US-Präsidentschaftswahl:Donald und Hillary gegen die drei Fragezeichen

Gary Johnson

Gary Johnson: Trump ärgern statt Tüten rauchen.

(Foto: AP)
  • Gary Johnson (Libertäre Partei), Jill Stein (Grüne) und Evan McMullin fordern bei der Präsidentschaftswahl Trump und Clinton heraus.
  • Sie sind chancenlos, aber haben eine bunte Biografie und Ideen jenseits des Mainstreams.
  • In einigen knappen Rennen könnten Stimmen für Außenseiter den Ausschlag geben, ob Trump oder Clinton ins Weiße Haus einzieht.

Von Matthias Kolb, Washington, und Johannes Kuhn, New Orleans

Im März hörte Gary Johnson mit dem Kiffen auf und wurde Präsidentschaftskandidat. Peace, Bro, das war eine gute Entscheidung: Ein halbes Jahr später steht fest, dass der ehemalige Gouverneur von New Mexico und Ex-CEO eines Cannabis-Start-ups im November in allen 50 Bundesstaaten auf dem Wahlzettel stehen wird.

Das ist bereits ein beachtlicher Erfolg für den 63-Jährigen und seine Libertäre Partei - jener in den USA den Republikanern ideologisch nahestehende Bewegung, die Freiheit VON Regierung und Steuern, FÜR die Märkte und ZUR persönlichen Selbstverwirklichung (inklusive des Marihuana-Genusses) fordert.

In einem Jahr, in der zwei historisch unbeliebte Kandidaten großen Teilen der Bevölkerung Wahl-Bauchschmerzen bereiten, ist eine dritte Alternative so willkommen und hoch gehandelt wie schon lange nicht mehr. Immerhin 42 Prozent der Wahlberechtigten bezeichnen sich als "keiner Partei zugehörig", jeder fünfte Wähler unter 30 will für einen Alternativ-Kandidaten stimmen.

In Umfragen schöpfen Johnson und sein Vize-Kandidat Bill Weld (einst als Republikaner Gouverneur von Massachusetts) dieses Potenzial freilich noch nicht aus, kommen aber derzeit auf etwas unter zehn Prozent der Stimmen. "Zehn Prozent der Stimmen, das sind 13 Millionen Menschen", rechnet Johnson in Wahlkampf-Auftritten stolz vor.

13 Millionen wären auch das Zehnfache dessen, was der Politiker bei seiner Kandidatur vor vier Jahren erreichte. Allerdings fehlen ihm derzeit fünf weitere Prozentpunkte, um bei der ersten TV-Debatte am 26. September dabei zu sein und seine Ideen einem Millionen-Publikum präsentieren zu können.

Extremsport, Kühltruhen-Experimente, Veto-Manie

Wahlkampf-Schlagzeilen machte Johnson bislang vor allem dadurch, dass er im Frühstücks-TV-Interview die verhängnisvolle Frage "Was ist Aleppo?" stellte und dadurch sofort in die Schublade "ahnungsloser Möchtegern-Präsident" gesteckt wurde.

Das ist etwas unfair, ohnehin lässt sich Johnson schwer einordnen - nicht nur, weil er neben dem Marihuana-Konsum auch dem Extremsport nachgeht und bereits den Mount Everest bestieg (zu Johnsons weniger glorreichen Taten gehört, sich einmal in eine Kühltruhe gesperrt zu haben, nur um zu beweisen, dass er "die Kälte aushalten kann").

Als Gouverneur von New Mexico (1995-2003) eilte ihm der Ruf eines Selfmade-Millionärs voraus, der sein Vermögen mit einer Computerchip-Firma gemacht hatte. Als Republikaner ins Amt gewählt, blieb er vor allem durch seine strenge Haushaltspolitik in Erinnerung, in der er 739 Gesetze blockierte, weil für die Ausgaben keine Gegenfinanzierung stand. Auch seine Justizpolitik galt als gnadenlos, während er heute für eine Lockerung des Strafrechts eintritt.

