Rundfunk:Seid funky und mehret euch

Was viele Jahre lang ein öffentlich-rechtlicher Jugendkanal werden sollte, startet jetzt als reines Internet-Angebot. Die Videos für fast 45 Millionen Euro findet man bei Facebook und Youtube.

Von Katharina Riehl

Die Debatte ist inzwischen älter als die Menschen, um die es dabei geht. Seit Ende des vergangenen Jahrtausends ventilieren ARD, ZDF und die Medienpolitik die Möglichkeit eines öffentlich-rechtlichen Jugendkanals; konkreter wurde es Anfang dieses Jahrzehnts, als SWR-Intendant Peter Boudgoust das Thema für sich entdeckte und das ZDF ins Boot holte. Politisch wurde das Projekt danach noch mehrmals für tot erklärt, bevor im Oktober 2014 die Entscheidung fiel, die nun Realität wird: Am Samstag startet "Funk", das junge Angebot von ARD und ZDF - kein Sender, ein reines Onlineangebot. Wenn man die Jugend im Netz nicht findet, befanden die Ministerpräsidenten, die solche Dinge genehmigen müssen, dann findet man sie nirgendwo.

Es gibt Serien, Satire, Comedy, Journalismus; es gibt eigentlich alles. Aber findet man es auch?

40 neue Formate haben Florian Hager, 40, und Sophie Burkhardt, 34, der Geschäftsführer von Funk und seine Stellvertreterin, in den vergangenen Monaten produzieren lassen. Fast 45 Millionen Euro Budget hat ihnen die Politik dafür zugedacht. Ziemlich viel für Sendungen, die in erster Linie auf Facebook und Youtube gezeigt werden; ZDF Neo hat 32 Millionen Euro. Funk.net ist zwar auch eine Website, auf der sich Formate aus dem Angebot finden; eine App gibt es auch, eine Mediathek im klassischen Sinne aber gibt es nicht.

Wer sehen will, was Funk mit den Gebührengeldern so anstellt, muss sich die Sendungen auf den sogenannten Drittplattformen zusammensuchen, auf Youtube, Facebook, Instagram und Snapchat. Aber nicht einmal so stellen sie es sich bei Funk vor: Die jungen Zuschauer sollen bei ihren sozialen Netzwerken die einzelnen Formate kennenlernen, jedes kämpft für sich allein. Man kann nicht einmal bei Facebook Funk abonnieren. Für das öffentlich-rechtliche System, das seine eigene Bedeutung gerne vor sich herträgt, ist das zumindest bemerkenswert radikal.

Ein paar Tage vor dem Start zeigen Hager und Burkhardt in ihren Mainzer Büroräumen auf einem Laptop, was man sich so ausgedacht hat, um eine angeblich verlorene Generation zu Fans des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu machen. Was sie erzählen, klingt erst einmal weniger nach kreativer Programmentwicklung als nach höherer Mathematik. Ihre politisch festgesetzte (und ja durchaus diverse) Zielgruppe von 14 bis 29 haben sie bei Funk noch einmal in vier Unterzielgruppen aufgeteilt: 14 bis 16, 17 bis 19, 20 bis 24 und 25 bis 29. Diese Zielgruppen wiederum sollen jeweils sowohl unterhalten als auch informiert werden, mit fiktionalen und mit non-fiktionalen Videos, und dann will man für Youtube auch noch andere Dinge produzieren als für Facebook oder Snapchat.

Wer Sinn und Unsinn des Projektes Funk bewerten will, muss zwei Ebenen unterscheiden. Rein inhaltlich hat man auf den ersten Blick den Eindruck, dass da sehr wohl einige hübsche Dinge entstanden sind. Hager und Burkhardt haben mit für das öffentlich-rechtliche System ungewöhnlichen Produktionsfirmen gearbeitet, sie sind auf bekannte Youtuber zugegangen, um mit ihnen neue Formate zu entwickeln; es gibt eine Mystery-Serie für Teenies, es gibt, für die etwas Älteren, Comedy mit dem Böhmermann-Sidekick Florentin Will. Es gibt investigative journalistische Formate, Sportsatire, Animationsserien, es gibt Wissenssendungen, es gibt amerikanische Lizenzserien wie Fargo oder Hoff the Record, es gibt eigentlich alles. "Ein paar Samen werden hoffentlich aufgehen", sagt Florian Hager. Und damit wäre man dann auch schon auf der zweiten Ebene.

