US-Präsidentschaftswahl:Beschimpfung von Trump-Fans: Ehrlich und erbärmlich

Hillary Clinton

Steht wegen eines abfälligen Kommentars über Trump-Fans in der Kritik: die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton.

(Foto: AP)

Zurecht wirft die Demokratin ihrem Gegner vor, abfällig über Gesellschaftsgruppen zu sprechen. Dass sie nun selbst 50 Prozent der Trump-Fans "erbärmlich" nennt, ist politisch dumm.

Analyse von Matthias Kolb, Washington

Die Tage eines Präsidentschaftskandidaten sind lang und enden oft mit einem Treffen oder Abendessen mit reichen Spendern. Meist bleibt die Presse draußen, die Stimmung ist lockerer und die Aussagen ehrlicher. Im April 2008 sagte Barack Obama über die Wähler in Industrieregionen des Mittleren Westens: "Sie werden verbittert, sie klammern sich an ihre Waffen oder Religion oder ihr Misstrauen gegen Leute, die nicht so sind wie sie (...), um ihren Frust zu erklären."

Obama wurde für den Spruch, den ein "Bürgerreporter" notiert hatte, während des Vorwahlkampfs heftig kritisiert, doch die Reaktion war harmlos im Vergleich zu Mitt Romneys "47 Prozent"-Kommentar. Mitte September 2012 zeigte ein Video, wie abfällig der damalige Präsidentschaftskandidat der Republikaner über Obama-Wähler sprach: "Es gibt 47 Prozent aller Amerikaner, die seine Fans sind. Sie sind von der Regierung abhängig, sie sehen sich als Opfer und sind davon überzeugt, dass sie ein Recht auf Krankenversicherung, Unterkunft und Essen haben."

Romney sagte diese Sätze in der Villa eines Finanzinvestors und erklärte, wieso er sich um diese Wähler gar nicht erst bemühe: "Ich werde sie nie überzeugen können, dass sie persönliche Verantwortung übernehmen und sich um ihr Leben kümmern." Die kontroversen Aussagen von Hillary Clinton, die bei einer Spendengala davon sprach, "die Hälfte der Trump-Fans" in einen "Korb der Erbärmlichen" stecken zu können, sind also nicht ohne Vorgänger. Und alles spricht dafür, dass die Demokratin auch diese Sätze lange verfolgen werden.

Seit Wochen hat die Ex-Außenministerin ihren Rivalen dafür kritisiert, sich abfällig über Latinos, Arme, Schwarze und andere Bevölkerungsgruppen zu äußern (hier eine unvollständige Übersicht der Trump-Aussagen). Es ist völlig legitim, den Kandidaten Trump hart anzugreifen - doch es ist politisch unklug von Clinton, nun ähnlich pauschal einen Großteil der Trump-Wähler ("Rassisten, Sexisten, Schwulenfeinde, Fremdenfeinde, Islamgegner") zu attackieren und als irredeemable zu bezeichnen - also als "nicht zu retten".

Hillary Clinton tut, wofür sie Trump immer attackiert

Denn damit tut die 68-Jährige genau das, was so viele Trump vorwerfen. Für den Republikaner, der in den Umfragen sowohl landesweit als auch in den entscheidenden swing states zurück liegt, sind die Aussagen ein unverhofftes Geschenk. Das gesamte Wochenende ist #BasketofDeplorables ein dominierendes Thema in den sozialen Medien - und der Geschäftsmann lässt sich die Chance nicht entgehen, sich staatsmännisch zu geben: Er respektiere alle Anhänger von Hillary Clinton.

Dass seine Fans bei Events weiterhin "Sperrt sie ein" rufen und stolz T-Shirts mit respektlosen ("Hillary for Prison") und sexistischen Sprüchen tragen, rückt in den Hintergrund. Im Stundentakt melden sich Republikaner zu Wort, um die Demokratin als überheblich zu attackieren. "Hillary, diese Leute sind kein Korb von irgend etwas. Es sind Amerikaner, die Respekt verdient haben", ruft Trumps Vize Mike Pence beim "Values Voter Summit" (mehr zu Trumps Auftritt bei diesem konservativen Christen-Treffen).

Was die Aufregung verstärkt - und welchen Fehler Clinton gemacht hat

Der Clinton-Kommentar wird bereits vom Trump-Team dazu genutzt, um weitere Spenden zu werben und um die Unterstützung von Freiwilligen zu werben - ein weiteres Indiz, dass sich die Wahlkampagne des Republikaners zuletzt halbwegs professionalisiert hat. Facebook, Twitter, Instagram: Überall sind solche Fotomontagen zu sehen.

US-Medien haben darauf hingewiesen, dass Hillary Clinton schon seit längerem die Trump-Fans bei Auftritten vor Sympathisanten in zwei "Körbe" aufteilt und dabei das Wort "erbärmlich" benutzt (Politico berichtete am 4. September). Am Freitag sprach sie jedoch unvorsichtigerweise von "50 Prozent". Es sei stets ein Problem, konkrete Zahlen zu nennen, betont Mo Elleithee von der Georgetown University: "Mitt Romney musste diese Lektion auch lernen: Wer eine Zahl nennt, der muss diese verteidigen."

Insofern bleibt trotz ihrer Entschuldigung ("Aussage war falsch") der Eindruck, dass Clinton Millionen US-Bürger für erbärmlich hält - und ihre Abneigung eben nicht dem Republikaner-Kandidaten gilt, dem sie weiter vorwirft, seinen Wahlkampf auf Vorurteilen und Paranoia aufzubauen und eine nationale Plattform für hasserfüllte Sichtweisen zu bieten. Zu ihrem Wahlslogan "Stronger Together" und dem Argument, als Präsidentin überparteilich zu sein und Kompromisse zu finden, passt die Aussage nicht wirklich.

Was Clintons Kommentare für das konservative Amerika noch anstößiger macht, ist die Tatsache, dass sie bei einer Gala an der Wall Street fielen, bei der Barbra Streisand auftrat und die Teilnehmer tausende Dollar spenden mussten (Medien waren ausnahmsweise zugelassen). Dies zeigt nicht nur, wie "elitär und abgehoben" Clinton sei: Sie schmeichle sich auf Kosten der Trump-Wähler vor anderen liberalen Großstädtern ein. Dies sei genau eine jener "kleinlichen Beleidigungen" gewesen, die die Demokratin Trump stets vorhalte.

Ob die Aussage Hillary Clinton mittel- und langfristig schadet, bleibt abzuwarten - die Meinungen der Bürger über die Bewerber sind sehr stabil und die Demokratin ist ähnlich unbeliebt wie ihr republikanischer Herausforderer Donald Trump. Eine Umfrage der Washington Post ergab kürzlich, dass 55 Prozent der Wähler überzeugt sind, Clinton werde als Präsidentin "das Wohlergehen des Landes bedrohen" - über Trump sagten dies 61 Prozent. Der Frust vieler Amerikaner, als Kandidaten ausgerechnet Trump und Clinton präsentiert zu kriegen, wird weiter wachsen.

Dan Balz, einer der erfahrensten Reporter des Landes, fasst die Aufregung wohl am besten zusammen: "Clintons Kommentar über die 'Erbärmlichen' passt genau zu einem erbärmlichen Wahlkampfjahr."

Linktipp: Der genau Wortlaut von Clintons Aussage ist am Ende dieses Artikels dokumentiert.

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