Apple:iPhone 7 - Apples nächstes kleines Ding

Wie sich das Smartphone von seinen Vorgängern unterscheidet, was für oder gegen ein Update spricht und was das iPhone 7 über Apples Strategie verrät.

Von Johannes Kuhn, New Orleans

Apple geizt bei seinen Produktvorstellungen nicht mit Superlativen, doch die Schlagzeilen werden kleiner. Smartphones als Gerätegattung sind ausgereift, ein iPhone ist ein iPhone ist ein Smartphone. Oder doch nicht? Was Apple am Mittwoch vorgestellt hat und was das für Kunden und Firma bedeutet.

Für Nachleser: Die Blitz-Zusammenfassung

Das iPhone 7 kommt am 16. September in den Handel, die günstigste Version mit 32 Gigabyte Speicher kostet 759 Euro, das iPhone plus mit 256 Gigabyte ist mit 1119 Euro am teuersten. Das Design unterscheidet sich nur in kaum erkennbaren Details von den Vorgänger-Modellen, dafür gibt es wieder zwei schwarze iPhone-Farbtöne; für das tiefschwarze Gerät empfiehlt Apple wegen Kratzer-Anfälligkeit jedoch eine Hülle.

Augenfälligste Änderung: Die Klinkenbuchse fällt weg, weshalb Kopfhörer nun in die Lightning-Buchse gesteckt werden, die das Gerät mit Strom und Daten versorgt. Der Home-Button gibt nun ebenfalls Berührungsfeedback und Apple folgt Samsung nach und hat das Telefon wasserdicht konstruiert (aber bitte nicht zum Tauchen mitnehmen!).

Was iPhone-Nutzer freuen wird ...

Der 16-Gigabyte-Speicher ist Geschichte und der Maximal-Platz mit 256 Gigabyte verdoppelt. Das iPhone 7 mit 32 Gigabyte ist zwar 20 Euro teurer als der Vorgänger, dies dürfte aber den Währungsschwankungen geschuldet sein.

Wie immer hat Apple auch die Gleichung "mehr Rechenkraft, aber auch mehr Akku-Laufzeit" gelöst: Der neue Chip A 10, aus Marketinggründen um die Klischee-Bezeichnung "Fusion" erweitert, soll die Akkulaufzeit um ein (7 plus) beziehungsweise zwei Stunden erhöhen und das Telefon wie immer etwas schneller machen.

... und was sie ratlos zurücklässt

Es gibt nicht viel, was für iOS-Anhänger gegen das neue iPhone spricht, aber im Vergleich zu den Versionen 6 und 6s eben auch keine Muss-ich-haben-Änderungen. Rechen-Schnelligkeit ist - außer bei Anwendungen im Bereich virtueller Realität und einigen Spielen - kein Alleinstellungsmerkmal mehr, auch wenn Android-Geräte selbst im Hochpreis-Segment als etwas instabiler gelten.

Kameras und Bildprozessor sind wie immer verbessert, doch die zweite Kamera (ein leichtes Teleobjektiv) für einen optischen Zoom ist dem iPhone 7 plus vorbehalten. Tests werden zeigen, wie Apple hier gegen Samsung oder auch Huawei und LG abschneidet, die ebenfalls Modelle mit einer zweiten Kamera anbieten. Wer über den Kauf nachdenkt: Die Seite "Lucid Chart" hat einen kleinen Test.

Was es mit dem Kopfhörer-Ausgang auf sich hat

Technologie-Veteran Walt Mossberg erinnerte sich auf The Verge daran, wie er mit Steve Jobs über drahtlose Kopfhörer diskutierte und der ihm sagte: "Willst du noch etwas haben, dass du aufladen musst?" Im Jahr 2016 meint Apple: na klar wollen Kunden das!

Die verschwundene Klinkenbuchse soll Lust auf die drahtlosen, 179 Euro teuren "Airpods"-Ohrstöpsel machen - das erste sichtbarer Hardware-Ergebnis des Kaufs des Kopfhörer-Herstellers Beats. Die Kompatibilität zu älteren iPhone-Modellen legt nahe, dass es sich um stinknormale Bluetooth-Sets handelt.

Entscheidend wird sein, wie die Geräte bei Verbindungs- und Klangqualität abschneiden, die große Unterschiede aufweisen kann. Immerhin legt Apple dem neuen iPhone weiterhin reguläre Kopfhörer inklusive eines Adapters bei. Ob der Konzern damit den seit mehr als 50 Jahren gängigen Audio-Standard ins Wackeln bringt? Apple-Projekte wie der Verbindungsstandard Firewire scheiterten am Ende, weil sich offene Alternativen durchsetzten.

Apple Watch und Fokus auf Fitness

Präsentierte Apple seine Armbanduhr vor einem Jahr noch als Mode-Accessoire, hat der Konzern nun seine Strategie etwas geändert: In der Präsentation ging es vorwiegend um Fitness-Szenarien und -Funktionen, zum Beispiel Tauch-Tauglichkeit von bis zu 50 Metern Tiefe oder Ausstattung der neuen Apple-Uhren mit einem GPS-Sender.

Schwimmer, Läufer und Wanderer scheinen sich ohnehin als einzig nennenswerte Kern-Zielgruppen für das chronisch überschätzte Wearable-Segment zu etablieren. Die Zusammenarbeit mit Nike für eine gemeinsame Sport-Uhr (wie die anderen Einsteigermodelle ab 419 Euro) ist da ein geschickter Versuch, als Bündnis zweier strahlkräftiger Marken dem etablierten Spezialisten für Extremsport-Uhren Garmin Konkurrenz zu machen.

Und was kommt nun? Apples Strategie-Dilemma

Apples größte Sorge ist nicht die geforderte Milliarden-Nachzahlung von Steuern in Europa, sondern erst einmal die Erwartungshaltung an der Börse: Die vergangenen Quartale sahen im Vergleich zu den Vorjahres-Rekorden des iPhone 6 mager aus, und das trotz eines Gewinns von acht Milliarden Dollar im letzten ausgewiesenen Vierteljahr.

Die Wahrheit ist: Mit einer Milliarde aktivierter iOS-Geräte hat die Firma einen Kundenstamm, von dem ein Großteil zu regelmäßigen und teuren Updates bereit ist, wenn Apple nur den kleinsten Anlass bietet.

Die Wahrheit ist aber auch: Die Smartphone-Generationen sind nicht mehr so unterscheidbar, dass die Meinung zu einem Produkt von "gut genug" durch einem Auftritt von Apple-Chef Tim Cook plötzlich zu "Gott, wie veraltet" wechselt.

Die sich andeutende Erweiterung der iPhone-Varianten (siehe iPhone SE) oder Service-Produkte wie Apple Music sind der Versuch, dieser Entwicklung strategisch entgegenzuwirken.

Dass viele Kunden das iPhone 7 kaufen werden, ist nicht zu bezweifeln. Wie es sich im Vergleich mit dem Rekord-iPhone 6 schlagen wird, lässt sich frühestens Anfang kommenden Jahres sagen, wenn die Zahlen aus dem Weihnachtsgeschäft 2016 bekannt werden.

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