Nach der Entscheidung der Ministerpräsidenten 2014 gab es heftige Kritik von Verleger- und Privatfunkverbänden, dass man ihnen nun im Netz noch mehr gebührenfinanzierte Konkurrenz mache. Als Reaktion darauf gaben ARD und ZDF eine Studie in Auftrag, und Goldmedia kam zu einem durchaus irritierenden Ergebnis: Die Verbände könnten sich entspannen, ein junges Onlineangebot von ARD und ZDF hätte ohnehin nur ein "Reichweitenpotenzial" von drei Prozent bei kommerziellen Wettbewerbern, insgesamt ist das Nachfragepotenzial in der Zielgruppe bei 7,75 Prozent. Sollte die Studie recht behalten, wäre es natürlich ein ziemlicher Wahnsinn, 45 Millionen Euro im Jahr für drei Prozent von knapp 15 Millionen Menschen auszugeben. Fragt man Florian Hager danach, dann sagt er: "Wenn am Ende diese drei Prozent in der Zielgruppe herauskommen, haben wir etwas falsch gemacht."

Die Frage ist nur, wie man es richtig macht, und ob am Ende nicht vielleicht auch einfach die politische Prämisse die falsche gewesen sein könnte. Die ARD-Programmforschung erklärt auf Nachfrage, dass etwa 75 Prozent der 14- bis 29-Jährigen heute noch von den öffentlich-rechtlichen Hauptsendern erreicht werden. Man kann diese beiden Prozentzahlen - drei und 75 - aus so unterschiedlichen Erhebungen nicht eins zu eins vergleichen. Aber die Größenordnung ist sehr deutlich.

Es stimmt also nicht, dass Jugendliche nicht mehr wüssten, dass man ARD und ZDF einschalten könnte. Sie tun es nur zu selten, im Schnitt sind nur etwa fünf Prozent der Zuschauer der beiden Sender zwischen 14 und 29 Jahre alt. Um diese Zahlen zu verbessern, müssten ARD und ZDF ihr Hauptprogramm interessanter machen für junge Zuschauer und mit weniger Donna-Leon-Quoteneinbußen riskieren. Da ist so ein Onlineangebot, ein Kindertisch im Netz, natürlich deutlich bequemer.

"Kein Mensch wartet auf uns, niemand wartet auf den 1. Oktober", sagt der Chef

Die Politik hat Florian Hager eine fast unlösbare erscheinende Aufgabe übertragen. Er muss eine nennenswerte Verbreitung schaffen für seine Videos an Orten im Netz, an denen es an Videos für junge Menschen wahrlich nicht mangelt. Hager sagt: "Wir haben auf diesen Plattformen momentan keine relevante Reichweite. Kein Mensch wartet auf uns, niemand wartet auf den 1. Oktober." Mit einem klassischen Jugendkanal, wie ihn ARD und ZDF wollten, wäre es deutlich einfacher geworden, die Marke bekannt zu machen. Das Budget wäre dasselbe gewesen; die Kritik an einem weiteren öffentlich-rechtlichen Sender aber vermutlich sehr viel größer.

Auf dem Blog zu Funk ist unter FAQ die Frage zu finden, warum diese Sachen denn jetzt besser seien als Netflix. Antwort: "Zum einen, weil es quasi umsonst ist. Also man bezahlt es natürlich. Aber es ist ein Schmankerl oben drauf!" Da zumindest herrscht auch am Kindertisch eine sehr öffentlich-rechtliche Sicht der Dinge.

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