach Monaten über die Lippen) hat dazu geführt, dass nur 40 Prozent der Wähler sie sympathisch finden. Rivale Trump ist allerdings genauso unpopulär.

In den drei TV-Debatten (26. September, 9. Oktober und 19. Oktober) wird die 68-Jährige erneut Fragen rund um die E-Mails beantworten müssen. Mitte Oktober werden möglicherweise neue Details zur Clinton-Familienstiftung (Hintergründe hier) bekannt. Dann erhält die Nachrichtenagentur AP die Terminkalender aus Clintons Jahren als Chef-Diplomatin. Jedes einzelne ihrer Gespräche lässt sich dann nachvollziehen.

Linktipps: Wer die 58 Seiten selbst lesen möchte, finden die PDFs auf der Website des FBI. Die New York Times bilanziert "sechs Dinge, die wir gelernt haben". Die konservative Website Breitbart News, deren Chef Steve Bannon Donald Trump im Wahlkampf unterstützt, berichtet unter anderem - wenig überraschend - sehr kritisch in diesem Artikel.

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