"Die Mehrheit sind Libertäre, sie wissen es nur noch nicht"

Ohnehin steht Johnson 2016 entgegen der Parteiwurzeln eher für einen linken Libertarismus, ist für Marihuana-Freigabe, gegen Militäreinsätze und ausufernde Ausgaben, vor allem nicht für die Verteidigung. Offen umgarnt er Bernie-Sanders-Anhänger, schreckt sie jedoch mit seiner Pro-Freihandels-Haltung - 2016 eine Seltenheit - ab.

Einer Untersuchung aus dem Jahr 2013 zufolge sind 94 Prozent der Libertären weiß und zwei Drittel männlich - die Trump-Zielgruppe also. Allerdings ist Johnson derzeit vor allem regional bekannt, die besten Werte erzielt er im heimatlichen New Mexico, aber auch in Utah, Idaho, and South Dakota. Aber nicht mal dort wird Johnson Trump nahe kommen können. Interessant wird, wo er wem in den Wechselwähler-Staaten so viele Stimmen abnehmen kann, dass der Wahlausgang entscheidend beeinflusst wird.

"Die Mehrheit der Amerikaner sind Libertäre, sie wissen es nur noch nicht", pflegt Johnson zu sagen. Die meisten Wähler werden ihre geheime Neigung allerdings auch 2016 nicht erkennen.

Jill Stein - Grüne, Folk-Musikerin und Sanderista-Flüsterin

Jill Stein

Grünen-Kandidatin Jill Stein während eines Auftritts in Chicago

(Foto: AP)

Die Ärztin Jill Stein kandidiert bereits zum zweiten Mal für die Grünen. 2012 erhielt die Frontfrau der Öko-Partei, die in den USA deutlich linker ist als in Deutschland, weniger als ein halbes Prozent. Dass die 66-jährige Absolventin der Harvard University und ehemalige Professorin vier Jahre später auf durchschnittlich drei Prozent kommt, liegt weniger am Programm (strengere Auflagen für Banken, mehr Klimaschutz und Sozialstaat), sondern an der Enttäuschung über Bernie Sanders - und dem enormen Misstrauen gegenüber Hillary Clinton.

Unter dem Hashtag #JillNotHill finden sich jene Sanders-Fans wieder, die es ihrem Idol übelnehmen, dass er nun offen für die Ex-Außenministerin wirbt. Während des Demokraten-Parteitags in Philadelphia warb Stein persönlich um die "Bernie or Bust"-Puristen. Diese halten das Argument, dass sich Sanders' progressive Ziele unter einem Präsidenten Trump nie umsetzen lassen, für schwach. Sie sehen Clinton als Kriegstreiberin an und werten die geleakten E-Mails der Parteiführung als Beweis dafür, dass der 75-jährige Polit-Revolutionär Sanders betrogen wurde.

Verglichen mit 2012 ist Stein - ihr Vize ist der Menschenrechtsaktivist Ajamu Baraka, nach dessem Geschmack selbst Bernie Sanders nicht radikal genug ist - häufiger in den Medien vertreten und sorgt für Schlagzeilen. So verkündete sie: "Ich hätte Bin Laden nicht ermorden lassen, sondern vor Gericht gestellt." Doch von jenen 15 Prozent, die es für die Teilnahme an den TV-Debatten braucht, ist sie weit entfernt. Umfragen zufolge werden neun von zehn Sanders-Fans für die Demokraten stimmen.

