SZ-Serie "Vom Malz zur Mass":Der Traum von der eigenen Brauerei

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Andreas Binder hat im Tölzer Kurviertel einen Betrieb mit Gaststätte aufgemacht. Dort kann man neben den Kupferkesseln sitzen, in denen das Bier gesiedet wird.

Von Alexandra Vecchiato, Bad Tölz

Es liegt ein besonderer Duft in der Luft. Würzig-herb ist er, und doch süßlich. Liebhabern dieser Aromen geht das Herz auf. Es wird Bier gebraut im Binderbräu. Nicht irgendwo versteckt im Keller, sondern mitten in der Gaststätte in der Ludwigstraße im Tölzer Kurviertel setzt Braumeister Andreas Forstner den Sud an. Wer mag, darf ihm über die Schultern schauen. So eine Gaststättenbrauerei sei etwas Besonderes, sagt er. "Man ist mittendrin. Das ist familiärer als in größeren Brauereien."

Wirt Andreas Binder hat sich mit der Gasthausbrauerei einen Traum erfüllt. 13 Mal ist er mit Freunden nach Frankfurt gefahren und hat von dort eine gebrauchte Anlage mit den Kupfersudkesseln und allem Drum und Dran nach Tölz gebracht. Den Wunsch, selbst Bier zu brauen, hegte der 47-Jährige schon lange. Noch als Leiter des Tölzer Stadtmuseums wollte er dort eine 100-Liter-Anlage einbauen - und natürlich benutzen. Das war aber aus Gründen des Brandschutzes nicht möglich. Später sei er an einen Punkt in seinem Leben angekommen, an dem er sich fragte, ob er nicht etwas Neues wagen sollte.

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

Andreas Binder hat seinen Traum von der eigenen Brauerei wahr gemacht.

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(Foto: Manfred Neubauer)

Stammgäste haben Stammkrüge.

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(Foto: Manfred Neubauer)

Große Thermometer zeigen an, wie warm der Sud in den Kupferkesseln ist,...

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(Foto: Manfred Neubauer)

... die Braumeister Andreas Forstner überwacht.

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

Im Sommer kann man vor der Gaststätte im Kurviertel auch im Freien sitzen.

Andreas Binder entschied sich für das Wagnis. Er erwarb das dreistöckige Haus an der Ludwigstraße, in dem sich früher eine Pizzeria und das Hotel zur Sonne befanden. Zu den Kosten sagt er, sie seien in die Tausende gegangen. Für die Brauerei brauchte es geeignete Kellerräume, in dem unter anderem die Lagertanks Platz fanden. Kanalisation und Stromversorgung mussten erneuert werden. Wer heute das Binderbräu betritt, findet sich in einer bayerischen Gaststätte wieder - ohne volkstümelnden Mief, dafür umgeben von authentischer Volkskunst, die von der Geschichte des Bierbrauens und -trinkens erzählt. So findet man etwa "Stammkrüge", Bierkrüge, die den Gästen selbst gehören und die in einem Regal abgesperrt werden, damit sie ja kein anderer benutzt. Auch ein Gambrinus ist da, der legendäre König, der das Brauen erfunden haben soll. Er reitet auf einem Fass.

Als klar war, dass Binder sein eigenes Bier brauen würde, stellte sich die Frage, wie es schmecken sollte. 27 Sorten, die es auf dem Markt gibt, probierten Binder, seine Frau Monika und Braumeister Forstner. Im Oktober vorigen Jahres habe man sich zusammengesetzt. Geruch, Farbe und natürlich Geschmack seien die bestimmenden Kriterien gewesen, sagt Binder. "Da gibt es himmelweite Unterschiede."

Die drei waren sich schnell einig: Mild sollten die Biere werden, eben nicht betont herb, mit wenig Kohlensäure und das Dunkle nicht zu malzig. Das sei angenehmer zu trinken, sagt Binder. Forstner startete Testläufe - und fand die richtige Mischung. Die Rezepte für Helles, Weißes und Dunkles bleiben selbstverständlich geheim. Noch heute probieren Forstner und Binder Neues aus. Dabei halten sie sich immer an das bayerische Reinheitsgebot. Binder ist überzeugt, dass dieses ausreichend Spielraum gewährt. Mit mehr als 100 Hefestämmen und gut 300 Hopfensorten könne man gut experimentieren.

Im Keller befindet sich sozusagen die Schatzkammer. In einem Raum lagern die Malzsorten. Wiener, Münchner, Pilsener Malz steht auf den Säcken. In einem Kühltresor liegen Hopfenpellets in Plastikbeuteln. "Davon braucht man nicht viel", sagt Binder, "denn der Geschmack ist sehr intensiv." In einem Regal steht die "50-Liter-Brauerei", in der die Versuchssude angesetzt werden. Gefällt das Ergebnis, rechnet Forster die Mengen hoch für die großen Kessel. Dafür brauche man Mathematik und Erfahrung. Die hat der 43-Jährige. Er lernte sein Handwerk von 1994 an im Tölzer Grünerbräu. Danach war er bei großen Münchner Brauereien wie Paulaner, Löwenbräu und Augustiner tätig. Von 2000 bis 2002 besuchte er die Meisterschule, 2003 bis 2014 arbeitete er im Oberbräu in Holzkirchen. Seit 2014 arbeitet er beim Binderbräu, überwachte den Einbau der Anlage. Das Arbeiten in der Gaststättenbrauerei mache ihm mehr Spaß als die in den Großbrauereien. Dort seien die Abläufe stärker automatisiert. Zudem sei er im Binderbräu nicht nur fürs Brauen zuständig. Er lege überall Hand an - auch wenn es um das Putzen der Schankanlage gehe. Bis der Sud fertig ist, dauert es neun Stunden. Die Biere, die im Binderbräu ausgeschenkt werden, sind naturtrüb, also unfiltriert, weshalb sie nicht so lange haltbar sind. Obergäriges Weißbier ist nach zwei bis drei Wochen Gärung und Lagerung fertig, untergäriges Helles und Dunkles nach fünf bis sechs Wochen. Bockbier muss mindestens acht Wochen lagern. Das bedarf der richtigen Planung. Schon jetzt setzt Forstner das Märzen für Leonhardi an. Den Bock zur Starkbiersaison im kommenden Jahr macht Forstner spätestens Anfang Januar 2017.

Die beiden experimentierfreudigen Biermacher planen bereits für die Zukunft: Im Keller ist Platz für eine Brennerei. Whiskey, Gin und Bockbierbrände könnten dort destilliert werden, schwebt den beiden vor. Monika Binder macht Bierlikör. Und Glühbier gibt es auch. Das, schwört Binder, sei viel bekömmlicher als Glühwein. Weil es weniger Säure habe.

© SZ vom 05.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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