Wie gut Stein, die als Folk-Sängerin mehrere Alben veröffentlicht hat, und die Grünen in den einzelnen Bundesstaaten abschneiden, hängt sehr von deren "Bedeutung" ab. Wer mit Sanders-Fans aus Kalifornien oder Oregon spricht, hört klare "Ich wähle Jill"-Bekenntnisse. Doch wer in den umkämpften swing states Ohio, Pennsylvania oder Florida wohnt, der tendiert zähneknirschend zu Clinton. Erfolgreich war die Wahlkämpferin Stein übrigens bislang nie: alle Kandidaturen - auch für einen Sitz im Parlament von Massachusetts oder als Gouverneurin - endeten mit Niederlagen.

McMullin - ehemaliger CIA-Mann als Trump-Alternative

Evan McMullin

Evan McMullin

(Foto: evanmcmullin.com)

Bevor Evan McMullin im August ankündigte, als unabhängiger Kandidat fürs Weiße Haus zu kandidieren, folgten ihm 135 Menschen bei Twitter. Mittlerweile hat sich die Zahl seiner Follower auf knapp 50 000 erhöht, doch das ist selbst im Verhältnis zu Stein (225 000) und Johnson (322 000) ziemlich wenig (Trump und Clinton haben 11,5 beziehungsweise 8,8 Millionen). Als sich der ehemalige CIA-Mitarbeiter zur "echt konservativen" Trump-Alternative erklärte (Motto: "Es ist nie zu spät, das Richtige zu tun"), stand McMullin kurzzeitig im Rampenlicht. Doch ohne viel Geld ist es schwer, in den USA überhaupt als Bewerber registriert zu werden.

Dies ist bisher nur in elf Bundesstaaten gelungen; in 30 anderen Staaten und D.C. können die Wähler theoretisch seinen Namen per Hand eintragen. Doch dazu müsste der glatzköpfige 40-Jährige auf wundersame Art plötzlich bekannt werden - derzeit fragen die Meinungsforscher gar nicht nach ihm, er taucht also in den Umfrage-Ergebnissen nicht auf. Nur in Utah, wo der Mormone geboren wurde, kann er auf Unterstützung hoffen. Ab und an wird McMullin von den Kabelsendern interviewt - etwa nach der Weigerung des Trump-Stellvertreters Mike Pence, sich vom ehemaligen Ku-Klux-Klan-Mann David Duke zu distanzieren.

Einen Vizekandidaten hat McMullin noch nicht nominiert. "Nathan Johnson" ist der Name, der als Platzhalter angegeben wurde, was zumindest ein paar Spekulations-Geschichten über dessen Identität auslöste.

Jede Art von Aufmerksamkeit ist willkommen und so hat McMullin markige Sprüche über die Gegner parat: Trump sei gefährlicher als die IS-Miliz, Hillary Clinton "inakzeptabel" und die Grüne Jill Stein schlicht "sonderbar" mit ihrem "sozialistischem Wunschdenken". Der Libertäre Johnson bekam nach seinem Aleppo-Aussetzer das McMullin-Urteil serviert, als "Kandidat nicht ernst zu nehmen" zu sein. Der Ex-Geheimdienstler kennt die Stadt in Syrien natürlich , die Außen- und Sicherheitspolitik ist ohnehin sein Spezialgebiet.

Fantasie-Szenario beschreibt Weg ins Weiße Haus

Nach außen geben sich der Kandidat und seine Berater siegessicher. Ein elfseitiges Strategiepapier beschreibt den abenteuerlichen Weg ins Weiße Haus: Man müsse Trump und Clinton so viele Stimmen klauen, damit kein Kandidat die nötigen 270 Wahlmänner-Stimmen bekommt. Dann würde das Repräsentantenhaus den Präsidenten wählen - McMullin natürlich, so das unrealistische Szenario.

Eine Passage des Memos ist punktgenau formuliert: "Jede Person im politischen Prozess wird sich nach der Wahl und in absehbarer Zukunft daran messen lassen, wie sie sich zu Donald Trump positioniert hat." Sollte der Immobilien-Mogul siegen, dann werden viele Johnson, Stein und McMullin die Schuld dafür geben, Clinton die entscheidenden Stimmen geklaut haben.

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